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Aktuelle Stunde: Politik für Frauen in Bayern und Behandlung des Dringlichkeitsantrags der Abgeordneten Lochner-Fischer, u.a. SPD Nachhaltige Politik für Frauen in ganz Bayern (Drucksache 14/11211) Zu diesem Dokument gehört: dpa 10.12.2002 |
Bayerischer Landtag | Auszug aus Plenarprotokoll 14/105
|
10.12.2002 |
Inhalt:
Aktuelle Stunde gemäß § 75 GeschO auf Antrag der SPD-Fraktion
"Politik für Frauen in Bayern"
(Seite mit Direktsprung)
S. 7603 Frau Lochner-Fischer (SPD)
S. 7605 Frau Dr. Fickler (CSU)
S. 7606 Frau Münzel (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
S. 7608 Frau Staatsministerin Stewens
S. 7609 Frau Steiger (SPD)
S. 7610 Frau Prof. Männle (CSU)
S. 7611 Frau Dr. Kronawitter (SPD)
S. 7612 Frau Dodell (CSU)
S. 7614 Frau Förstner (SPD)
S. 7614 Frau Pongratz (CSU)
S. 7615 Frau Biedefeld (SPD)
S. 7616 Freiherr von Rotenhan (CSU)
S. 7618 Frau Lochner-Fischer (SPD)
S. 7618 Frau Staatsministerin Stewens
S. 7619 Frau Schopper (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Tagesordnungspunkt 13
Aktuelle Stunde
Für die heutige Sitzung war die Fraktion der SPD vorschlagsberechtigt. Sie hat eine Aktuelle Stunde beantragt
zum Thema "Politik für Frauen in Bayern".
In die Beratungen beziehe ich den zum Plenum eingereichten
Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten
Maget, Lochner-Fischer, Biedefeld und Fraktion
betreffend nachhaltige Politik für Frauen in ganz
Bayern - Staatlichen Rahmen zur Vereinbarkeit von
Beruf und Familie richtig setzen (Drucksache
14/11211), ein.
In der Aktuellen Stunde dürfen die einzelnen Redner
grundsätzlich nicht länger als fünf Minuten sprechen. Auf
Wunsch einer Fraktion erhält eines ihrer Mitglieder zehn
Minuten Redezeit. Dies wird auf die Gesamtredezeit der
jeweiligen Fraktion angerechnet. Ergreift ein Mitglied der
Staatsregierung für mehr als zehn Minuten das Wort,
erhält eine Fraktion auf Antrag für eines ihrer Mitglieder
zusätzlich fünf Minuten Redezeit. Ich bitte Sie, jeweils
auf mein Signal zu achten.
7603 - Bayerischer Landtag · 14.Wahlperiode Plenarprotokoll 14/105 v. 10.12.2002
Die erste Rednerin ist Frau Kollegin Lochner-Fischer.
Sie bringt einen 10-Minuten-Beitrag.
(Frau Werner-Muggendorfer (SPD): Es ist kein Mitglied
der Staatsregierung da! So wichtig ist die Frauenpolitik
in Bayern!)
An sich habe ich das Wort der Frau Kollegin Lochner-Fischer
erteilt.
Frau Lochner-Fischer (SPD): Herr Präsident, liebe Kolleginnen
und Kollegen! Wir stellen mit Bestürzung fest,
dass bei einem so wichtigen Thema kein einziges Mitglied
der Staatsregierung auf der Regierungsbank Platz
genommen hat.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Nicht einmal die zuständige Ministerin .ndet es wert zu
kommen, wenn es darum geht, über mehr als die Hälfte
der bayerischen Bevölkerung und deren Leben zu diskutieren.
Ich halte es, unabhängig von dem, was wir heute
noch diskutieren werden und müssen, für einen absoluten
Skandal, dass eine Partei wie die CSU das Wort
Familie oder Frauenförderung unter solchen Gesichtspunkten
in Zukunft überhaupt noch traut sich in den
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Dass Sie sich das als Partei überhaupt gefallen lassen!
Sie sollten wirklich einmal mit sich selber ins Gericht
gehen und auch mit Ihrer Staatsregierung, was die
eigentlich mit Ihnen macht. Das hat auch etwas mit dem
Selbstverständnis von Demokratie zu tun. Hören Sie auf
mit dieser Vetternwirtschaft mit Ministern und Ministerinnen.
Auch Sie haben vor Ort zu verantworten, was in
dem Haus passiert, und nicht nur die Staatsregierung.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Sie sind gewählt von der Bevölkerung.
(Glück (CSU): Von was reden Sie denn?)
Wenn Sie es verantworten können, dass wir ein derartiges
Thema ohne die Verantwortlichen heute diskutieren,
dann sollten Sie dafür auch die Konsequenzen tragen.
(Beifall bei der SPD - Abgeordneter Glück (CSU)
meldet sich zur Geschäftsordnung)
Präsident Böhm: Wir können jetzt keine Zwischenfragen
stellen, Geschäftsordnungsantrag bitte nach dem
Beitrag.
Frau Lochner-Fischer (SPD): Wir diskutieren heute
ohne die zuständige Ministerin über die prinzipielle
Benachteiligung - - Herr Glück, Ihre Zeit geht mir ab,
und ich brauche sie. Sie können sich nachher zu Wort
melden.
(Glück (CSU): Frau Kollegin, von mir aus können wir
die Sitzung unterbrechen, bis die Ministerin da ist!)
Präsident Böhm: Das ist Ihre Zeit, Frau Lochner-Fischer,
haben Sie gesagt, und deswegen sollten Sie sie
nutzen. Bitte.
Frau Lochner-Fischer (SPD): Danke.
Es geht heute nicht nur um Kinderbetreuungseinrichtungen,
sondern es geht um die prinzipielle Benachteiligung
von Frauen, die wir leider immer noch haben und die wir
ganz einfach deshalb haben, weil Frauen Kinder bekommen
können
(Freiherr von Rotenhan (CSU): Das ist doch ein
Glück!)
7604 - Bayerischer Landtag · 14.Wahlperiode Plenarprotokoll 14/105 v. 10.12.2002
und, wenn es so weitergeht, sich daran auch sicherlich
nichts ändern wird. Wir erwarten von den Männern nicht,
dass sie Kinder bekommen, sondern wir erwarten, dass
dieser biologische Unterschied endlich auch gesellschaftlich
so anerkannt wird, dass Frauen nicht benachteiligt
werden, eben weil sie Kinder bekommen können.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Sie glauben immer noch, dass Sie sich aufgrund der Tatsache,
dass wir irgendwann mal schwanger werden
könnten, erlauben können, Frauen zurückzusetzen, sie
gar nicht erst einzustellen oder nicht zu befördern.
(Hofmann (CSU): So ein Schmarrn! So ein saudummes
Geschmarr! Das Geschmarr ist saudumm!)
Dummerweise sprechen gegen das, was Sie als Zwischenrufe
machen, die gesellschaftlichen Zahlen. Ich
möchte nur einige kleine Hilfestellungen geben, damit
Sie vielleicht endlich einmal davon runterkommen, das
als Schmarrn abzutun. Unser Problem mit Ihnen ist,
dass Sie die Fakten im Land schlicht nicht anerkennen.
Sie tun nach wie vor so, als gäbe es diese Benachteiligung
nicht, obwohl sie eindeutig und nachweisbar ist. Ich
möchte Sie nicht daran erinnern - Ihre Ministerin hat
auch diese Zahl -, wie schlimm das nach der Vereinigung
war, dass Frauen im Osten sich sogar massenweise
haben sterilisieren lassen und mit diesem Zeugnis
auf Arbeitssuche gegangen sind. Wenn Sie dann immer
noch behaupten, wir hätten keine Benachteiligung, nur
weil Frauen Kinder bekommen können, dann können Sie
schlicht nicht lesen.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD - Hofmann
(CSU): So ein Schmarrn!)
