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Musterrede zum 8. März 2002:

Schwerpunkt: Vereinbarkeit Familie und Beruf

Liebe Frauen, liebe Genossinnen und Genossen,
sehr geehrte Damen und Herren,
ich freue mich, Euch und Ihnen anlässlich des Internationalen Frauentags ein paar Gedanken zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf mitteilen zu können.

Zuerst einige wenige Worte zur Geschichte:
Als 1911 erstmals in Deutschland, Österreich, Dänemark und Schweden der internationale Frauentag begangen wurde, standen Forderungen nach Einführung des Frauenwahlrechts im Vordergrund. Zusätzlich forderten die Frauen das Recht auf Arbeit, auf Berufsausbildung und zur Beendigung von Diskriminierung am Arbeitsplatz ein.
Der internationale Frauentag stand also damals und steht noch heute unter der Zielsetzung der Forderung nach gleicher Teilhabe von Frauen an der Gesellschaft wie Männer. Die Geschichte des Internationalen Frauentages steht für Gleichheit, soziale und politische Gerechtigkeit, Frieden und Entwicklung. Der 8. März ist weltweit ein Tag der Solidarität und des politischen Kampfes für gleiche und bessere Arbeits- und Lebensbedingungen von Frauen.

Wie sieht es heute in Deutschland aus?
Der Chef der CSU-Landesgruppe im Bundestag verkündete jüngst: "Die Frauen regieren die Welt noch immer über die Männer. Das wird auch noch eine Weile so bleiben." Wenn es also nach den Konservativen ginge, dann ist der Platz der Frau noch immer hinter dem Mann. In dem konservativen Weltbild gibt eine wirkliche gleichberechtigte Teilhabe von Frauen an Beruf, Bildung und Politik jedenfalls nicht. Sie wollen Frauen ausschließlich auf Familie zu reduzieren. Doch das ist eine rückwärts gerichtete Politik. Diese Politik passt nicht in die Tradition des Internationalen Frauentages.
Ich möchte mich hier auf Ausführungen zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf beschränken. Diese Vereinbarkeit ist eine von vielen Voraussetzungen für die tatsächliche Chancengleichheit von Frauen, aber nur eine.
Es gibt viele, die meinen angesichts der jungen, selbstbewußten und sehr gut ausgebildeten Frauen brauchen wir diesen Internationalen Frauentag und eine Politik der Chancengleichheit nicht mehr.
Doch in der Lebenspraxis zeigen sich die größten Hindernisse, wenn es um Berufsentscheidung und um die Frage der Kindererziehung geht. Denn spätestens nach dem zweiten Kind merken die Frauen, dass sich in Deutschland Kinder und Erwerbstätigkeit fast noch immer ausschließen.
Um hier Abhilfe zu schaffen, muss schnellsten das rückständige Kinderbetreuungssystem geändert werden. Die Schaffung von ganztägigen Betreuungsangeboten für Kinder von 0 bis 14 ist das Gebot der Stunde. Das Angebot an Kindergartenplätzen in Bayern ist kaum ganztägig und deshalb in keiner Weise bedarfsgerecht.
Auch wenn wir bei dem Ziel der Vereinbarkeit von Familie und Beruf noch nicht angelangt sind, so haben wir doch in den letzten vier Jahren entscheidende Fortschritte in diese Richtung erzielt. Ich möchte hier nur kurz und beispielhaft einige Punkt aufzählen:

- Mit dem neuen Erziehungsgeldgesetz der Bundesregierung haben beide Eltern die Möglichkeit, gemeinsam Elternzeit zu nehmen. Es besteht ein Anspruch auf Teilzeitarbeit, wenn im Betrieb mehr als 15 Beschäftigte arbeiten. Die zulässige Teilzeitarbeit wurde von bisher 19 auf 30 Wochenstunden für jeden Elternteil erweitert. Damit ist eine partnerschaftliche Teilung der Aufgaben in Familie und Beruf möglich.

