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Johanna Werner-Muggendorfer, MdL
zum Internationalen Frauentag 2000

Frauen im bayerischen Sozialbericht

Frauen kommen auf den Plan, auf den Sozialplan

Grundlage meiner Ausführungen ist der Sozialbericht der bayerischen Staatsregierung

Zur Geschichte des Sozialberichts:
Im Juli 1996 hat das bayerische. Sozialmininisterium. Im Auftrag des Bayerischen Landtags einen Bericht zur sozialen Lage in Bayern in Auftrag gegeben.

Lange Zeit hat sich die bayerische Staatsregierung geweigert, den Bericht der Öffentlichkeit zugänglich zu machen, er wurde unter Verschluss gehalten. Viele Gründe wurden vorgeschoben, wie, es würden keine Ländervergleiche angestellt, es sei ein pseudowissenschaftliches Ergebnis, die Datenbasis sei veraltet usw.

Tatsächliche Gründe waren, dass der Wahlkampf 1998 keine Armutsbericht ertragen konnte, dass problematische gesellschaftliche Fehlentwicklungen in Bayern nicht sein dürfen und überhaupt in Bayern ist alles am besten.

Die Wahrheit ist: Bayern ist ein wohlhabendes Land, vielen geht es gut. Sie besitzen Vermögen, Immobilien, eine gute Ausbildung und ausreichendes Einkommen. Der mittlere Teil der Bevölkerung ist ebenfalls mit seiner sozialen Lage zufrieden. Der untere Teil der Bevölkerung ist abgehängt von der allgemeinen Wohlstandsentwicklung, hier finden sich Arbeitslose, Menschen mit gesundheitlichen Einschränkungen oder ohne Berufsabschluss, alleinerziehende Frauen, kinderreiche Familien und eine wachsende Zahl von Sozialhilfeempfängern.

Diese Lebenswirklichkeit will die CSU nicht wahrhaben und unter den Teppich kehren. Der Bericht umfasst über 500 Seiten, die neue Fassung über 600 Seiten, er gliedert sich in 12 Kapitel, wovon eins mit Frauen überschrieben ist.

Nun kann man das Frauenkapitel verschieden gliedern. Nach Lebenslauf, nach Lebenslagen usw.

Fangen wir ganz am Anfang an.

Geschlechtsspezifische Erziehung - es beginnt schon früher "Wann ist ein Mann ein Mann?" Wir werden nicht als Mädchen geboren, wir werden dazu gemacht. Es beginnt vor der Geburt - der Geburtswunsch ein Junge muss es sein! Stammhalte oder "Büchsenmacher"?

Bloß ein Mädchen? Stillen, Aufmerksamkeit, neueste Untersuchungen bestätigen: für Jungen wird mehr Geld für Spielzeug ausgegeben

Buben dürfen lauter sein, sich dreckig machen.

Kindergarten - Rollenverhalten

Schule - Bildung
Bildung ist der Schlüssel für die Zukunft, nicht nur einer Gesellschaft, sondern auch für den einzelnen Menschen.

(In der dritten Welt - Zusammenhang Bildung - Geburtenkontrolle) für uns, für die Mädchen. Die beste Mitgift, die wir geben können

Eines klarstellen: Nicht jammern, klagen sondern Situation feststellen und daraus die richtigen Schlussfolgerungen ziehen. Und zwar: politisch, gesellschaftliche aber auch privat (Anstöße geben)

Schule:
Gleiche Qualifizierungsmöglichkeiten, aber einige interessante Ergebnisse aus dem Sozialbericht. (Leider wenige geschlechtsspezifische Erhebungen) aber: ohne HS-Abschluss mehr Buben (63%) bei ausländischen Kindern dramatisch: von allen Schulabgängern: 25 %, 30 % männlich und 20 % weiblich. 1996: 8 % einer Alterskohorte (10.400 Sch.) ohne Schulabschluss

Bildungsarmut ja - aber die Buben mehr davon betroffen als die Mädchen. Warum? Angepasstere Mädchen, oder braver, fleißiger?