Wir müssen diesen Benachteiligungen auf vielfältige
Weise begegnen. Die SPD schlägt heute in einem Dringlichkeitsantrag
eine ganze Reihe von Maßnahmen vor,
wie wir dieser prinzipiellen Benachteiligung auch als
Freistaat Bayern sehr schnell und sehr wirksam begegnen
können. Ich möchte Sie in diesem Zusammenhang
darauf hinweisen, dass auch die Vereinigung der bayerischen
Wirtschaft Sie ganz, ganz deutlich immer wieder
gemahnt hat in den letzten Monaten, dies abzubauen
und dafür Sorge zu tragen, dass Frauen Beruf und Familie
wirklich miteinander verbinden können. Die Vereinigung
der bayerischen Wirtschaft hat sogar wörtlich
geschrieben, dass "das Fehlen von entsprechenden Einrichtungen
in Bayern sich zunehmend zu einem Standortnachteil
für Bayern entwickelt". Wenn Ihnen das
immer noch nicht genügt, dass hier etwas im Argen liegt
und dass es nicht nur die SPD ist, die die Wunden aufdeckt,
dann weiß ich wirklich nicht, auf wen Sie noch
hören.
Ich möchte heute trotz allem auch noch den Blick auf die
Kinderbetreuung richten, und zwar unter einem anderen
Gesichtspunkt, als Sie es immer tun.
In dem Bayern-Sachsen-Bericht, der uns vor einiger Zeit
vorlag, stand etwas sehr Drolliges - ich habe den Eindruck,
dass dies die Mehrheit der CSU immer noch
glaubt -, nämlich dass die zunehmende Selbstständigkeit
und das Selbstbewusstsein von Frauen dazu führen,
dass Frauen mit der Familie allein nicht mehr ausgelastet
sind und deshalb ein anderes Betätigungsfeld suchen
und in die Arbeit gehen wollen. Der Bericht schlägt vor,
den Frauen eine andere Aufgabe zu geben, damit sie
sich die Berufstätigkeit abgewöhnen. Ich rede heute
nicht von der kleinen Minderheit von Frauen, die tatsächlich
bewusst und gewollt zu Hause bleibt und sagt, sie
wolle keine Berufstätigkeit ausüben. Ich rede von der
überwiegenden Mehrheit der bayerischen Frauen, die in
diesem Lande schon immer in die Arbeit gehen musste
und nie die Chance hatte, sich zwischen Familie und
Beruf zu entscheiden.
(Beifall bei der SPD)
Hier spielen die tatsächlichen staatlichen Leistungen
eine gewaltige Rolle. Folgende Zahlen stammen von
Ihrer eigenen Ministerin. Sie streiten sich mit uns darüber,
ob wir bei den Kinderkrippen den von uns genannten
Deckungsgrad von 1,4% oder einen Deckungsgrad
von 3,5% haben, wie die Ministerin sagt. Dies ist den
betroffenen Frauen völlig Wurscht, weil 26% der Mütter
Kinder unter 3 Jahren haben und berufstätig sind. Das
heißt, es fehlen nicht 1 oder 2%, sondern über 20% an
Kinderbetreuungsplätzen.
(Beifall bei der SPD)
Das heißt, die Tatsache, dass in diesem Land Familie
und Beruf überhaupt vereinbar sind - diese Frauen müssen
ja Familie und Beruf vereinbaren -, ist ein Erfolg der
Frauen und ihrer Kreativität, was sie mit ihren Säuglingen
machen, aber kein Ergebnis staatlicher Politik.
(Beifall bei der SPD)
Denn der Freistaat Bayern hilft diesen Frauen im
Moment überhaupt nicht, obwohl sich die Gesellschaft
dramatisch geändert hat, wie Sie selber wissen. Die
Oma, die, wie bei mir, noch auf das Baby aufpasst -
meine Mutter hatte noch eine Oma auf dem Bauernhof
und den ganzen Bauernhof dazu, damit ich dort aufwachsen
konnte - und einen Bauernhof dazu gibt es
heute kaum noch.
(Müller Willi (CSU): Bauernhöfe gibt es schon noch!)
- Ich gebe Ihnen Recht, wir haben noch ein paar Bauernhöfe.
Aber das System und die Art und Weise, wie
unsere Generationen aufgewachsen sind, die in München,
Nürnberg und in anderen Großstädten in die
Schule und in die Arbeit gehen konnten, aber trotzdem
die kleinen Kinder versorgt wussten, gibt es nicht mehr.
Sie können sich das herbeireden oder Heimatfilme
anschauen. Die Realität in Bayern ist nicht ein Heimatfilm nach Peter Rosegger. Wir schreiben das Jahr 2002,
in dem täglich 26% der Mütter mit Kindern unter drei
Jahren in der Frühe die Frage klären müssen, wohin sie
den Säugling geben, weil sie in die Arbeit gehen müssen.
(Beifall bei der SPD)
7605 - Plenarprotokoll 14/105 v. 10.12.2002 Bayerischer Landtag · 14.Wahlperiode
Wie schlimm die Situation für die Frauen ist, macht die
Tatsache deutlich, dass sich in der Zwischenzeit über
12% der Frauen nicht mehr dazu entscheiden, ein Kind
zu bekommen, obwohl sie eines möchten, mit der
Begründung, dass sie keinen Weg sahen, Kind, Familie
und Beruf überhaupt in Einklang zu bringen. Dies in Bayern,
einem Land, in dem der Schutz des ungeborenen
Lebens immer sehr hoch gehalten wird. Das ist das
Ergebnis Ihrer Politik. Wir fordern Sie heute dazu auf,
diese Politik endlich zu ändern.
(Beifall bei der SPD und beim BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN)
Präsident Böhm: Nächste Rednerin ist Frau Kollegin
Dr. Fickler. Auch sie nimmt zehn Minuten in Anspruch.
Frau Dr. Fickler (CSU): Herr Präsident, liebe Kolleginnen
und Kollegen! Sehr geehrte, liebe Frau Kollegin
Lochner-Fischer. Ich bin davon ausgegangen, dass Sie
bzw. Ihre Fraktion die Aktuelle Stunde zum Thema "Politik
für Frauen in Bayern" unter anderem deswegen beantragt
haben, um bei Ihrer künftigen Aufstellungsversammlung
erfolgreich zu sein.
(Buh-Rufe bei der SPD)
Aber ich darf Ihnen sagen: Durch diesen Stil, den Sie
heute an den Tag gelegt haben, werden Sie die Politik für
Frauen in Bayern nicht voranbringen. Ich bedauere dies
außerordentlich und wünsche Ihnen für Ihre Versammlung
viel Glück; dies meine ich wirklich ernst. Ich
bedauere außerordentlich, dass wir durch diese Art und
Weise der Diskussion in Bayern die Frauenpolitik in Bayern
nicht voran bringen werden.
(Allgemeine Unruhe)
Präsident Böhm: Meine Damen, dies war jetzt genug
Frauenpower. Ich bitte wieder um etwas mehr Ruhe.
(Hofmann (CSU): Die Art, wie die Frauen mit Frauen
umgehen, ist unerhört! - Weitere Zurufe von der
SPD)
Frau Dr. Fickler (CSU): Denn Sie haben hier durch Ihre
Art und Weise der Argumentation - ich bedauere das
außerordentlich - der Frauenpolitik in Bayern keinen
Dienst erwiesen.
(Beifall bei der CSU - Zurufe von der SPD)
Auf einem Kongress, veranstaltet durch das bayerische
Wirtschaftsministerium, mit dem Titel "Bayern 2020 -
Megatrends und Chancen", der im Oktober des vergangenen
Jahres im München stattfand, zeigte der
Zukunftsforscher Mathias Horx Megatrends in Gesellschaft
und Politik auf. Als ersten Megatrend nannte er
die Veränderung der Rolle der Frauen in der Gesellschaft.