- Mit der Reform des Betriebsverfassungsgesetzes gehört die Förderung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu den allgemeinen Aufgaben des Betriebsrates. Der Betriebsrat hat im Rahmen der Personalplanung ein ausdrückliches Unterrichtungs- und Beratungsrecht zur Durchsetzung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf.
Doch die CDU/CSU will das Betriebsverfassungsgesetz, das gerade Frauen neue Rechte gegeben hat, "entschärfen".

- Mit der Rentenreform wurden weitere Verbesserungen für Kindererziehende erreicht. Erwerbstätigen Müttern mit unterdurchschnittlichem Einkommen werden für die Dauer von 10 Jahren je Kind Rentenansprüche bis zur Höhe des Durchschnittseinkommens gutgeschrieben. Das kommt besonders Teilzeitbeschäftigten zugute. Sie können so die gleichen Rentenansprüche erwerben, wie jemand, der Vollzeit gearbeitet und durchschnittlich verdient.
Nichterwerbstätige Mütter von zwei und mehr Kindern erhalten ebenfalls eine Gutschrift auf ihrem Rentenkonto. Bisher gingen diese Familien rentenrechtlich leer aus. Die CDU/CSU hat während ihrer Regierungszeit keinerlei Vorschläge hierzu vorgelegt.
Es besteht jetzt die Möglichkeit einer partnerschaftlichen Teilung von Rentenanwartschaften. Mit diesem Rentensplitting erhält die Ehefrau höhere eigenständige Rentenleistungen.

- Mit dem Teilzeitarbeitsgesetz haben Frauen wie Männer einen Rechtsanspruch auf Teilzeitarbeit, wenn nicht betriebliche Gründe dem entgegenstehen. Die Gründe muss der Arbeitgeber beweisen.

- Mit der Änderung des Dritten Sozialgesetzbuches - Arbeitsförderung - wurde für Frauen ein verbesserter Zugang zur Arbeitsförderung geschaffen. Frauen sind beispielsweise jetzt berechtigt die Leistungen nach diesem Gesetz in Anspruch zu nehmen, wenn sie wegen Kindererziehung ihre Erwerbstätigkeit oder Arbeitslosigkeit unterbrochen haben. Außerdem wurde die zumutbare Pendelzeiten verkürzt. Das kommt insbesondere Frauen zugute, die eine Teilzeitstelle suchen, also häufig Müttern.

- Damit sich mehr Väter an der Kindererziehung und -betreuung beteiligen, wurde eine "Väter-Kampagne" vom Bundesfamilienministerin Christine Bergmann im letzten Jahr gestartet. Denn nur 1,5 % aller Väter nehmen Elternzeit. Das erfordert einen Prozess des Umdenkens in der Gesellschaft und in der Wirtschaft. Nur so kann eine partnerschaftliche Teilung der Familienarbeit erreicht werden.

- Das Kindergeld wurde dreimal erhöht seit dem Regierungswechsel im Herbst 1998. Damals betrug das Kindergeld 220 DM, heute umgerechnet 300 DM. Darüber hinaus wurden höhere kinderbezogene Steuerfreibeträge durchgesetzt. Beim BaföG wird das Kindergeld nicht mehr angerechnet und die Freibeträge wurden angehoben. 80.000 mehr junge Menschen von Eltern mit kleinem und niedrigem Einkommen haben somit die Chance auf ein Studium erhalten.

Damit sind längst nicht alle Erfolge aufgezählt, die in ihrer Gesamtheit zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf beitragen. Es stehen noch jede Menge Reformen an, damit wir unserer Ziel, die tatsächliche Gleichstellung von Frauen erreichen.
Wir brauchen immer noch den 8. März, den internationalen Frauentag, um Rück- und Ausblick zu halten. Wir blicken zurück auf Erreichtes und sehen nach vorne, auf das, was wir zukünftig noch erreichen wollen.
Die Solidarität aller Frauen - national und international - ist erforderlich, damit Frauen gleichberechtigt teilhaben können an der Erwerbsarbeit, in der Gesellschaft und Politik. Eine solche Politik ist die Politik der Zukunft. Denn auf die vielfältigen Kompetenzen und Potentiale von Frauen kann niemand - weder in der Politik noch in der Wirtschaft - verzichten.
Ich danke Euch und Ihnen für die Aufmerksamkeit.

 


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