Mitteilung für die Presse Berlin, den 31. Mai 2001 - 187/01
ASF: PID löst Grundkonflikt nicht
Anlässlich der Bundestagsdebatte über Fragen der Gentechnik ist der Bundesausschuss der Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Frauen (ASF) mehrheitlich zu folgender Auffassung gekommen:
Die Frage, ob in Deutschland zusätzlich zur bereits praktizierten Pränataldiagnostik (PND) auch die Pränatalimplantationsdiagnostik (PID) zugelassen werden soll, ist am Ende eines von einer Anhörung einschlägiger Expertinnen und Experten unterschiedlicher Positionen begleiteten schwierigen Meinungsbildungsprozesses mehrheitlich abschlägig beschieden worden, da die Mehrheit der im ASF-Bundesausschuss versammelten Vertreterinnen der Bezirke und Landesverbände die Risiken und Gefahren vor allem im Hinblick auf die gesellschaftlichen Konsequenzen höher einschätzt als den tatsächlich zu erreichenden Nutzen.
Die SPD-Frauen verkennen nicht die individuelle Not von Frauen und Paaren, die sich ein leibliches Kind wünschen, aber die Anlage zu einer schweren Behinderung oder Erbkrankheit befürchten und sich damit auseinandersetzen müssen, ob sie dem physisch, psychisch und von ihrem familiären Umfeld her gewachsen sind. Das gilt zweifellos ebenso für die Inanspruchnahme von PND, die betroffene Frauen bzw. Paare vor die Entscheidung zu einem Schwangerschaftsabbruch im Spätstadium stellen und damit in erheblich belastende Konflikte stürzen kann. Daher wird die PID von vielen als die schonendere Methode angesehen, wofür durchaus einiges spricht. Jedoch bleibt der Grundkonflikt, sich in einer psychischen Zwangslage für oder gegen das Austragen einer Schwangerschaft durchringen zu müssen, durch die Entscheidung für eine bestimmte andere Methoden im Kern unlösbar.
Mit dieser Entscheidung stehen Frauen und Paare letztlich immer allein. Aber auch wenn ihnen diese niemand abnehmen kann, muss ihnen gleichwohl bestmögliche Beratungshilfe zugänglich sein. Daran hapert es sowohl in der regionalen Dichte als auch an der Qualifikation der Beratungsangebote, die sich nicht auf die (reproduktions-)
medizinischen Aspekte beschränken darf, sondern auch - in ergebnisoffener Weise - ethische, psychologische, soziale und rechtliche Komponenten vorhalten muss. Hier steht die Politik in der Pflicht, erhebliche Verbesserungen und Ausweitungen
vorzunehmen. Eine Zwangsberatung lehnen die SPD-Frauen nachdrücklich ab, jedoch halten sie es für unerlässlich, dass Ärzte und Ärztinnen in Praxen oder Krankenhäusern rechtlich verpflichtet werden, die betroffenen Frauen und Paare konkret auf möglichst wohnortnahe Beratungsangebote hinzuweisen.
Die ASF sieht sich nicht in der Lage und auch nicht in der Notwendigkeit, über den Status des Embryo definitiv zu befinden, da dies nicht wissenschaftlich festzulegen, sondern stark weltanschaulich geprägt ist. Außer Frage steht, dass die befruchtete Eizelle beginnendes menschliches Leben darstellt und unter Wahrung des grundgesetzlich garantierten Schutzes der Menschenwürde nicht beliebig instrumentalisiert werden kann und darf.
Einvernehmlich lehnt der ASF-Bundesausschuss daher eine Öffnung des Embryonenschutzgesetzes ab. Auch dürfen Standortgesichtspunkte nicht ausschlaggebend sein für politische Entscheidungen, die gesellschaftspolitischen Sprengstoff enthalten und die Folgen für die Menschen in moralischer, ethischer, letztlich auch individueller Hinsicht nicht übersehen lässt.
PID kann wie PND Krankheiten nicht heilen, sondern nur Aufschluss geben über mögliche Risiken. PND gibt Frauen bzw. Paaren heute schon die Möglichkeit, gegen die Fortsetzung einer Schwangerschaft zu entscheiden. Das ist in Anerkennung des Selbstbestimmungsrechts zu respektieren.
Das Bestreben, den Entscheidungsspielraum durch eine technische Methode außerhalb des Mutterleibes zu erweitern, lässt bei Behinderten und ihren Interessensvertretungen die begründete Furcht wachsen, wieder vermehrt ins gesellschaftliche Abseits zu gleiten. Zweifellos haben die Bemühungen zur Integration von Menschen mit Behinderungen gerade in letzter Zeit erhebliche Verbesserungen bewirkt, aber es bleibt noch viel zu tun. Nicht wenige sind seit jeher mehr besorgt um das vorgeburtliche Leben als um das geborene Kind und die Familie, in die es hineingeboren wird. Es gehört zu den humanitären Pflichten einer menschlichen Gesellschaft, die Rahmenbedingungen zu schaffen, die es Eltern erleichtert, ein krankes oder behindertes Kind zu akzeptieren, indem die notwendige materielle und soziale Hilfe gewährleistet wird.