Aber das ist anscheinend an Ihnen vorübergegangen.
Liebe Frau Kollegin, wir hören öfter, dass das 21. Jahrhundert
das Jahrhundert der Frauen wird. Für viele klingt
das zunächst merkwürdig, denn im 20. Jahrhundert gab
es natürlich auch schon Frauen. Aber der Redner untermauerte
seine These durch zwei Beispiele: Erstens,
durch den Bereich der Bildung; denn erst der Beginn des
20. Jahrhunderts gab den Frauen das Recht auf Bildung.
An dessen Ende sehen wir, dass in den Abiturklassen
fast 60% Mädchen sind und dass diese in vielen Bundesländern
deutlich bessere Abiturnoten haben. Dass
die Pisa-Stude vor allem bei den Buben eine mangelnde
Lesekompetenz festgestellt hat, untermauert diese
These.
Zweitens be.nden wir uns auf dem Weg zu einer Wissensökonomie,
die die Frauen deutlich bevorzugt. Klassische
industrielle, auf männliche Erwerbsarbeit basierende
Arbeitsplätze werden weniger, gewünschte Qualikationen der Zukunft wie Kommunikationsfähigkeit oder
Teamfähigkeit sind klassische weibliche Fähigkeiten.
Allein diese zwei Beispiele zeigen, dass wir Frauen wirklich
Chancen haben, in diesem Jahrhundert unseren
Weg zu gehen. Daher sage ich noch einmal, wir sollen in
die Zukunft schauen.
Wir sollen unsere Chancen nutzen. Darum hat die CSUArbeitsgruppe
der Landtagsfrauen im April dieses Jahres
ein Frauenforum in diesem Raum veranstaltet.
(Frau Christine Stahl (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Die Gruppe besteht aus fünf Frauen!)
- Die Gruppe besteht nicht aus fünf Frauen, sondern wir
sind 16 Frauen.
Das Motto hat geheißen "Frauen gestalten Zukunft".
(Frau Christine Stahl (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Was ist daraus geworden?)
Wir wollen nämlich verdeutlichen, dass nicht rückwärts
gewandte Frauenpolitik unser Ziel ist, sondern dass wir
Aufgaben anpacken, wo dies notwendig ist.
(Frau Christine Stahl (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Schauen Sie in Ihre eigenen Reihen! Schauen Sie,
wie viele Männer dort sitzen!)
Wenn es darum geht, wie Frauen Zukunft gestalten,
kann auch heute noch nicht die Frage nach der Gleichberechtigung
als abgehakt übergangen werden. Sie wissen
auch, liebe Kolleginnen von der SPD- und der GRÜNEN-Fraktion, dass der Grundsatz der Gleichbehandlung
von Männern und Frauen in der Bayerischen Verfassung
anders als im Grundgesetz nur in Teilbereichen
aber nicht umfassend geregelt war. Erst 1998 hat dieses
Hohe Haus im Artikel 118 Absatz 2 der Bayerischen Verfassung
ausdrücklich die Förderung von Frauen als
Staatsziel verankert.
(Frau Werner-Muggendorfer (SPD): Wer war ausschlaggebend?
- Gegenruf des Abgeordneten Ach
(CSU): Das Hohe Haus insgesamt!)
7606 - Bayerischer Landtag · 14.Wahlperiode Plenarprotokoll 14/105 v. 10.12.2002
Dass die normative Gleichberechtigung inzwischen
generell und umfassend umgesetzt ist, wissen wir alle.
Dass es in der Praxis De.zite gibt, wissen wir auch. Den
alleinigen Schwerpunkt, den Sie gesetzt haben, würde
ich aber so nicht sehen. Es gibt De.zite: Wir haben zu
wenige Frauen in Führungspositionen und in den Gremien.
Der Verdienst von Frauen liegt immer noch unter
dem von entsprechend ausgebildeten Männern. Hier
besteht Nachholbedarf. Ich sehe eine Aufgabe von Politikern
und Politikerinnen auch darin, auf diese De.zite zu
verweisen, die wir aber ohne Bewusstseinsänderung in
unserer Gesellschaft nicht werden abschaffen können.
(Frau Werner-Muggendorfer (SPD): Wie schaffen
wir es?)
Abschließend möchte ich festhalten, dass sich die Situation
von Mädchen und Frauen in Bayern in den letzten
Jahren weiter verbessert hat. Auf diesem Wege fortzufahren,
muss das Anliegen des ganzen Hohen Hauses,
Männern wie Frauen zusammen, in Partnerschaft sein.
(Beifall bei der CSU)
Präsident Böhm: Die nächste Rednerin ist Frau Kollegin
Münzel. - Auch zehn Minuten.
Frau Münzel (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Präsident,
Kolleginnen und Kollegen! Die Politik für Frauen in
Bayern leidet unter den rückständigen gesellschaftlichen
Vorstellungen der CSU: Vater - Mutter - Kind.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei
Teilen der SPD)
Vater sorgt für das Einkommen, Mutter sorgt für das Kind
-, das ist immer noch das Idealbild der CSU, an der sie
ihre Politik ausrichtet.
(Willi Müller (CSU): Das glauben Sie doch selbst
nicht!)
Frauen werden bei Ihnen in erster Linie über die Mutterrolle
definiert. Aber, wo Kinder sind, sind auch Väter.
(Hofmann (CSU): Na so was!)
Es ist Zeit, dass sie diese Rolle annehmen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei
Teilen der SPD)
Vereinbarkeit von Beruf und Familie ist nicht allein Frauensache,
es ist im gleichen Maße - ich wiederhole: im
gleichen Maße - Männersache.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei
Teilen der SPD)
Frauen, als vom Ehemann und vom Staat unabhängige,
selbstbestimmte Menschen, diese Vorstellung ist der
CSU suspekt. Dies zeigte sich zum Beispiel sehr deutlich
in der heftigen Debatte zum Paragraphen 218 des
Strafgesetzbuches, als die CSU im bayerischen Sonderweg
festlegte, dass nur die Frauen einen Beratungsschein
erhalten, die - zwangsberaten - auch den Grund
für den Schwangerschaftsabbruch angeben. Was haben
Sie damals die Frauen schikaniert mit Ihrer unsäglichen
Debatte, mit Ihren Bevormundungen und auch mit Ihrer
Weigerung, spezialisierte Praxen zuzulassen. Letzteres
ist übrigens auch insofern unverantwortlich, weil Sie
damit die Gesundheit und das Leben von Frauen aufs
Spiel gesetzt haben.
Diese Haltung, Kolleginnen und Kollegen, kam bei den
Frauen außerhalb Bayerns aber gar nicht gut an. Dass
Stoiber die Wahl verloren hat, das war die Rache der
Frauen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei
Teilen der SPD - Freiherr von Rotenhan (CSU):
Jetzt wissen wir es!)
Frauenpolitik wird in Bayern auf Spar.amme gekocht. Es
gibt keine frauenpolitische Offensive vonseiten der
Staatsregierung. Frauenpolitische Initiativen der Opposition
werden blockiert, und nur im äußersten Notfall,
wenn es gar nicht anders geht, wird etwas getan - allerdings
lediglich das Allernötigste.
(Frau Werner-Muggendorfer (SPD): Sehr konservativ!)
So war Bayern das letzte Bundesland, das ein Gleichstellungsgesetz
verabschiedet hat. Es ist allerdings
eines ohne Biss, ohne Quote, ohne Sanktionen. In diesem
Gleichstellungsgesetz ist im Übrigen verankert,
dass alle drei Jahre ein Bericht über die Durchführung
des Gleichstellungsgesetzes gegeben werden muss.