Anteil von Schülerinnen in Realschulen und Gymnasien: über 50 %

Weiter in der Berufsausbildung
Schülerinnen an der Berufsschule: 40 %. Frauen bei Berufsschulbesuchern ohne Abschluss leicht überrepräsentiert.

Buben haben bessere Chancen einen Ausbildungsplatz zu bekommen obwohl sie die schlechteren Abschlüsse haben!!

Frauen bleiben häufiger ohne Berufsabschluss (36 % der bayerischen Frauen haben keine abgeschlossene Berufsausbildung ältere noch mehr)

Bildungsdefizite und soziale Lage: Bekannt ist, je höher der Schulabschluss, um so höher das Lebenseinkommen. Und Niedrigbildung erhöht die Wahrscheinlichkeit, in eine Unterversorgungslage zu kommen (auf deutsch: Sozialhilfebezug) Vererbung von Bildungsdefiziten

Berufswahl

Lehrstellensuche:
Mädchen generell schlechtere Chancen (Freund: HS-Lehrer berichtet)

Statistik:
1998 waren von noch nicht Vermittelten 55 % Mädchen, obwohl sie die besseren Noten haben

Auswahl der Berufe:
Aus einem sehr geringen Spektrum wählen die Mädchen aus (keine technischen Berufe) gerade Hauptschul-Schülerinnen warten auf den Prinz! Arbeiten wird als vorübergehender Zustand gewertet. Sehr wenig Bewusstsein für "späteres Leben". Frauen bleiben häufiger als Männer ohne abgeschlossene Berufausbildung. Frauen ohne berufliche Ausbildung sind überdurchschnittliche mithelfende Familienangehörige. Ausbildung für Mädchen wird gerade in bildungsfernen Personengruppen als Fehlinvestition angesehen.

Schlussfolgerung:
Erziehung spielt eine große Rolle, Vorbilder fehlen. Mehr Hinführen auf Berufsleben, aber auch realistische Einschätzung des Familienlebens Erziehungslehre o.ä. für alle Schüler/innen verbindlich!!

Vererbung von Bildungsdefiziten
31 % der Frauen, deren Väter keinen Schulabschluss haben, bleiben auch ohne Schulabschluss (bei Männern: 25 %)

Fehlender Berufsabschluss wird zu 28 % an Männer weitergegeben zu 47 % an Frauen weitergegeben. Das bedeutet: Intergenrerationale Weitergabe von Niedrigbildung.

Schlussfolgerung:
Es ist äußerst wichtig, dass alle jungen Menschen die bestmögliche Bildung erhalten. Volksbegehren leider gescheitert. Staatsregierung befürwortet Auslese vor Förderung, Schülerstromlenkung, Elitebildung usw.

Bildungsdefizite und Lebensverlauf
z.B. Weiterbildung frühere Bildungsrückstände werden im weiteren Lebensverlauf nicht ausgeglichen (Nachholen von Abschlüssen - Kampf in Regensburg VHS - Nachholung HS-Abschluss keine Finanzierung durch Staatsregierung)

Heirats- und Beziehungsmarkt

Homogame Verteilung. Bei Ehepaaren heiraten 30% der Partner/innen ohne Ausbildung wieder einen Partner/in ohne Ausbildung das sind immerhin 16 % der bayerischen Bevölkerung. Bildungsarme Männer haben deutlich weniger Ehen und Partnerschaften mit bildungshöheren Partnerinnen

Lebenserwartung - Ausbildungsstand
Höherer Bildungsabschluss bedeutet höheres Einkommen (vor allem Lebenseinkommen Höherer Bildungsstand bedeutet längeres Leben (mehr Einkommen, höherer Lebensstandard, Gesundheitsvorsorge)

Gesundheit
Drogenkonsum (auch Alkohol und Rauchen). Mädchen und Frauen weit hinter der Gefährdungsrate von Buben und Männern (alkoholgefährdete Jugendliche. 3,5 % aller Frauen, 14,1 % aller Männer) aber: Suizidrate in Bayern: Bayern 1994: 25,8 Männer pro 100.000 Einwohner und 9,0 Frauen Selbstmorde. Alte Bundesländer 1994: 21,8 Männer und 8,3 Frauen pro 100.000 Einwohner

