Archiv Frauenpolitik |
Barbara Stolterfoht
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Viele Ausgrenzungselemente, die Frauen betreffen,
sind bisher nur wenig beachtet worden
Frauen und Gleichstellungspolitik waren lange -und sind es bis heute - auf die Frage konzentriert, wie die Benachteiligung des weiblichen Geschlechts im Erwerbsleben wirksam behoben werden könne. Denn noch heute verdienen Frauen im Schnitt weniger als ihre männlichen Kollegen, steigen seltener auf und sind überproportional an den unattraktiven, ungeschützten, von Rationalisierung bedrohten Arbeitsplätzen und auch an der Arbeitslosigkeit beteiligt. Entsprechend hoch ist der Frauenanteil an Obdachlosigkeit, Armut und Angewiesensein auf Sozialhilfe:
Ideologisch hat Frauenpolitik in diesem Sinne in den letzten zwei Jahrzehnten enorme Erfolge gehabt: Niemand würde den Frauen heute mehr das Recht absprechen am Erwerbsleben gleichberechtigt teilzunehmen.
Materiell aber sieht das ganz anders aus.
Unser gesamtes wirtschaftliches, soziales und rechtliches System kennt subtile Möglichkeiten, um Frauen an der Erwerbsarbeit zu hindern, zumindest jedoch weibliche Erwerbsarbeit als nur nachrangige im Vergleich zur männlichen zu definieren. Diese Lenkungs- und Ausgrenzungselemente im Arbeitsrecht, Steuerrecht und im Rentenrecht sind aus frauenpolitischer Sicht bisher nur unzureichend analysiert worden.
Wie traditionelles Rollenverhalten ökonomisch prämiert wird, zeigen etwa im Sozialrecht zahlreiche finanzielle Anreize für Frauen, auf die Erarbeitung einer eigenen Altersrente zu verzichten, beispielsweise
- weil die Hinterbliebenenrente - soweit sie bestimmte Freibeträge übersteigt - auf die eigene Rente angerechnet wird,
- weil nach der Geburt eines Kindes die Kindererziehungszeiten ohne eigene Beitragszahlung als Rentenversicherungszeiten angerechnet werden.
Ehefrauen haben darüber hinaus als Familienversicherte Anspruch auf volle Leistungen der Krankenversicherung, ohne dafür selbst erwerbstätig sein zu müssen.
Massive finanzielle Anreize verführen viele Frauen auch dazu, sozialversicherungsfreie Beschäftigungen nachzufragen: Sie sparen die Versicherungsbeiträge, sind über den Ehemann krankenversichert, durch den Anspruch auf Hinterbliebenenrente ebenfalls rentenversichert, und durch eine pauschale Besteuerung vermindert sich die Einkommensteuer.
Den Preis für diese Vergünstigungen zahlen die Frauen dann später, und meist . ist er hoch:
- kein Anspruch auf Arbeitslosengeld, Fortbildung oder Umschulung;
- kein Anspruch auf Erwerbs- bzw. Berufsunfähigkeitsrente;
- häufig kein eigener Anspruch auf Altersrente.
Wie traditionelles Rollenverhalten von Ehefrauen und Müttern bestraft wird, zeigt nun auch das Sparpaket der Bundesregierung. An sieben Punkten möchte ich den Zynismus darstellen, mit dem hier Frauen aus dem Arbeitsmarkt ausgegrenzt und ihnen der Zugang zu Erwerbstätigkeit und sozialer Sicherheit erschwert wird.
1. Abbau des Kündigungsschutzes für ungefähr zehn Prozent der Beschäftigten in den Klein- und Mittelbetrieben. Davon sind Frauen überdurchschnittlich betroffen.
2. Beschäftigte mit befristeten Arbeitsverträgen fallen nicht unter den Kündigungsschutz. Man kann nun befristete Arbeitsverträge länger abschließen und die Befristungen mehrfach wiederholen. Davon sind mehr Frauen als Männer betroffen.