(Frau Lochner-Fischer (SPD): Wo ist der Bericht?)
Dieser Bericht ist sozusagen das Kontrollinstrument für
den Erfolg oder Misserfolg des Gesetzes. Kein einziges
Mal ist es der Staatsregierung gelungen, den Bericht termingerecht
vorzulegen. Jedes Mal werden fadenscheinige
Argumente vorgebracht. Diesmal ist es die große
Anzahl der Fragebögen, die ausgewertet werden müssen.
(Frau Werner-Muggendorfer (SPD): Man stelle sich
das vor!)
So viel zu dem Thema, wie ernst die Staatsregierung die
Gleichstellungspolitik nimmt. Was soll man von einem
Ministerium für Frauen halten, das einen Zwischenbericht
über den Stand der Auswertung zur Vorlage des
Berichts über die Durchführung des bayerischen Gesetzes
zur Gleichstellung von Frauen und Männern vorlegt
und schreibt - ich zitiere:
Bemerkenswert sei auch, dass 108 kreisangehörige
Gemeinden ohne gesetzliche Verp.ichtung einen
Gleichstellungsbeauftragten und 102 kreisangehörige
Gemeinden einen Ansprechpartner hätten.
Bemerkenswert ist, dass der Vertreter des Frauenministeriums
in der männlichen Form über eine Gruppe redet
7607 - Plenarprotokoll 14/105 v. 10.12.2002 Bayerischer Landtag · 14.Wahlperiode
und schreibt, in der die Frauen in der Mehrzahl sind, und
zu einem Thema, das die Gleichstellung zum Inhalt hat.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei
Teilen der SPD)
Sprache drückt Bewusstsein aus und formt auch das
Bewusstsein. So viel also zum Bewusstsein im Frauenministerium.
Deshalb sage ich: Frauenpolitik ist und
bleibt ein Stiefkind der Staatsregierung.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei
Teilen der SPD)
Das zeigt sich auch beim Umgang mit Gender Mainstreaming.
Dieser neue Ansatz für Gleichstellungspolitik
kommt von der EU, kann also nicht ganz ignoriert werden
- denkt man wenigstens. Aber, auch hier wird auf
Sparflamme gekocht. Nachdem die GRÜNEN ein
Antragspaket dazu vorgelegt hatten, raffte sich die CSU
zu einem eigenen, aber sehr mageren Antrag auf. Es
sollen Schulungsveranstaltungen statt.nden,
geschlechtsspezifische Daten erhoben werden, und das
Gesundheitswesen soll in das Blickfeld genommen werden.
Das Thema Gesundheit ist wichtig, sich aber nur
auf das eine Thema bei Gender Mainstreaming zu
beschränken, ist zu wenig.
Gender Mainstreaming bedeutet, dass alle Maßnahmen
daraufhin überprüft werden, welche Auswirkungen sie
auf Frauen und Männer haben. Deshalb müssen alle
staatlichen Stellen verp.ichtet werden, Gender Mainstreaming
umzusetzen und zumindest ein Pilotprojekt
durchzuführen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Die Frauenpolitik ist also ein ungeliebtes Kind bei der
Staatsregierung. Von einer frauenpolitischen Offensive
ist nichts zu hören. Wobei es noch viel zu tun gibt. Handlungsbedarf
besteht zum Beispiel beim Interesse der
Mädchen an den Naturwissenschaften und der Technik.
Auch hier nur zögerliche Bewegung bei der CSU. Jetzt
soll die Staatsregierung ersucht werden, eine Konzeption
mit dem Ziel zu entwickeln, dass junge Frauen sehr
viel häu.ger als heute technisch oder naturwissenschaftlich
geprägte Berufe ergreifen. Sie wird ersucht, ein Konzept
zu entwickeln. Die Konzeption kann die Staatsregierung
abschreiben, sie liegt schon jahrelang vor.
Aber anstatt vorurteilsfrei im Interesse der Frauen zu
handeln, hat die Staatsregierung in der Vergangenheit
ihre Energie darauf verschwendet, zu versuchen, nachzuweisen,
dass unsere Forderungen nicht notwendig
oder nicht sinnvoll seien. Nach Jahren ist sie offensichtlich
darauf gekommen, dass unsere Vorschläge durchaus
Sinn machen. Welch eine Vergeudung von Zeit und
Energie - und das alles zum Schaden der jungen
Frauen.
Am 8. Mai kommenden Jahres .ndet übrigens der Girl's
Day - der Mädchenzukunftstag - statt. Dieser Tag bietet
eine hervorragende Chance, Mädchen einen Einblick in
die Arbeitswelt ihrer Eltern zu geben, den Horizont ihres
Berufswahlspektrums zu erweitern, Vorurteile auszuräumen
und Mädchen für neue und techniknahe Berufsfelder
zu interessieren.
Eine weitere Idee von uns: Wir fordern die Staatsregierung
auf, die Durchführung des Girl's Day nicht nur an
einem Projekt, wie das in den vergangenen Jahren der
Fall war, sondern aktiv zu unterstützen und darauf hinzuwirken,
dass die bayerischen Behörden, Landesämter
und Forschungseinrichtungen mit Angeboten für Schülerinnen
an diesem Tag teilnehmen. Die Kultusministerin
soll die Schulleitungen informieren und diesen Tag als
schulische Veranstaltung deklarieren.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Unabhängig von noch bestehenden Problemen ist es
den Mädchen und jungen Frauen in den letzten Jahren
aber gelungen, in der schulischen Bildung enorm aufzuholen.
Es gibt mehr Abiturientinnen als Abiturienten. Die
Noten der Mädchen sind besser als die der Buben, und
Mädchen bleiben weniger häu.g sitzen. Die Mädchen
haben sich also optimale Startchancen erkämpft.
Danach aber wird es schwierig im Beruf und schwierig
beim Studium. An den Universitäten nimmt der Frauenanteil
stetig ab, je höher man in der Hierarchie kommt.
Darüber haben wir an anderer Stelle schon häu.g debattiert.
Herr Staatsminister Zehetmair, ich bin der Meinung,
es reicht nicht aus, dass Sie einen geharnischten Brief
an die Universitäten schreiben. Es ist zwar ein Anfang,
wenn Sie gewissermaßen sagen, was Sache ist, aber
ich glaube, wir werden nur dann Erfolg haben, wenn die
Frauenförderung mit .nanziellen Anreizen verknüpft
wird. Die Juniorprofessur wäre hier auch eine Möglichkeit,
um jungen Wissenschaftlerinnen den Weg zu öffnen.
Außerdem brauchen wir an den Hochschulen optimale
Kinderbetreuungsmöglichkeiten.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Zum Arbeitsmarkt. Warum vergeben wir öffentliche Aufträge
und Subventionen nicht an Betriebe, die auch
Frauenförderung als Ziel ihres Unternehmens de.nieren?
Dass dies möglich ist, hat Ihnen mein Kollege Dr.
Runge einmal von diesem Redepult aus vor Augen
geführt. Der Frauenförderpreis der Staatsregierung ist
zwar nett, Frau Ministerin, aber er reicht nicht aus. Bei
der letzten Verleihung des Förderpreises haben Sie,
Frau Ministerin, in Ihrer Begrüßung gesagt, Sie würden
sich freuen, dass Sie so viele Frauen begrüßen dürfen.
Diese Aussage hat mich schon etwas irritiert, schließlich
wurde doch der Frauenförderpreis verliehen.
(Heiterkeit beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Kolleginnen und Kollegen! Die Frauenpolitik der Staatsregierung
orientiert sich an einem rückständigen Frauenbild.