Frau und Beruf
Erwerbsquote 25 - 45jährige Frauen: bei über 75 %, 15-65jährige Frauen (1997): 65,1 %. Die Erwerbsquote ist steigend Berufliche Bildung und Erwerbsbeteiligung, da besteht ein enger Zusammenhang je höher der Bildungsabschluss um so eher sind Frauen berufstätig. 1997: Erwerbsquote bei Frauen ohne beruflichen Abschluss: 48,2 % Frauen mit beruflichem Abschluss: 75,1 %

Schlussfolgerung: Bildung, Bildung, Bildung
Selbständige Frauen (mithelfende Familienangehörige in Bayern: 4 %, im Bund: 1 %) selbständige Frauen nehmen zu. 1992-1998 um 1,6 % auf 183.000 Anteil an den Selbständigen 27 % jedes 3. neu gegründete Unternehmen wird von einer Frau gegründet.

Schlussfolgerung:
Frauen in dieser Phase unterstützen! Es gibt von der Staatsregierung sieben Beratungsstellen für Existenzgründerinnen in Bayern

Berufliche Positionen:
Mit der Höhe der beruflichen Position nimmt die Repräsentation von Frauen ab Fachkräfte: Relation Frauen - Männer: 1:1,8 / Sachgebietsleiter: 1:3,4 / Abteilungsleiter: 1:3,9 / Direktoren: 1:4,2. Bayern schlechter als Bundesdurchschnitt Herausgehobene qualifizierte Fachkräfte: Frauenanteil Bayern: 9 % Bund: 11 %

Teilzeitarbeit ist weiblich. Damit wird auch die traditionelle Arbeitsteilung in der Familie fortgeschrieben.

Sozialversicherungsfreie Beschäftigungsverhältnisse waren weiblich. Von allen Personen, die solchen Tätigkeiten nachgehen sind 70 % weiblich

Schlussfolgerung:
Abschaffung von 630 DM Beschäftigungsverhältnissen richtig!

Einkommenssituation von Frauen:

Nettoeinkommen Vollzeit:
Frauen: 2.300 DM
Männer: 3.400 DM


Teilzeit:
Frauen: 1.400 DM
Männer: 2.200 DM


Nettostundenverdienst von Frauen ist 17 % niedriger als der von Männern

Arbeitslosigkeit:

Frauenarbeitslosigkeit ist gesunken
1997: 7,7 %
1998: 7,3 %

Allerdings erhalten Frauen zu einem geringeren Teil als Männer Lohnersatzleistungen. Vor allem ältere Frauen (aber auch Männer) sind von Arbeitslosigkeit betroffen

Schlussfolgerung:
Wenn die Qualifizierung steigt, nimmt die Arbeitslosigkeit ab.

Lebenslagen: Mütter Steigende Erwerbstätigkeit von Müttern. Gründe: Folge von Qualifizierung, Staatliche Leistungen (Erziehungsurlaub, Erziehungsgeld), Beratungsangebot für Rückkehrerinnen, Aber auch Lebensstandard (Notwendigkeit). Je höher die Qualifizierung - je kürzer die Unterbrechungsdauer

Grosses Thema Vereinbarkeit von Familie und Beruf
Megathema: Kinderbetreuung. Für 369.000 Kinder unter 3 Jahren standen 1997 4.574 Krippenplätze zur Verfügung (Quote von 1,2 %) Kindergärten. Besuchsquote: 90,3 % = 374.109 (allerdings regional unterschiedliche und wenig Ganztagsangebote) Kinderhorte (6-10jährige): Besuchsquote von 3,9 % (=27.307)

Die Option, für Frauen, kontinuierlich berufstätig zu sein kann als Ziel nicht verfolgt werden, wenn sie Kinder zu betreuen haben. Die Betreuungssituation in Bayern steht dem entgegen. (Netz für Kinder, Mittagsbetreuung usw. sind nur Flickwerk, z.t. wieder auf dem Rücken der Frauen - sie müssen selbst aktiv werden.)

