nach dpa, 5. August 2005
VGH stärkt Rolle freier Träger bei Schwangerenberatung
Pro Familia hat Anspruch auf staatliche Förderung
und Donum Vitae kann überregional tätig sein
(dpa/lby) - In einer Grundsatzentscheidung hat der Bayerische
Verwaltungsgerichtshof (VGH) die Rolle freier Träger bei der
Konfliktberatung von Schwangeren gestärkt. Nach dem am Donnerstag
veröffentlichten Urteil des 5. VGH-Senats hat die Beratungsstelle von
Pro Familia in Fürstenfeldbruck Anspruch auf staatliche Förderung. Die
Richter stellten klar, dass eine genügende Zahl von Amtsärzten in den
Landrats- oder Gesundheitsämtern für eine ausreichende Beratung nicht
genüge, vielmehr müsse es ein plurales Angebot geben. Der
Landesvorsitzende von Pro Familia in Bayern, Harald Ochsner, begrüßte
die Entscheidung. "Das Urteil bestätigt unsere Auffassung, dass es in
Bayern ein flächendeckendes plurales Beratungsangebot für Schwangere
noch nicht gibt", erklärte Ochsner. "Staatliche, ergänzt durch
kirchliche Beratungsstellen allein stellen noch keine Pluralität dar."
Ochsner beklagte, dass seine Organisation sich ihren Förderanspruch erst
in einem jahrelangen Verfahren gegen den Freistaat habe erkämpfen
müssen. Dem Urteil zufolge ist der Förderanspruch aber nicht in jedem
Fall gegeben, sondern an bestimmte Voraussetzungen gebunden (Az.: M 9 K
01.1775). So hat eine Beratungsstelle für Schwangere nur dann Anspruch
auf staatliche Förderung, wenn sie zur Sicherstellung eines
ausreichenden Beratungsangebots im jeweiligen Einzugsbereich nötig ist.
Dies sei der Fall, wenn das vorhandene Beratungsangebot hinter der
gesetzlich vorgesehenen personellen Mindestbesetzung zurückbleibe. Nach
dem Gesetz muss es je 40 000 Einwohner eine Vollzeitstelle geben, die
mit einer Fachkraft für Schwangerenberatung besetzt ist. Zu den
Fördergrundsätzen stellte der VGH-Senat nun klar, dass es zur
Feststellung des nötigen Bedarfs nicht genüge, auf eine ausreichende
Zahl von Amtsärzten zu verweisen, die auch für die Schwangerenberatung
zur Verfügung stünden. Bei der Beurteilung eines Förderantrags dürfe zur
Sicherstellung gerade eines pluralen Angebotes die Zahl der Amtsärzte
nur maximal bis zur Hälfte des gesetzlich vorgesehenen
Personalschlüssels angerechnet werden. "Das Gericht hat den Freistaat
Bayern in seine gesetzlichen Schranken gewiesen und festgestellt, dass
die Versagung der staatlichen Förderung fehlerhaft und rechtswidrig
ist", erklärte Wolfgang Baumann, der Würzburger Anwalt von Pro Familia.
"Die Entscheidung ebnet den Weg, dass in ganz Bayern nun für Hilfe
suchende Schwangere tatsächlich ein Angebot pluraler Beratungsstellen
gewährleistet werden kann."
In einem weiteren Urteil hat der
VGH eine Entscheidung der Bezirksregierung von Oberbayern bestätigt, die
als Einzugsgebiet für eine Schwangeren-Beratungsstelle des - von
katholischen Laien getragenen - Vereins Donums Vitae die Landkreise
München, Freising, Ebersberg und Erding festgelegt hatte. Das
Landratsamt München hatte sich dagegen gewehrt und scheiterte nun in
zweiter Instanz. Nach Ansicht der Richter kann das Landratsamt München
nicht geltend machen, dass die entsprechende Beratungsstelle in Freising
für die Bürger des südlichen Landkreises München zu weit entfernt sei
und damit gegen das Prinzip wohnortnaher Beratung verstoßen werde. Schon
das Verwaltungsgericht München hatte in erster Instanz die Notwendigkeit
überregionaler Einzugsbereiche betont, damit Frauen auch die Möglichkeit
einer anonymen Beratung in Einrichtungen außerhalb ihres Wohnortes
hätten (Az.: M 9 K 02.30229).