www.lochner-fischer.de (aufgenommen am 03.08.1998)
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Gemeinsame Erklärung von

Monica Lochner Fischer, MdL,
Frauenpolitische Sprecherin der SPD-Landtagsfraktion, ASF-Vorsitzende von Bayern
Dr. Gisela Schwarz, MdL,
Frauenpolitische Sprecherin der SPD-Landtagsfraktion, AsF-Vorsitzende von Sachsen

Zum Zukunftsbericht Bayern und Sachsen:

Da bleibt Frau die Spucke weg ...

SPD-Frauen aus Bayern und Sachsen trafen sich am 2. August 1998 in Nürnberg, um über die Zukunft, die ihnen die Bayerisch-Sächsische Zukunftskommission verordnen will, zu diskutieren.

Die Vorstellungen der frühkapitalistisch-rückwärts gewandten Positionen der sogenannten "Zukunftskommission" empörten die Teilnehmerinnen der Fachtagung. Angesichts der Kaltschnäuzigkeit mit der die Kommissionsmitglieder die Mehrheit der Bevölkerung, vor allem die Frauen in Armut und Duldsamkeit treiben will, blieb den Frauen die Spucke weg. Die Unterstellung, daß die "erhöhte Erwerbsneigung" der Frauen, insbesondere der ostdeutschen Frauen für das hohe Niveau der Arbeitslosigkeit verantwortlich sind, ist besonders skandalös.

Die Kommission für "Zukunftsfragen" der Freistaaten Bayern und Sachsen wurde von deren Regierungen 1995 ins Leben gerufen. War die Kommission ursprünglich mit Männern besetzt, wurde auf Druck von Frauen zumindest Frau Dr. Etta Schiller nachträglich berufen. Keiner der Mitglieder der Kommission hat eine ostdeutsche Biographie.

5 Millionen DM an Steuergeldern war Biedenkopf und Stoiber diese Auftragsarbeit wert. Die vier Bände, deren letzter im Januar 1998 erschienen ist, lesen sich wie eine Agenda rechtskonservativer Politik.

Trotz unterschiedlicher Biographien und Sozialisation waren sich die Frauen aus Ost und West erstaunlich einig in der Ablehnung der von der Kommission den Staatsregierungen vorgeschlagenen Konzepten.

Die Zukunftskommission negiert nicht die vorhandene Massenarbeitslosigkeit. Die jetzt schon vorhandenen gesellschaftlichen, sozialen und finanziellen Auswirkungen werden allerdings ausgeblendet. Dadurch erhält die Nichtveröffentlichung des bayerischen Armutsberichtes einen besonderen politischen Stellenwert. Die sächsische CDU lehnte die Erstellung eines Armutsberichtes für Sachsen im Landtag schon mehrmals ab.

Anstatt Konzepte gegen die sich ausbreitende Armut, insbesondere von Frauen und Kindern zu entwickeln, weist die Zukunftskommission selbst darauf hin, daß ihre Vorschläge zu einer weiteren Ausweitung und Zementierung von Armut und tiefer Spaltung der Gesellschaft führt.

Zu den Vorschlägen der Kommission gehören:

  • Ausweitung des Niedriglohnsektors, insbesondere der 520,--/620,-- DM-Jobs,
  • Ausbau einfacher personenbezogene Dienste ("Anreize zu schaffen für die Neigung zu einfacher oder körperlich sowie zeitlich belastender Erwerbsarbeit" (Teil 2))
  • Bürgerarbeit ("Bürgerarbeit wird nicht entlohnt, aber belohnt")
  • "Entlastung des Arbeitsmarktes durch die Erschließung von Lebensbereichen außerhalb von Erwerbsarbeit."

Zur Verbesserung der Beschäftigungssituation sollen insbesondere Frauen ihre Selbstverwirklichungsbedürfnisse außerhalb der Erwerbsarbeit befriedigen.

Diese Vorschläge lassen nur einen Schluß zu: Die CSU in Bayern und die CDU in Sachsen wollen für Männer die bezahlten Normal- und für Frauen die unbezahlten oder sozial nicht gesicherten Arbeitsverhältnisse. Alles andere ist Wahlkampfgetöse.

Die Erwerbsarbeit der Zukunft soll offensichtlich ohne Frauen stattfinden!

Dies ist nicht der Weg ins nächste sondern der Rückfall ins vergangene Jahrtausend.

Der menschenverachtenden gesellschaftlichen Perspektive der Kommission setzen wir entgegen:

  • eine lebenslang existenzsichernde Erwerbsarbeit als Schlüssel für weibliche Unabhängigkeit, Freiheit und Menschenwürde
  • Versicherungspflicht für alle Beschäftigungsverhältnisse (520,--/620,-- Markjobs, Scheinselbständigkeit)
  • mit staatlichen Beschäftigungs- und Arbeitsmarktprogrammen neue Arbeitsplätze schaffen (Arbeit statt Arbeitslosigkeit finanzieren)
  • Herstellung von Massenkaufkraft durch steuerliche Entlastung der mittleren und unteren Einkommen
  • Gleichstellungsgesetze, die den Namen verdienen und für den öffentlichen Dienst und die Privatwirtschaft gleichermaßen gelten
  • Verkürzung der Arbeitszeit, damit Männer und Frauen sich die Erwerbs- und Familienarbeit teilen können
  • Vereinbarkeit von Familie und Beruf durch gesetzliche Rahmenbedingungen mit dem Ziel der Gleichstellung
  • flächendeckende Kindereinrichtungen und familienergänzende Leistungen

Das Sozialstaatsprinzip und die verbürgten demokratischen Grundrechte - dazu gehört auch die Gleichstellung der Frauen - sind für die Zukunft unverzichtbar.

Für eine zukunftsträchtige Wirtschaft sind die geistigen und menschlichen Ressourcen von Frauen unverzichtbar.

Die Vorschläge der "Zukunftkommission" sind deshalb das Papier nicht wert, auf dem sie stehen, geschweige denn 5 Mio DM.

Für die SPD-Frauen aus Bayern und Sachsen, Gewerkschafterinnen, Vertreterinnen aus Verbänden und Vereinen war die Fachtagung der spannende Beginn weiterer gemeinsamer Aktionen gegen den "Zukunftsbericht":

1. Wir machen den Inhalt der Berichte der "Zukunftskommission" zum Gegenstand einer umfangreichen Landtagsberatung.

2. Wir werden gleichlautende Anträge in die Landtage einbringen, die eine neue Kommission beauftragt, ein Konzept für die Zukunft von Frauen zu entwickeln.

3. In Sachsen werden die bereits begonnenen Aktivitäten zur Aufklärung über die Ziele der "Zukunftskommission" verstärkt weitergeführt und in Bayern damit begonnen.

4. Wir werden in Bayern nach dem Vorbild in Sachsen ("Runder Tisch Frauenerwerbsarbeit") ein breites Bündnis zwischen Frauen- und Sozialorganisationen, Gewerkschaften und Verbänden schmieden und im Herbst einen runden Tisch zum Thema Frauenerwerbsarbeit zusammenrufen.

5. Wir werden die gestern begonnenen Begegnungen fortsetzen.

Nürnberg, 3. August 1998
Abschlußerklärung anlässlich einer gemeinsamen Fachtagung der SPD-Frauen aus Sachsen und Bayern
Die zweite Tagung der SPD-Frauen zum Zukunftsbericht fand am 19. August 1999 in Chemnitz statt.