Sie ist viel zu zögerlich und reagiert allenfalls auf
nicht mehr zu übersehende Entwicklungen. In Bayern
brauchen wir eine frauenpolitische Offensive. Die
Frauen haben ohne Zweifel viel erreicht, am Ziel sind wir
aber noch lange nicht.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei
Abgeordneten der SPD)
7608 - Bayerischer Landtag · 14.Wahlperiode Plenarprotokoll 14/105 v. 10.12.2002
Präsident Böhm: Jetzt hat Frau Staatsministerin Stewens
ums Wort gebeten.
Frau Staatsministerin Stewens (Sozialministerium):
Herr Präsident, meine Kolleginnen und Kollegen! Frau
Kollegin Münzel, es hat Sie erstaunt, dass ich bei der
Verleihung des Frauenförderpreises gesagt habe, es sei
schön, dass ich so viele Frauen im Kaisersaal der Residenz
begrüßen kann. Ich habe einleitend gesagt: Normalerweise
sind im Kaisersaal überwiegend Männer. Es
freut mich, dass ich heute einmal so viele Frauen begrüßen
kann. Das waren meine einleitenden Worte. Soviel
zu Ihrem besseren Verständnis.
(Frau Christine Stahl (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Die konnten Sie nur begrüßen, weil wir so viele
Frauen haben!)
- Die konnte ich begrüßen, weil wir den Frauenförderpreis
vergeben haben. So ein Schmarrn! Das war eine
Veranstaltung des Sozialministeriums zur Auslobung
des Frauenförderpreises in der Wirtschaft. Deswegen
konnten wir so viele Frauen begrüßen.
(Frau Biedefeld (SPD): Haben Sie nichts anderes zu
berichten als von der Begrüßung im Kaisersaal? -
Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Kasperltheater!)
- Nehmen Sie es doch auch mit ein bisschen Humor,
wenn Sie merken, dass Sie danebengegriffen haben.
Frau Kollegin Lochner-Fischer, Sie haben uns angelastet,
dass wir uns in Bayern über die Kinderkrippenquote
streiten. Wir haben uns nie gestritten. Wir haben schlicht
und einfach gesagt, 3,5% sind nach unseren Erhebungen
der Stand der vorhandenen Betreuungsplätze für
Kinder unter drei Jahren.
(Dr. Dürr (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das geben
Sie uns jetzt schriftlich!)
- Sie haben es von mir auch schriftlich, und Sie wissen
ganz genau, dass die Zahlen stimmen. Die Tagespflege
ist eingerechnet.
(Frau Werner-Muggendorfer (SPD): Aber nirgendwo
nachweisbar!)
Ich halte es für ausgesprochen richtig und wichtig, dass
man bei der Kinderbetreuung die Tagespflege für die
unter Dreijährigen miteinrechnet.
Ich komme gleich noch auf Ihre 26%. Sie haben recht,
dass 26% derjenigen Frauen, die Kinder unter drei Jahren
haben, erwerbstätig sind. Darin besteht gar keine
Frage. Ich halte es aber für falsch, daraus zu schließen,
dass alle diese 26% eine Kinderbetreuung für unter
Dreijährige brauchen. Wir haben im letzten Jahr bei allen
Jugendämtern in den Landkreisen und kreisfreien Städten
eine Erhebung durchgeführt. Dabei wurde bayernweit
ein Bedarf in Höhe von 7 % ermittelt.
(Frau Radermacher (SPD): Es wäre schön, wenn
wir das schon hätten!)
Ein Bedarf von 7% bayernweit bedeutet, dass in München
25 bis 30% der betroffenen Mütter eine Kinderbetreuung
brauchen. Bayern ist aber ein Flächenstaat und
auf dem Land wie zum Beispiel in meinem Landkreis im
südlichen Bereich ist der Bedarf ganz anders als in den
Ballungsräumen. Das sehen wir jetzt auch bei unserem
313-Millionen-Euro-Programm. Bei den 1 000 Plätzen,
die pro Jahr für die unter Dreijährigen zur Verfügung stehen,
ist der höchste Bedarf in den Ballungsräumen und
in den Verdichtungsräumen gegeben. Im ländlichen
Bereich ist der Bedarf geringer. Deswegen wollen wir in
den Kommunen, in denen keine Kinderkrippe benötigt
wird, verstärkt Tagesmütter und Tagespflegeprojekte fördern.
Das ist bedarfsgerechter Ausbau der Kinderbetreuung
für die unter Dreijährigen. Deswegen ist es nicht
richtig zu fordern, jede Kommune braucht für 26% der
betroffenen Mütter eine Kinderbetreuung. Das ist eine
ganz falsche Politik, die Sie betreiben.
(Frau Radermacher (SPD): Das sagt doch niemand!
- Beifall bei der CSU)
Gerade im ländlichen Bereich gibt es noch familiäre
Strukturen, die sich gegenseitig unterstützen können
und Kinder betreuen.
Wir wollen eine Wahlfreiheit.
(Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Wir wollen
die Vereinbarkeit von Familie und Beruf!)
Sie wollen, dass alle Frauen, die erwerbstätig sind, ihre
Kinder in eine staatliche Betreuungseinrichtung schicken
können.
(Widerspruch beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und
bei Abgeordneten der SPD - Frau Werner-Muggendorfer
(SPD): Jetzt reicht es aber! - Abg. Freiherr
von Rotenhan (CSU): So ist es aber!)
Deswegen verlangen Sie auch 26% Kinderbetreuungsplätze.
Das ist die logische Schlussfolgerung aus Ihrer
Forderung, Frau Lochner-Fischer. Wir wollen dagegen
ein größtmögliches Maß an Wahlfreiheit für Frauen und
Männer für ihre individuelle Lebensgestaltung in allen
Lebensphasen. Wir wollen der Vielfalt der Lebensentwürfe
wirklich Rechnung tragen. Ich bin der festen Überzeugung,
dass wir jegliche Ideologisierung ablehnen
müssen.
(Frau Gote (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Dann
wenden Sie sich einmal an den Herrn Goppel!)
Eines der wichtigsten Aufgaben ist der Abbau noch
bestehender Benachteiligungen von Frauen auf dem
Arbeitsmarkt und in der Wirtschaft. Wir wissen - Frau
Kollegin Münzel Sie haben schon darauf hingewiesen -,
dass Frauen in den Ausbildungsabschlüssen immer
etwas besser sind. Das trifft sowohl für das Abitur als
auch für die Studienabschlüsse wie auch für die beruflichen
Bildungsabschlüsse zu. Deswegen sollten die
7609 - Plenarprotokoll 14/105 v. 10.12.2002 Bayerischer Landtag · 14.Wahlperiode
Frauen gerade wegen ihrer guten Qualifikationen die
gleichen Aufstiegschancen haben wie die Männer.
(Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Nicht sollten,
sondern müssen! - Frau Steiger (SPD): Das ist
doch eine Selbstverständlichkeit, dass es so ist!)
Dabei haben wir aber ein Problem. Frauen beschränken
ihr Wahlverhalten in der Berufswahl immer noch auf
zehn typische weibliche Berufe vorrangig im Dienstleistungsbereich.
(Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Weil sie
keine Wahlfreiheit haben!)
Deshalb müssen wir den Mädchen sagen, dass sie sich
in ihrem Wahlverhalten ändern müssen. Ich halte es
auch für notwendig, dass wir die Mädchen an unseren
Schulen in den mathematischen und naturwissenschaftlichen
Fächern in Arbeitsgruppen zusammenfassen und
sie getrennt beschulen, um ihr Selbstbewusstsein zu
stärken. Ich weiß, dass wir auf diesem Gebiet noch
Schwierigkeiten haben. Mädchen trauen sich vielfach
nicht, in diesen Fächern Fragen zu stellen. Wir fördern
die Frauen gerade im mathematisch-naturwissenschaftlichen
Bereich. Unser Haus gibt im Jahr 25 Millionen Euro
dafür aus, dass sich die Mädchen verstärkt auf die
Berufe in der Informationstechnologie ausrichten - und
dies übrigens gemeinsam mit der Wirtschaft.
