Stellungnahme der AsF Bayern: 3. Juli 97
Keine SPD-Beteiligung
am Volksbegehren gegen Sondergesetze zum § 218
Ersten Erfolg vorm Bundesverfassungsgericht nicht verschenken
Die bayerische AsF und die BayernSPD wollen und dürfen nicht durch parteitaktisches Kalkül den eingeschlagenen, erfolgversprechenden Weg der bundesverfassungsrechtlichen Prüfung des sog. Ärztegesetzes abbrechen oder in Gefahr bringen. Die Einleitung eines Volksbegehrens beinhaltet aber beides. Die BayernSPD hatte sich entschlossen, mit Hilfe der Ärzteklage das Bundesverfassungsgericht anzurufen. Dieses würde sich zurecht brüskiert fühlen, wenn wir nach deren vieler Arbeit und dem ersten Erfolg erklären würden, wir gehen jetzt doch den Weg der Volksgesetzgebung, den wir - ebenso wie FDP und Grüne - im letzten Jahr aus guten Gründen nicht gewählt hatten. Diese Gründe haben sich nicht geändert, aber die FDP braucht ein Wahlkampfthema.
Die BayernSPD wird sich daher an dem jetzt von FDP und Grünen eingeleiteten Volksbegehren gegen die beiden bayerischen Sondergesetze zum § 218 nicht beteiligen. Für das Präsidium der BayernSPD wie für den AsF-Landesvorstand war dies eine schwere Entscheidung, da das parteipolitische Interesse und die sachliche Notwendigkeit sich gegenseitig ausschlossen. Aber es blieb uns im Interesse der Frauen (auch der in den anderen Bundesländern) keine andere als die jetzt getroffene Wahl.
Beim Gespräch zwischen Generalsekretär W. Hoderlein, der stellvertretenden SPD-Landesvorsitzenden GM Haas, dem Rechtsexperten K. Hahnzog und mir mit der Landesspitze der Grünen wurde sehr offen, fair und deutlich über die Situation gesprochen. Die Grünen teilten unsere inhaltliche Einschätzung, sahen sich jedoch aufgrund der SPD-Meinungsführerschaft zu diesem Thema und des beginnenden Wahlkampfs nicht in der Lage, mit uns gemeinsam den eingeschlagenen Weg weiter zu gehen und den Abschluß der Verfassungsklage abzuwarten.
Die verfassungsrechtliche Situation hat sich seit dem vergangenem Jahr nicht geändert: Das von FDP/Grüne eingeleitete Volksbegehren beantragt die Aufhebung des sogenannten Ärztegesetzes und des Schwangerenberatungsgesetzes. Für die Einleitung sind 25.000 Unterschriften nötig, die ohne weiteres innerhalb einer Woche gesammelt werden können. Danach werden sie beim bayerischen Innenministerium eingereicht. Dieses erklärt, ob es den Gesetzestext des Volksbegehrens für zulässig hält. In über 200 Stunden Landtagsberatung, nachzulesen auf über 3000 Seiten Protokoll, hat die CSU im letzten Sommer immer und immer wieder erklärt, daß die beiden Sondergesetze aus ihrer Sicht verfassungsrechtlichtlich notwendig wären. Wir vertraten dagegen die Ansicht, daß das Bundesgesetz ausreicht. Niemand kann wohl glauben, daß uns die Bayerische Staatsregierung via Innenministerium im nachhinein recht gibt und ohne Bedenken das Volksbegehren laufen läßt.
Aufgrund der Bedenken erfolgt automatisch die Prüfung des beantragten Volksbegehrens-Gesetzentwurfes durch den Bayerischen Verfassungsgerichtshof. Nur er kann die Feststellung der Zulässigkeit treffen. Dies ist keine formale, sondern eine umfassende, materielle Prüfung, die innerhalb von drei Monaten erfolgen muß. Erinnert sei daran, daß der BayVerfGH bereits drei Volksbegehren nicht zuließ, das Schulbegehren z.B. wegen des Finanzvorbehalts. Daß uns die mit der CSU-Mehrheit im Landtag gewählten bayerischen Verfassungsrichter im Falle der § 218-Sondergesetze eher recht geben als das Karlsruher Gericht, wird wohl niemand ernsthaft glauben. Zudem kommt es zwangsläufig zu einem Wettlauf der beiden Gerichte, da eine verzögerte Abgabe der Unterschriften erst nach dem Karlsruher Urteil einem Wahlbetrug gleichkäme. Deshalb kann es zu einer "vorgreifenden Entscheidung" des BayVerfGH kommen, an der das Bundesverfassungsgericht bei seiner Entscheidung nicht vorbei kommt.
... und damit hätten wir und alle Frauen in Deutschland auf ganzer Linie verloren! Das können wir als SPD politisch nicht verantworten.
Wir bedauern, daß FDP und Grünen dies nicht teilen und halten deren eingeschlagenen Weg im Hinblick auf den zu erwartenden Richterinnen- und Richterspruch von Karlsruhe in der Hauptsache nicht für zielführend.
Allen die diese Entscheidung getroffen und die sie zu verantworten haben, blutete dabei das Herz. Es ging nicht darum, was wir tun wollten, sondern es ging und geht einzig und allein darum, wo für Bayerns Frauen die größten Erfolgsaussichten bestehen und wie wir einen bundesweiten Flächenbrand verhindern. Die BayernSPD kann und darf dieses Ziel nicht den wahltaktischen Manövern der FDP opfern.
In diesem Sinne bitten wir Euch im Auftrag des Präsidiums der BayernSPD um Verständnis für diese unpopuläre Entscheidung und Unterstützung des weiteren Wegs in Karlsruhe.
Monica Lochner-Fischer, MdL
AsF-Landesvorsitzende