Besonders herausstellen: Alleinerziehende
1997: in Bayern gibt es 223.000 alleinerziehende Personen mit Kindern das sind 16 % aller Familien. 83 % der Alleinerziehenden - Haushalte werden von Frauen geführt, allerdings wächst der Männeranteil Es fällt auf, dass Niedrigeinkommen überproportional in dieser Gruppe zu finden sind.

Sozialhilfebezug:
Frauen beziehen ihren Lebensunterhalt über alle Altersgruppen hinweg häufiger Sozialhilfe als Männer. Bei den 15-64jährigen sind gut zwei Drittel weiblich. Kinder unter 15 Jahren sind besonders häufig auf Sozialhilfe angewiesen. 39 von 1.000 in dieser Altersgruppe, das ist fast der doppelte Durchschnittswert von Bayern

Schlussfolgerung:
Teufelskreis muss unterbrochen werden, wer schon in einer schwierigen sozialen Lage aufwächst, kann sich sehr schwer später davon befreuen, Bildung, Einkommen, Gesundheit, Lebenserwartung - Weitergabe an eigene Kinder)

Zum Alter:
In Bayern leben 1,9 Mio. Menschen über 65 Jahre, davon sind 63 % weiblich, von denen 35 % verwitwet sind (knapp 2 % sind Ausländer) Altersarmut von Frauen. Sozialhilfeempfänger 60-64 Jahre 65-74 Jahre 75 Jahre ff

Frauen 14 % 12 % 13 % Männer 12 % 9 % 6 %

Im Alter erzieltes Einkommen/ Rente
Bayern
Männer: ab 65 Jahre 2.840 DM netto.
Frauen : ab 65 Jahre 1.720 DM netto.

Männer ab 65 Jahre ohne Ausbildung. 1.790 DM netto.
Frauen ab 65 Jahre ohne Ausbildung 1.560 DM netto.

Wobei die gesetzliche Rentenversicherung noch andere Werte zeigt.
Frauen: 867 DM
Männer: 1.772 DM
Unterschiede in der Arbeiterrenten- und Angestelltenversicherung.

Schlussfolgerungen:

Bildung die zentrale Dimension für die Bestimmung von Lebenslagen. Bildung bestimmt Wertmuster und Daseinskompetenzen und prägt die sozialen Chancen im Lebensverlauf. Frauen sind aufgrund ihrer überwiegenden Zuständigkeit für Haushalts - und Familienarbeit im allgemeinen einem höheren Armutsrisiko

Ausgesetzt als Männer.(Finanzielle Abhängigkeit von anderen- eingeschränkte Erwerbstätigkeit). Die Grundkonstruktion unserer (der CSU) Sozialpolitik - die abgeleitete Sicherung von Frauen und Kindern über den Familienernährer - passt immer weniger zur gelebten Realität.

Die Selbstfinanzierung der Frauen über das ganze Leben hinweg ist zu stärken!
Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Rahmenbedingungen schaffen, dass dies möglich ist. Chancengleichheit von Kindern. Demographische Entwicklung. Und jetzt noch nichts gesagt zu: Gewalt gegen Frauen. Frauenrechte als Menschenrechte. Frauen in der dritten Welt (Beschneidung). Schwangerenhilfeberatung usw. Beteiligung von Frauen in allen gesellschaftlichen Bereichen, wie z.b. in der Politik (Quote)

Ausblick, Forderungen
Erste Bilanz einer neuen Frauenpolitik auf Bundesebene. Schutz für Ausländerinnen (Änderung des Ausländergesetzes). Gemeinsame Erziehungsaufgabe (Änderung des Bundeserziehungsgeldes). Gegen Gewalt (Aktionsplan- ähnlich wie in Österreich, Recht für Kinder auf gewaltfreie Erziehung, Missbilligung von Gewalt). Eigenständige Alterssicherung de Frauen. Rechte für gleichgeschlechtliche Paare. Berufliche Gleichstellung voranbringen (Programm Frau und Beruf). Gleichstellungsgesetz für die Privatwirtschaft

Forderungen des DGB:
Gleichstellungsgesetz Privatwirtschaft
Umverteilung von Arbeit
Junge Frauen - bessere Ausbildung
Vereinbarkeit von Familie und Beruf
Eigenständige Alterssicherung von Frauen

Viele Taten notwendig !!

 


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