Wir müssen wegkommen von der einseitigen Konzentration
vieler junger Frauen auf die typischer Weise
schlecht bezahlten Frauenberufe im Dienstleistungsbereich.
Deswegen haben wir eine Medienoffensive in den bayerischen
Schulen angestoßen. Wir haben diese Offensive
durch Mädchentechniktage begleitet, auch das bayerische
Kultusministerium hat die Girl's Days im letzten
Jahr unterstützt. Wir werden dies im nächsten Jahr noch
stärker fördern. Wir haben bundesweit eine beispielgebende
Einrichtung der virtuellen Hochschule in Bayern.
(Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Damit die
Frauen daheim bleiben!)
- Nein, nicht damit die Frauen daheim bleiben. Die virtuellen
Hochschulen sind nicht ausschließlich auf die
Frauen ausgerichtet. Auch das sollte Ihnen wirklich
bewusst sein.
(Frau Stahl (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ihre
Rede könnte auch der Herr von Rotenhan halten!)
- Lieber Kollege Rotenhan, das war eben ein Kompliment
für dich.
Wir haben spezielle Veranstaltungen für Mädchen beim
Bayerischen Berufsbildungskongress. Das halte ich für
wichtig. Der Berufsbildungskongress 2002 ist von der
Jugend in Bayern hervorragend angenommen worden.
Als nächstes möchte ich auf die Öffentlichkeitsarbeit bei
den Arbeitgebern eingehen. Das ist ein ganz wichtiger
Beitrag zur Verwirklichung der Chancengleichheit von
Frauen und Männern in der Arbeitswelt. Wie gesagt: Der
von Ihnen schon angesprochene Frauenförderpreis
hatte eine hohe Beteiligung. Besonders erfreulich war es
für mich, dass wir Preisträger aus der Metall- und der
Technikbranche hatten. Für uns war es ganz wichtig,
gerade in diesem Bereich zu zeigen, wie wichtig es ist,
dass die Wirtschaft ganz spezifisch die Frauen in ihrem
Wahlverhalten und in ihrem Beruf fördert. Immer mehr
Unternehmen bemühen sich Gott sei Dank ganz aktiv,
selbst zu einer frauen- und familienfreundlichen Arbeitswelt
beizutragen, und zwar ohne gesetzliche Reglementierungen.
Das zeigt schon, dass die Strategie der
Staatsregierung und des Staatsministeriums aufgeht.
Lassen Sie mich auch etwas zur Kinderbetreuung
sagen. Unser 313-Millionen-e-Programm ist ein ungeheuer
wichtiges Programm. Die Staatsregierung zeigt
das, weil sie gerade in diesem Bereich überhaupt keine
Kürzungen vornimmt. In anderen Ländern wird bei den
Mitteln zur Kinderbetreuung und in der Familienpolitik
beim Landeserziehungsgeld ganz anders gekürzt. Wir
haben gesagt: Das ist uns die Sache wert. Wir müssen
die Wahlfreiheit für die Frauen sicherstellen. Deswegen
ist es so wichtig, dass wir die Kinderbetreuung für die
unter 3jährigen, in den Horten und die Möglichkeiten bei
der Ganztagsbetreuung ausbauen. Das ist ein Schwerpunkt
unserer Politik.
Ein zweiter Schwerpunkt ist Gender Mainstreaming. Ich
habe das auch in der Haushaltsrede ganz klar angesprochen.
Auch in der Geschäftsordnung der Bayerischen
Staatsregierung wurde Gender Mainstreaming berücksichtigt;
sie ist entsprechend geändert worden. Wir führen
in allen Häusern Fortbildungsveranstaltungen zu
Gender Mainstreaming durch, so dass Gender Mainstreaming
ein Grundprinzip auch des staatlichen Handelns
wird. In den unterschiedlichsten Bereichen - Sie
springen in der Frauenpolitik nach meiner festen Überzeugung
viel zu kurz und ideologisieren die Frauenpolitik
in einem ungeheuren Ausmaß - sind wir von der Bayerischen
Staatsregierung mit unserer Reformpolitik auf
dem richtigen Weg, um den Lebensentwürfen unserer
Frauen gerecht zu werden.
(Beifall bei der CSU - Frau Steiger (SPD): Erklären
Sie das doch bitte Frau Matschl!)
Präsident Böhm: Die nächste Rednerin ist Frau Kollegin
Steiger.
Frau Steiger (SPD): Herr Präsident! Kolleginnen und
Kollegen! Frau Dr. Ficklers Rede war wieder mal ein
Highlight: erst mit Polemik angefangen und dann wenig
Aussage bis zum Schluss. Zur Frau Stewens lassen Sie
mich nur eines sagen: Frau Staatsministerin, durch ständiges
Wiederholen von falschen Zahlen werden diese
nicht richtig; das gilt zu dem, was Sie zur Kinderbetreuung
sagen.
(Beifall bei der SPD)
Wir wollen - der nächste Kernsatz - die Vereinbarkeit
von Familie und Beruf, denn viele Frauen haben keine
Wahl. Eine Wahlfreiheit nützt ihnen nichts, wenn sie
7610 - Bayerischer Landtag · 14.Wahlperiode Plenarprotokoll 14/105 v. 10.12.2002
alleinerziehend sind. Das hat nichts mit Ideologie, sondern
mit Lebenschancen und Lebensformen zu tun. Wir
haben vielfältige Lebensformen und unterschiedliche
Lebenschancen, gerade bei der Vereinbarkeit von Familie
und Beruf. Wenn wir an Frauen mit Behinderung oder
Frauen, die behinderte Kinder haben, denken, müssen
wir erkennen: Offiziell haben Frauen mit Behinderung
auch die Chancengleichheit und trotzdem erscheinen
behinderte Frauen und Mädchen weit weniger im öffentlichen
Leben als Männer. Frauen und Mädchen mit körperlicher,
geistiger und seelischer Behinderung entsprechen
etwa 5% der Bevölkerung.
Aber was passiert? Obwohl auch diese Frauen bei der
schulischen Ausbildung schnellere und bessere
Abschlüsse haben als vergleichbare Männer, sind
Frauen auf dem Ausbildungsmarkt und auf dem Arbeitsmarkt
in einer schlechteren Position. Auch sind Frauen
mit Behinderung weniger beschäftigt. Der kürzlich
erschienene Bericht zur Beschäftigung schwerbehinderter
Menschen im öffentlichen Dienst zeigt das auf. Da
muss man sich fragen: Warum ist das so und was zählt
hier? Man will es nicht glauben: Es entspricht nach wie
vor dem alten Klischee und Rollenverständnis, dass
Frauen im Berufsleben repräsentieren müssen und gut
aussehen sollten. Diesem Klischee können natürlich
Frauen und Mädchen mit Behinderung - vor allen Dingen
aus Sicht von nicht-behinderten Menschen - nicht
entsprechen. Gutes Aussehen ist ein Kriterium, das
dann eben nicht erfüllt werden kann. Bei der Qualifikation
ist es leider auch so, dass Frauen mit Behinderung
weniger zugetraut wird als Männern mit Behinderung.
Der zweite Punkt ist eine geschlechterspezifische Rollenverteilung
bei der Berufsauswahl. Dies ist nach wie
vor deutlich und wird zum Beispiel durch die Angebote in
den Berufsbildungswerken verfestigt. Von neun Berufsbildungswerken
in Bayern mit Berufsangeboten für Mädchen
und für Jungen haben acht anteilsmäßig mehr
Männer als junge Frauen. Das Spektrum, das bei den
beruflichen Angeboten in diesem Bereich vorhanden ist,
umfasst wesentlich mehr männliche als weibliche
Berufe. Es gibt zwanzig verschiedene Angebote, aber
Frauen können nur unter sechs verschiedenen wählen;
aus dem kaufmännischen und dem Haushalts-Sektor.
