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Zum Internationalen Frauentag am Sonntag (8. März 1998):

Die gleichberechtigte Teilhabe von Männern und Frauen an der Arbeitswelt scheitert an staatlicher Unvernunft und ist nur mit einem Politikwechsel zu erreichen

von Monica Lochner-Fischer, MdL, Landesvorsitzende der AsF Bayern

(Fr/0898/spk02/bm) - Im 87. Jahr des Internationalen Frauentags scheitert die gleichberechtigte Teilhabe von Männern und Frauen an der Arbeitswelt immer noch an staatlicher Unvernunft. 

Ein Blick in den Alltag belegt diese Feststellung: Gut ausgebildete, arbeitswillige Frauen mit Kindern beziehen bei uns in großem Umfang Sozialhilfe. Oft wäre sogar der nötige Arbeitsplatz bereits vorhanden. Trotzdem wird diesen Frauen die eigenständige Existenzsicherung verwehrt. Statt in die Arbeit müssen sie zum Sozialamt gehen. Dieser Mechanismus ist an sozialpolitischem Irrsinn kaum zu überbieten. An wirtschaftspolitischen Wahnsinn grenzt die Tatsache, daß die gute Ausbildung vieler junger Frauen gerade auch im öffentlichen Dienst  - beispielsweise bei der Polizei - einfach zum Fenster hinausgeworfen wird. Für fast jede zweite Frau bedeutet die Entscheidung für ein Kind das Aus für die Berufstätigkeit. Dabei wären die Probleme der alleinstehenden Sozialhilfeempfängerin oder der jungen Polizistin einfach zu lösen - mit entsprechenden Kinderbetreuungseinrichtungen.

Einige Großbetriebe haben bereits erkannt, daß sie die teuere Ausbildung von Fachkräften nur dann gewinnbringend verwerten können, wenn sie die Vereinbarkeit von Berufstätigkeit und Kind gewährleisten. Wir begrüßen diese Erkenntnis. Der Mehrheit der bayerischen Frauen nützen die guten Ansätze allerdings nichts. Der Staat müßte dem guten Beispiel dieser Betriebe endlich folgen. Statt dessen ruht sich die CSU-Staatsregierung auf der Tatsache aus, daß inzwischen wenigstens im Kindergartenbereich die größten Defizite abgebaut sind. Frauen mußten sich diesen Erfolg mühsam erkämpfen. Er ist nicht gering zu schätzen und eine Erleichterung übrigens auch für Frauen ohne Kinder. Denn damit wird dem beliebten Ablehnungsgrund bei Bewerbungen vor allem von jüngeren Frauen, sie könnten Kinder bekommen und dann auf ewig weg sein, der sachliche Boden weitgehend entzogen. 

Diesem ersten richtigen Schritt müssen endlich weitere folgen. Die Probleme der Vereinbarkeit von Beruf und Kindern unter drei Jahren oder im Schulalter sind noch nicht einmal im Ansatz gelöst. Die alleinstehende Mutter zum Sozialamt zu schicken ist keine Lösung, sondern verschärft die Probleme in vielfältiger Weise für die betroffene Frau und das Kind. Der Wiedereinstieg ins Berufsleben wird für diese Frau von Jahr zu Jahr schwieriger, denn irgendwann ist ihre Ausbildung nichts mehr wert. 

Die Kosten, die der Allgemeinheit durch die Sozialhilfeempfängerinnen entstehen, sind ein Vielfaches dessen, was ein Hortplatz oder ein Platz in einer Kleinkindtagesstätte kosten würde - von den Folgekosten ganz zu schweigen. Doch finanzpolitische Rationalität und CSU-Frauenideologie sind nicht unter einen Hut zu bringen. Wer entgegen jeder Vernunft und gesellschaftlichen Wirklichkeit an Familienmustern des letzten Jahrhunderts festhalten will, kann schwer zugeben, daß seine verbohrte Ideologie auch noch unnötig viel Geld verschlingt. 

Ich mache dies am Beispiel einer jungen Polizistin deutlich. Da sie Schichtdienst hat, nützt ihr auch ein Kindergartenplatz nichts. Ihre Ausbildung hat dem Staat rund 150 000 Mark gekostet; sie würde dringend gebraucht. Doch diese Leistungen spielen keine Rolle mehr, wenn sie ein Kind bekommt. Hilfe kann diese Polizistin von der CSU-Staatsregierung allenfalls erwarten, solange sie schwanger ist. Danach muß sie schauen, wie sie allein zurecht kommt. 

Ein Politikwechsel ist dringend nötig. Frauen haben ein Recht auf eine eigenständige Existenzsicherung, und die Gesellschaft braucht diese eigenständigen Existenzen! Ein wichtiger Schritt ist die umfassende gesellschaftliche Organisation der Kinderbetreuung. Wenn diese sichergestellt ist, entfällt auch die Zurücksetzung von Frauen ohne Kinder, die ja eventuell schwanger werden könnten. 

Das flächendeckende Angebot an altersübergreifenden Kindertageseinrichtungen sowie an Kleinstkindereinrichtungen, Kindergärten und Hortplätzen ist daher ein unverzichtbarer Beitrag zur gesellschaftlichen und beruflichen Gleichstellung aller Frauen. Starre Konzepte und Einrichtungen sind jedoch nur bedingt zur Problemlösung geeignet. Die unterschiedlichsten Kinderbetreuungsangebote sind gefragt. In Kinderagenturen könnten individuell zugeschnittene Lösungen erstellt und vermittelt werden.

Ebenso wichtig ist: Frauen müssen über die bereits bestehenden Möglichkeiten besser und umfassender informiert werden. Es gehört immer noch zu einem wohlgehüteten Geheimnis, daß die oft hohen Kindergarten- und Hortbeiträge vom Jugendamt übernommen werden, wenn bestimmte Einkommensgrenzen nicht überschritten werden. Viele Frauen gehen nicht zur Arbeit, weil ihnen die Kindergartengebühren zu hoch sind. (Genaue Auskünfte erteilt das örtliche Jugendamt.)

Frauen haben die Sprüche in den Sonntagsreden satt. Eine andere Politik muß gemacht werden. Die Konzepte liegen auf dem Tisch. Die SPD macht den Frauen zu ihrem diesjährigen Internationalen Frauentag am 8. März klare Zusagen: 

  • Wir werden diese Konzepte einer flächendeckenden Versorgung mit flexiblen Kindertagesstätten nach den Wahlen in praktische Politik umsetzen. 
  • Wir werden die Grausamkeiten gegen Frauen im Bereich der Renten und der Gesundheitspolitik wieder zurücknehmen.
  • Wir helfen den Frauen, eine eigenständige Existenzsicherung aufzubauen. 
Staatliche Unvernunft darf nicht länger die gleichberechtigte Teilhabe von Männern und Frauen an der Arbeitswelt scheitern lassen. Dazu brauchen wir den Politikwechsel.