www.lochner-fischer.de (aufgenommen am 04.02.1998)
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Rede von SPD-MdL Monica Lochner-Fischer am 3. Februar 1998

in der Aktuellen Stunde im Bayerischen Landtag zum Thema:
"Die Situation der Schwangerenkonfliktberatung in Bayern"

Die SPD bedauert die Entscheidung der katholischen Bischöfe, aber wir wollen heute nicht über die Entscheidungen und Aufgaben der Kirchen diskutieren. Dafür sind wir als Parlament nicht da. Wir wollen über die Rolle der CSU in dieser Auseinandersetzung sprechen und darüber, wie Teile dieser Partei den Staat mißbrauchen, um ihre frauen- und lebensfeindlichen Vorstellungen gegen die Mehrheit der Bevölkerung durchzudrücken.
Es muß deutlich darauf hingewiesen werden, daß führende Köpfe dieser angeblich staatstragenden Partei offen zum Gesetzesbruch auffordern.
Die Aufgabe des Staates ist es, den gesellschaftlich Konsens umzusetzen. Das geschah durch den Bundesgesetzgeber in einem Kompromißgesetz. Eine Trennung von Beratung und deren Bestätigung ist nicht möglich. Dies verbietet der mühsamst gefundene Kompromiß des Bundesgesetzes. Eine derartige Trennung widerspricht aber auch dem Bundesverfassungsgerichtsurteil, auf das sich die CSU so gerne beruft. Und was für die CSU noch schlimmer sein müßte: Diese Trennung widerspricht vor allem dem von ihnen im vorletzten Jahr durchgesetzten bayerischen Sondergesetz!
SIE haben doch mit diesem Sondergesetz zur Beratung die Eigenverantwortung und das Selbstbestimmungsrecht der Frau bis zur Unkenntlichkeit verstümmelt. SIE haben doch den Beratungsstellen die Bürde der Beurteilung des einzelnen Schicksals und damit die Mitverantwortung an der Entscheidung auferlegt. SIE haben doch mit ihrem Sondergesetz die Kluft zwischen dem SKF, den katholischen Beratungsstellen und den Bischöfen noch verstärkt. Sie haben als CSU den Konflikt in der katholischen Kirche geschürt und die jetzige Situation heraufbeschworen. SIE haben die Hardliner in der Kirche unterstützt. SIE haben die besonnenen Stimmen aus der Kirche, die Warnungen des Sozialdienstes Katholischer Frauen einfach beiseite gewischt.
Den Scherbenhaufen, vor dem wir jetzt stehen, haben wieder einmal Sie angerichtet. Die CSU hat zu verantworten, wenn die katholischen Beratungsstellen aus der gesetzlichen Beratung aussteigen sollten oder aussteigen müssen. - Und es hat für mich ganz den Anschein, daß sie genau das bezwecken. Sie wollen die Spaltung der Beratungsstellen in gute und böse. Sie wollen nicht die optimale Hilfestellung für die Frau und nicht den Schutz des ungeborenen Lebens, Sie wollen einzig und allein ihren jahrzehntelangen Kampf gegen die Frauen fortsetzen und das Rad der Geschichte wieder zurückdrehen. Sie WOLLEN die Abtreibung der katholischen Beratungsstellen.
Um es ganz deutlich zu sagen: Wir werden ihnen bei diesem Vorhaben in keiner, in absolut keiner Weise behilflich sein! Wir werden dagegen alles tun, um sie daran zu hindern, ihr Ziel zu verwirklichen. Deshalb lehnen wir heute auch den Antrag der Grünen ab.
Das Bundesverfassungsgericht hat die Schwangerschaftskonfliktberatung ins Zentrum gestellt. Sie ist zwingende Voraussetzung für die Straffreiheit der Frau. Ohne Schein, mit dem die Beratung bestätigt wird, gibt es keine Straffreiheit, gibt es keine Rechtssicherheit. Das nur zur Klarstellung.
Es ist das gute Recht einer jeden Organisation oder Glaubensgemeinschaft, es ist das gute Recht der katholischen Bischöfe, Schwangerschaftsabbrüche prinzipiell abzulehnen. Und es liegt in der freien Entscheidung der Katholikinnen, ob sie sich an diesen Glaubensgrundsatz halten. Es ist aber nicht Aufgabe des Staates, die Katholikinnen zu zwingen, sich an die Regeln ihrer Kirche zu halten.