Sie wählen aus diesen Feldern, weil sie selten motiviert
werden, vom Pfad der Tugend - hauswirtschaftliche und
kaufmännische Berufe - abzuweichen.
Ein drittes und ganz besonders wichtiges Kriterium: die
Wohnortnähe der beru.ichen Rehabilitation. Sie ist einfach
nicht vorhanden. Obwohl sie im SGB IX verankert
ist, haben wir drei öffentlich geförderte Berufsförderwerke,
nämlich in Würzburg, Nürnberg und München.
Die Wohnortnähe ist somit nicht gegeben. Die Frauen
nehmen die Trennung von der Familie nicht an und verzichten
dann lieber auf eine Reha-Maßnahme. Das
muss doch nicht sein.
(Beifall bei der SPD und beim BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN)
Die Umsetzung des SGB IX in diesem Punkt ist ganz,
ganz wichtig.
Frauen mit Behinderung oder Frauen mit behinderten
Kindern haben noch eine zusätzliche Erschwernis,
Familie und Beruf zu vereinbaren. Schule, Spielplätze,
Krabbelgruppen, Kindergärten, Horte oder öffentliche
Gebäude sind oft nicht barrierefrei zugänglich. Sie können
also, wenn Sie ihre Elternaufgabe ernst nehmen,
ihre Aufgabe nicht wahrnehmen, weil Barrieren bestehen.
Das kann eine Stufe sein, das kann ein fehlender
Lift sein, das sind fehlende optische oder akustische Signale,
das ist eine zu enge Tür, das sind Treppen oder
was auch immer; manchmal Kleinigkeiten, aber Dinge,
die behinderte berufstätige Mütter bewältigen müssen.
Es ist unsere Aufgabe - eine Daueraufgabe -, Frauen
und Mädchen mit Behinderung die Vereinbarkeit von
Familie und Beruf zu ermöglichen.
Daran müssen wir arbeiten, und zwar nicht nur im Jahr
2003, dem europäischen Jahr für Menschen mit Behinderung.
Daran müssen wir weit darüber hinaus arbeiten.
(Beifall bei der SPD)
Präsident Böhm: Nächste Rednerin: Frau Kollegin Prof.
Männle.
Frau Prof. Männle (CSU): Herr Präsident, meine sehr
geehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich zunächst
zu der Tatsache Stellung nehmen, dass wir hier über
einen Dringlichkeitsantrag diskutieren sollen, der um
14.15 Uhr eingereicht worden ist, und der mir bis jetzt
noch nicht auf dem Tisch liegt. Ich sehe mich außerstande,
einen Dringlichkeitsantrag zur Situation der
Frauen positiv zu bescheiden, wenn er mir noch nicht
einmal vorliegt.
(Zuruf von der SPD: Das liegt am Haus! - Frau Werner-Muggendorfer (SPD): Das ist doch immer so!)
Dieser Dringlichkeitsantrag wird gerade erst verteilt. Auf
dieser Seite des Plenarsaals liegt er noch nicht vor. Wir
konnten uns also noch nicht damit beschäftigen, und das
bedaure ich sehr. Diese Debatte über die Situation der
Frauen hätten nämlich die Chance gegeben, vorurteilsfrei
über die Situation der Frauen in Bayern zu diskutieren.
Ich betone extra: vorurteilsfrei.
(Beifall bei der CSU)
Es wäre möglich gewesen, vorurteilsfrei zu untersuchen,
was Frauen heute bereits erreicht haben, wo es De.zeit
gibt und wo wir durch unterschiedliche Maßnahmen
etwas erreichen können, sei es staatlicher oder anderer
Art. Dabei geht es nicht nur um Maßnahmen staatlicher
Art. Ich weigere mich alles auf den Staat zu schieben
und nicht nachzufragen, in welchem anderen Bereichen
man tätig werden kann.
(Beifall bei der CSU)
Man hätte fragen können: Wo gibt es strukturelle Probleme?
Wo gibt es Vorurteile? Wo ist etwas abzubauen?
Die Debatte hat diese Probleme aber nicht in den Mittelpunkt
gestellt. Stattdessen diskutieren wir über Bilder
und Vorstellungen, die wir anderen Parteien unterstellen.
7611 - Plenarprotokoll 14/105 v. 10.12.2002 Bayerischer Landtag · 14.Wahlperiode
Lassen Sie mich, auch wenn Sie es nicht hören wollen -
-
(Frau Steiger (SPD): Das ist eine Unterstellung!)
- Ich rede mit Ihnen, deshalb sehe ich Sie auch an.
(Zurufe von der SPD)
Ich schaue mir diejenigen an, die ich anschauen will. Ich
lasse mir nicht vorschreiben, dass ich nach rechts
schaue, wenn ich nach links schauen will.
(Beifall bei der CSU)
Auch wenn Sie es nicht gerne hören wollen: Die CSU
steht für Wahlfreiheit. Die CSU steht für Wahlfreiheit von
Männern und Frauen. Das haben wir bereits in unserem
Grundsatzprogramm in den Achtzigerjahren deutlich
gemacht. Wir wollen kein verordnetes Frauenbild in
unserer Gesellschaft.
(Beifall bei der CSU - Unruhe bei der SPD)
Jeder Mann und jede Frau soll sich frei entscheiden können,
was sie oder er will. Ich bedaure wirklich sehr, dass
die Lebensentscheidung von Frauen, dass Frauen, die
sich entschieden haben - nicht ich, aber andere - als
Hausfrau und Mutter ihre Kinder großzuziehen und die
Erhebliches leisten, hier kleingeredet werden. Sie werden
nicht positiv bewertet.
(Anhaltende Unruhe bei der SPD)
Ich bedaure wirklich sehr, dass man ihnen unterstellt,
dass sie keine selbstständigen Frauen sind.
(Frau Radermacher (SPD): Das ist nicht wahr!)
Man unterstellt ihnen, dass sie eigentlich etwas anderes
gewollt hätten und dass sie nichts leisten.
(Frau Steiger (SPD): Wer von uns hat das gesagt?)
Denken Sie doch an die Diskussion, die Frau Simonis
kürzlich bei Frau Christiansen führte. Es ging um die
Rentenanwartschaft von Frauen. Es wurde gesagt, die
Erziehungszeiten seien nur ein kleiner Beitrag für die
Erziehungsleistung der Frauen. Darauf sagte Frau Simonis:
"Warum sollen die Frauen Renten erhalten, sie
haben doch nichts gearbeitet." - Sie haben doch nichts
gearbeitet!
(Zurufe von der CSU: Hört, hört! - Frau Peters
(SPD): Wir haben die Anrechnungsjahre für Kinder
erhöht, nicht Sie!)
Diese Frauen haben Kinder erzogen und damit einen
enormen Beitrag für unsere Gesellschaft geleistet.
(Beifall bei der CSU - Zurufe von der SPD)
Ich prangere es genauso an, wenn Frauen, die erwerbstätig
sind, die es sehr gerne sind, die Vollzeit arbeiten
und das sehr gerne tun, kritisiert werden. Auch ich bin
eine Frau, die sich ganz klar für den Beruf entschieden
hat, die sich entschieden hat, Politik und Beruf miteinander
zu verbinden.
(Frau Christine Stahl (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Genauso sieht Ihre Wahlfreiheit aus: entweder -
oder!)
Ich erwarte von Ihnen, dass Sie andere Frauen, die diesen
Weg nicht gegangen sind, die für sich einen anderen
Weg gewählt haben, genauso wertschätzen.
(Hofmann (CSU): So ist es!)
