www.lochner-fischer.de (aufgenommen am 11.01.2000)
Zum Archiv Frauenpolitik Archiv Frauenpolitik


Berlin, 11. Januar 2000

Karin Junker:

Beim Dienst an der Waffe geht es nicht nur um hochqualifizierte Berufsausübung

Zum heutigen Urteil des Europäischen Gerichtshofes (EuGH), Frauen in Deutschland den Dienst mit der Waffe zu ermöglichen, erklärt die Bundesvorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Sozialdemokratischer Frauen (ASF), die SPD-Europaabgeordnete Karin Junker:

Eine Sensation ist das Urteil des Europäischen Gerichtshofes nicht, sondern die logische Konsequenz des verfassungsrechtlich fest geschriebenen Grundsatzes der Gleichstellung der Geschlechter. Die Rolle des Staates als Vormund von Frauen ist nicht mehr zeitgemäß. Das muss auch von denen eingeräumt werden, die den Dienst von Frauen an der Waffe nicht für einen zivilisatorischen Fortschritt halten. Schließlich wird man akzeptieren müssen, daß Frauen in eigener Verantwortung darüber entscheiden können, welche Laufbahn sie einschlagen wollen.

Natürlich sind Frauen ebenso befähigt wie Männer, Bomber zu fliegen, Panzer zu fahren, mit Elektronik umzugehen oder scharf zu schießen. Dass es dabei aber nicht nur um hochqualifizierte Ausbildung und Berufsausübung geht, dürfte spätestens seit dem Kosovo-Krieg klar geworden sein: Der Dienst an der Waffe ist kein Job wie jeder andere. Er schließt im Ernstfall die Bereitschaft zum Töten und Zerstören und das Risiko ein, getötet zu werden.

Die deutsche Politik wird die rechtlichen und praktischen Voraussetzungen schaffen müssen, Frauen den freiwilligen Dienst an der Waffe zu ermöglichen.

Mit einem Massenandrang von Frauen ans Gewehr ist jedoch nicht zu rechnen. Das zeigen schon die Erfahrungen anderer Mitgliedstaaten der Europäischen Union: Der Frauenanteil an den Streitkräften erreicht nirgendwo mehr als gut sieben Prozent.

Im übrigen gibt es außer in Spanien in allen Ländern Einschränkungen für Frauen in den Streitkräften, meist für den Einsatz in Kampftruppen und U-Booten. Insofern darf man getrost davon ausgehen, dass das Urteil des Europäischen Gerichtshofes nicht das Ende eines Streitfalles darstellt, sondern erst den Anfang einer emotionsbeladenen Debatte.

Das öffentliche Interesse sollte aber vor allem der Tatsache gelten, dass der vorrangige politische und gesellschaftliche Handlungsbedarf darin besteht, die Benachteiligung von Frauen im Zivilleben und hier vor allem in der Berufswelt zu beseitigen. Ein Gleichstellungsgesetz mit Biss, das die Privatwirtschaft in Sachen Gleichstellung bei Beschäftigung und Beförderung in die Pflicht nimmt, ist das vordringlichere Problem.