Statt dessen ist es Aufgabe des Staates, die Gesetze durch- und vor allem umzusetzen. Und mit der Umsetzung der Vorschrift, wohnortnahe und vor allem plurale Beratungsstellen zur Verfügung zu stellen, hat sich die Staatsregierung schon immer schwer getan. Rein rechnerisch stimmt die Zahl des Personals derzeit. Doch in einem Flächenstaat wie Bayern ist damit kein plurales Beratungsangebot sicherzustellen. Vielleicht kann uns die Staatsregierung einmal erklären, weshalb es zum Beispiel in Baden-Württemberg wesentlich mehr Beratungsstellen und ein pluraleres Angebot gibt und die Abbrüche in Baden-Württemberg trotzdem - bezogen auf die Bevölkerung - nicht höher sind als in Bayern? Die Antwort paßt der Staatsregierung einfach nicht ins Konzept: Ein wirklich wohnortnahes und plurales Beratungsangebot ist die beste Hilfe für Frauen in Not und der beste Schutz von ungeborenem Leben.
Denn eines ist völlig klar: Die Qualität der Beratung ist in allen Beratungsstellen hervorragend, ob sie nun von der evangelischen Kirche, von pro familia oder dem SKF betrieben werden. Wer dies leugnet, versucht einzelne Beratungsstellen auszugrenzen. Teile der CSU - wie deren Vorsitzender Waigel letzte Woche im Bayern Kurier - versuchen sogar den Eindruck zu erwecken, nicht alle würden gesetzestreu beraten. Wer so spricht, der will nur den ideologischen Kampf, dem ist der Schutz des ungeborenen Lebens völlig egal. Wir fordern sie, meine Herren von der CSU auf, hören sie auf die Qualität unserer Beratungsstellen in Frage zu stellen. Hören sie auf, Frauen in Not noch mehr zu verunsichern! Fangen sie endlich an, das Beratungsnetz auszubauen, statt es zu zerschlagen!
Wer nicht in den Großräumen München und Nürnberg wohnt, hat keine Auswahl in Wohnortnähe zur Verfügung. Nur im Bezirk Oberbayern stehen 2, in Schwaben 1 und in Mittelfranken 2, eine davon erst seit vier Wochen, nichtkonfessionelle Beratungsstellen freier Träger zur Verfügung. In fünf bayerischen Bezirken haben Frauen - im günstigen Fall - die Auswahl zwischen dem staatlichen Gesundheitsamt und einer kirchlichen Beratungsstelle. Für diese fünf Bezirke liegen seit zwei Jahren Anträge auf Anerkennung von Beratungsstellen vor. Keiner der Anträge wurde bisher positiv beschieden. Wir fordern Sie auf, dies endlich zu tun und ihrem Sicherstellungauftrag in der Beratungsfrage endlich nachzukommen! Was sie hier treiben ist das kalte Unterlaufen einer gesetzlichen Verpflichtung.
Die Staatsregierung scheint immer noch nicht zu wissen, was Pluralität überhaupt heißt. Frauen müssen in Wohnortnähe die Wahl haben zwischen unterschiedlichen Beratungsstellen. Dazu gehören die freien Träger ebenso wie die kirchlichen. Und um letztere geht es heute. Es ist ihre Pflicht als Staatsregierung, ihren Einfluß auf die katholische Kirche ausnahmsweise einmal positiv zu nutzen und die katholischen Beratungsstellen im gesetzlichen Angebot zu halten. Gesetzliches Angebot heißt: Mit Beratungsnachweis. Eine andere Möglichkeit läßt auch ihr Sondergesetz nicht zu, das ja angeblich genau deshalb notwendig war, um die heutige Situation zu verhindern.
Wir wissen es und Sie wissen es: eine Beratung ohne Schein ist eine Scheinberatung. Mit einer Scheinberatung wird Frauen nicht geholfen und ungeborenes Leben nicht geschützt. Deshalb kann es für uns weder eine Trennung von Beratung und Beratungsnachweis, noch eine Änderung des Bundesgesetzes in dieser Frage geben. Sie haben die heutige Situation zu verantworten. Deshalb fordern wir Sie auf: Hören Sie endlich auf, die Beratungsstellen in die Entscheidungsverantwortung zu zwingen. Lassen Sie die Verantwortung für den Abbruch dort, wo sie nach unserer Meinung, nach Meinung des Bundesgesetzgebers und auch nach dem Bundesverfassungsgerichtsurteil hingehört, bei der Frau.
Hören Sie endlich auf, den reaktionären, frauenfeindlichen Kreisen in der katholischen Kirche den Rücken zu stärken. Unterstützen Sie endlich den Kampf des SKF und anderer in der katholischen Kirche, damit die katholischen Beratungsstellen auch langfristig im gesetzlichen Netz bleiben können. Bauen Sie endlich das Beratungsnetz aus. Machen Sie sich nicht täglich von neuem schuldig der unterlassenen Hilfeleistung für Frauen!