Walter Kolbow, MdB, Parlamentarischer Staatssekretär
Endlich:
Grundsicherung zum 1.1.2003
Im Zuge der aktuellen Agitation gegen die SPD-geführte Bundesregierung wird vor allem in Bayern immer wieder das Grundsicherungsgesetz angegriffen, das am 1. Januar 2003 in Kraft tritt. Geführt wird der Angriff allerdings nicht über das grundsätzliche sozialpolitische Ziel der Grundsicherung, sondern über die angebliche finanzielle Ausbeutung der Kommunen (als Auszahler der Grundsicherung) durch den Bund (als Gesetzgeber).
Da die Diskussion in dieser scharfen Form durch die kommunalen Spitzenverbände in keinem anderen Bundesland geführt wird, ist davon auszugehen, dass es sich hierbei um eine Kampagne der CSU handelt, die auf die Kommunen heruntergebrochen wurde.
Im Folgenden deshalb in aller Kürze einige Informationen über die Grundsicherung für die politische Diskussion:
Ziel der Grundsicherung
Die Grundsicherung wurde von rot-grün in der Überzeugung beschlossen, dass es eine Frage der sozialen Gerechtigkeit ist, verdeckte und verschämte Altersarmut zu bekämpfen. Zielgruppe sind dabei vor allem die Renterinnen und Rentner, die eine sehr geringe Rente beziehen, eventuelle Sozialhilfeansprüche aber nicht geltend machen, weil sie den Unterhaltrückgriff auf ihre Kinder befürchten.
Ausgestaltung der Grundsicherung
Die Grundsicherung wird bedarfsorientiert gewährt, d.h. für jeden Antragsteller wird der individuelle Bedarf ermittelt. Liegt dieser Bedarf über dem Einkommen, so wird die Differenz durch die Grundsicherungsleistung ausgeglichen. Antragberechtigt sind Menschen über 65 Jahre und dauerhaft Erwerbsunfähige in jedem Alter. Ein Rückgriff auf die Unterhaltpflicht der Kinder (oder Eltern) erfolgt bis zu einem Jahreseinkommen dieser von 100.000 € nicht.
Die Bedarfsermittlung erfolgt in Anlehnung an den Sozialhilferegelsatz eines Haushaltsvorstandes plus 15 %. Hinzu kommen Mietkosten und Mietnebenkosten (in einem "angemessenen Rahmen") und eventuelle Mehrbedarfszuschläge z.B. aufgrund von Schwerbehinderung. Ehepaare und dauerhafte Lebensgemeinschaften werden bei der Antragstellung als Ganzes betrachtet.
Beim Einkommen werden alle Einkommen berücksichtigt, also die eigene Rente, Betriebsrenten, Witwenrente, Wohngeld, Pflegegeld etc.. Für Vermögen gibt es einen Freibetrag in Höhe von 2.301 € für Alleinstehende und 2.915 € für Paare. Vermögensübertragungen müssen älter als 10 Jahre sein, damit sie nicht zum Vermögen des Antragstellers zählen.
Auszahlung der Grundsicherung
Die Auszahlung der Grundsicherung erfolgt über die Kommunen, d.h. über die Landkreise und kreisfreien Städte. Diese richten zur Antragsbearbeitung Grundsicherungsämter ein, die üblicherweise an die Sozialämter angegliedert sein dürften.
Die LVA und die BfA haben in den letzten Wochen Anträge und Informationen an alle RentnerInnen verschickt, die weniger als 844 € Rente erhalten. Diese könnten theoretisch (!) für die Grundsicherung in Frage kommen. Die LVA geht jedoch davon aus, dass nur etwa 2 - 3 % dieses Personenkreises wirklich Ansprüche hat. Beim Rest wird von einem Bedarf nicht ausgegangen, beispielsweise wegen höherem Einkommen des Partners, wegen Vermögen, zusätzlicher Renten etc.
Finanzierung der Grundsicherung (der kommunalpolitisch interessante Teil)
Zur Finanzierung der Grundsicherung zahlt der Bund im Jahr 2003 409 Mio. € an die Länder über die Erhöhung der Erstattungen bei den Wohngeldzahlungen. Der Bund geht davon aus, dass dieses Geld von den Ländern an die Kommunen weitergegeben wird. Die Höhe der Summe ergibt sich aus einer Schätzung des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung über die Mehrausgaben durch die Grundsicherung, die im Einvernehmen mit den kommunalen Spitzenverbänden erfolgt ist. Dabei wurde die höchste Schätzung berücksichtigt. Die Summe soll zudem überprüft werden, wenn nach einem Jahr Erfahrungen über die tatsächliche Höhe der Mehrbelastung vorliegen.
Der Angriff auf die Grundsicherung und damit die Regierung findet nun so statt, dass in den Haushaltberatungen vor allem von CSU-OberbürgermeisterInnen und LandrätInnen Haushaltsansätze vorgelegt werden, in denen die Mehrausgaben durch die Grundsicherung sehr hoch sind und entsprechend die erwarteten Zahlungen des Bundes übertreffen. Es sei darauf hingewiesen, dass es ich dabei auch nur um Schätzungen handelt, die zum Teil politisch motiviert sind. Beispielsweise hat sogar der Kreiskämmerer des Landkreises Würzburg festgestellt, dass die Hausaltansätze im Landkreis und in der Stadt Würzburg zur Grundsicherung derart voneinander abweichen (Würzburg sehr viel höher), dass einer von beiden vollkommen daneben liegen muss. Da mag es nur Zufall sein, dass von Frau Beckmann öfter im "Bayernkurier" zu lesen ist als von Herrn Zorn.
Die ersten Zahlen, die sich auf eine entsprechende empirische Basis stützen können, gibt es erst Ende März 2003. Für diesen Zeitraum hat die bayerische SPD-Landesgruppe mit dem Bayerischen Städtetag vereinbart, eine erste Bilanz der Grundsicherungserfahrungen zu ziehen.
Es sei noch darauf hingewiesen, dass der Bezirk Unterfranken im Vorbericht seines Haushaltes für 2003 davon ausgeht, durch das Grundsicherungsgesetz eine Entlastung von 3,7 Mio. € zu haben. Die geplante Senkung der Bezirksumlage für die Städte und Gemeinden wird durch diese Entlastung sicher nicht erschwert.