3. Die Kriterien für betriebsbedingte Kündigungen werden auf Lebensalter, Unterhaltspflicht und Dauer der Betriebszugehörigkeit reduziert. Dies trifft vor allem Frauen, die aus Gründen der Kindererziehung pausiert haben und deshalb keine so langen Betriebszugehörigkeiten vorweisen können wie Männer, die 30 oder 35 Jahre lang ununterbrochen erwerbstätig waren.
4. Völlig gestrichen wird die bisherige wenigstens teilweise Anerkennung von Erziehungs- und Beitragszeiten im Arbeitsförderungsrecht. Das heißt, ein Leistungsanspruch kann in der Erziehungszeit nicht mehr ausgebaut werden. Für Männer gilt so etwas selbstverständlich nicht, denn die Wehr- und Zivildienstzeiten bleiben anerkannt wie bisher. Das ist eine deutliche Verschlechterung für Frauen, die ja zu 98 Prozent den Erziehungsurlaub wahrnehmen.
5. Bereits erworbene Leistungsansprüche und Voraussetzungen für Förderung sollen nach einer starren Rahmenfrist von sechs beziehungsweise fünf Jahren ersatzlos verfallen, wenn Erwerbstätigkeit wegen Erziehung und Pflege unterbrochen wird. Eine eindeutig frauenfeindliche Regelung. Denn sie fuhrt dazu, daß viele Frauen aus dem Schutz der Arbeitslosenversicherung herausgeworfen werden.
6. Im Arbeitsförderungsgesetz wird zwar eine Quote vorgesehen, mit der die Teilhabe von Frauen an Maßnahmen der aktiven Arbeitsmarktpolitik entsprechend ihrer Betroffenheit gewährleistet werden soll. Aber die Frauen können sie faktisch nicht erfüllen. Leistungsbezug und/oder Langzeitarbeitslosigkeit sind Voraussetzungen, um überhaupt einen Anspruch beispielsweise auf Trainingsmaßnahmen oder Einarbeitungszuschüsse geltend zu machen.
7. Langzeitarbeitslose haben nur dann Anspruch auf Leistungen der Arbeitsverwaltung, wenn sie bereit sind, zumutbare Arbeit zu übernehmen. Drei Stunden tägliche Pendelzeit gelten jetzt als zumutbar. Frauen können das praktisch nicht umsetzen, also verschwinden sie aus dem Leistungsbezug, aus der Anspruchsberechtigung, und zuletzt sogar aus der Statistik. Das alles ist in diesem Sparpaket so "diskret" verpackt, daß es von der Öffentlichkeit kaum bemerkt und deswegen auch kaum thematisiert wird.
Frauenpolitisch kann man das Sparpaket nur so bewerten: Frauen werden zum Puffer des Arbeitsmarktes degradiert und auf ungesicherte, unattraktive Teilzeitjobs verwiesen werden. Einkommensersatz bei Arbeitslosigkeit und Krankheit wird reduziert und weiter befristet. Ihre Alterssicherung wird heruntergeschraubt. Letztlich werden sie auf die Unterstützung durch Angehörige oder das Sozialamt verwiesen. Dahinter steckt System, das kann kein Zufall sein.
Am 11.10.99 wird uns Frau Harriet Budjarek, Dozentin, Dipl.Soz.Päd. und Fachberaterin für Finanzleistungen im Bereich Frauen und Finanzen, einen Vortrag über "Weibliche Altersarmut" halten (s. Terminkalender). Wir wollen uns durch sie in die Finanzwelt entführen lassen und hoffen, von ihrer langjährigen Erfahrung profitieren zu können. Laut Frau Budjarek beruht die Altersarmut auch auf Fehlinformationen, mangelnder Aufklärung und auch einer gehörigen Portion Desinteresse. Ihr Aufruf: Frauen traut Euch mehr zu!