Hören wir doch endlich auf, uns gegenseitig vorzuwerfen,
welchen Lebensweg wir gehen. Reden wir das
andere nicht schlecht, akzeptieren wir die Entscheidungen,
schaffen wir die Voraussetzungen, dass sich die
Frauen tatsächlich entscheiden können.
(Beifall bei der CSU - Zuruf von der SPD: Das tun
wir doch!)
Schaffen wir doch die Rahmenbedingungen, dass sich
die Frauen tatsächlich entscheiden können.
(Zurufe von der SPD und vom BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN)
Es gibt gute Voraussetzungen dafür. Denken Sie doch
nur an die Ausbildungsmöglichkeiten. Was haben die
Frauen inzwischen erreicht? - Mehr Mädchen als Buben
besuchen weiterführende Schulen. Mehr junge Frauen
als junge Männer haben erstmals in diesem Semester
ein Studium an den bayerischen Universitäten begonnen.
Mehr als 50% der Studienanfänger sind Frauen.
Das ist doch toll. Sagen wir doch: "Für diese Frauen
beginnt eine positive Zukunft." Ich könnt noch viele
andere Bereiche aufzählen, wo wir etwas erreicht haben.
Machen wir doch Mut. Arbeiten wir doch daran, strukturelle
und auch andere Schwierigkeiten abzubauen. Der
Präsident schickt mir ein Rotzeichen. Ich muss leider
aufhören.
(Beifall bei der CSU)
Präsident Böhm: Der Präsident schickt keine Drohzeichen,
sondern Zeitzeichen.
(Zuruf von der SPD: Rotzeichen! - Heiterkeit bei der
SPD)
- Ach, Rotzeichen. Ich habe Drohzeichen verstanden.
Nächste Rednerin ist Frau Kollegin Dr. Kronawitter.
Frau Dr. Kronawitter (SPD): Herr Präsident, Kolleginnen
und Kollegen! Frauen sind keine besseren Männer.
Daran habe ich mich zu Beginn Ihrer Rede erinnert
gefühlt, Frau Kollegin Fickler.
(Beifall bei der SPD)
7612 - Bayerischer Landtag · 14.Wahlperiode Plenarprotokoll 14/105 v. 10.12.2002
Sie haben mit Ihren Ausführungen wirklich unter die Gürtellinie
geschlagen. Das dient der Sache der Frauen
wahrlich nicht.
(Beifall bei der SPD und beim BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN)
Frau Kollegin Prof. Männle, Sie haben sehr eingehend
darüber gesprochen, dass Frauen die Wahlfreiheit zwischen
Familie und Beruf bekommen sollen. Ich darf
Ihnen sagen: Ich, als Person, habe diese Wahlfreiheit
nutzen können, und ich stehe auch dazu, dass ich sie
jahrzehntelang genutzt habe. Aber - und jetzt kommt
das Aber - Tatsache ist, dass in Bayern derzeit fast 70
von 100 Frauen im erwerbsfähigen Alter berufstätig sind.
Das heißt, für diese Frauen stellt sich die Frage der
Wahlfreiheit offensichtlich nicht. Sie sollen oder wollen
den Beruf ausüben.
(Hofmann (CSU): Was wollen Sie denn dann?)
- Ich will Ihnen sagen, was ich meine. Eine erwerbstätige
allein Erziehende kann sich nicht überlegen, ob sie
zu Hause bleibt. Das ist der Punkt.
(Frau Radermacher (SPD): Sie muss arbeiten!)
Unter diesen von mir genannten 70 Frauen sind sehr
viele genau in dieser Situation. Wir stellen also fest, dass
viele Frauen im Erwerbsleben die Vereinbarkeit von
Familie und Beruf zu bewerkstelligen haben. Sie müssen
überlegen, wie sie es machen, um Kinder und Familie
auf die Reihe zu bekommen. Im beruflichen Alltag müssen
sich viele Frauen fragen, warum bei ihnen die Familie
für die Karriere noch immer hinderlich ist, für die Männer
hingegen nicht.
(Beifall bei der SPD und beim BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN)
Im beruflichen Alltag warten diese Frauen auch auf die
Antwort, warum Frauen trotz guter, ja sehr guter Qualifikation, beruflich so schwer vorwärtskommen, jedenfalls
schwerer als ihre männlichen Kollegen.
Es gibt noch eine weitere Tatsache, über die wir nachdenken
müssen: Am Monatsende erfahren viele Frauen
immer noch einen Unterschied, wenn sie auf den
Gehaltszettel schauen. Sie verdienen in vergleichbaren
Tätigkeiten rund ein Viertel weniger als ihre männlichen
Kollegen. Sie verdienen weniger, obgleich nach dem
Gesetz der Grundsatz "gleicher Lohn für gleiche Arbeit"
gilt.
(Beifall der Abgeordneten Lück (SPD))
Es stimmt also noch immer etwas nicht mit der tatsächlichen
Chancengleichheit von Frauen im Berufsleben.
Politik und Tarifvertragsparteien sind aufgefordert zu
handeln. Ich pflichte Frau Kollegin Männle wirklich bei:
Nicht alles kann von der Politik gemacht werden.
Politik beeinflusst aber ganz wesentlich die gesellschaftliche
Einschätzung und die Diskussion in der Gesellschaft
über bestimmte Probleme.
(Beifall bei der SPD und beim BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN)
Wir müssen es als Skandal empfinden, dass 36% der
Personalchefs die Verbindung von Frauen und Kindern -
wenn Mütter erwerbstätig sind - als problematisch ansehen.
Daran ist unter anderem sichtbar, warum Frauen
schwerer vorankommen.
Für uns ist es untragbar, dass die Einkommensdifferenz
zwischen Männern und Frauen bei vergleichbaren Tätigkeiten
25% beträgt. Diese Differenz - dazu gibt es
exakte Studien - steigt mit wachsender Quali.zierung
und mit der Dauer der Erwerbstätigkeit. Daran wird noch
einmal Ungerechtigkeit deutlich.
Wir brauchen in Bayern eine Strategie, die diese
Benachteiligungen abzubauen hilft. Diese Strategie wird
von der EU-Kommission und von den Mitgliedsländern
gefordert. Bayern muss jetzt in die Gänge kommen und
seinen Beitrag dazu leisten.
(Beifall bei der SPD und beim BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN)
Wir wünschen uns - und wir brauchen dieses auch - von
der bayerischen Frauenministerin in Sachen Frauenförderung
in der Privatwirtschaft noch mehr Impulse. Wir
brauchen eine aktivere Unterstützung bei der Umsetzung
der Vereinbarkeit zwischen der Bundesregierung
und den Spitzenverbänden der Wirtschaft zur Förderung
der Chancengleichheit in der Wirtschaft. Wir müssen
mithelfen, dass Unternehmen erkennen: Frauenfreundlichkeit,
Familienfreundlichkeit ist wettbewerbsförderlich.
(Beifall bei der SPD und beim BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN)
Präsident Böhm: Jetzt hat die Frau Kollegin Dodell das
Wort.
Frau Dodell (CSU): Herr Präsident, liebe Kolleginnen
und Kollegen! Frau Kollegin Lochner-Fischer versucht,
hier ein Bild zu malen, dass die CSU die Frauen zurück
an den Herd drängt. Sie versucht, ein Bild von einem hinterwäldlerischen
Land Bayern zu malen, das es den
Frauen nicht ermöglicht, berufstätig zu sein. Sie versuchen,
ein Bild zu vermitteln, dass Frauen in Bayern massiv
behindert werden, berufstätig zu sein.
(Frau Steiger (SPD): Frau Dodell, Sie haben nicht
zugehört! - Dr. Dürr (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Bayern ist nicht nur die CSU!)
Ich sage Ihnen: Genau das Gegenteil ist der Fall. Die
Wirklichkeit sieht in Bayern ganz anders aus.
(Beifall bei der CSU - Frau Christine Stahl (BÜNDNIS
90/DIE GRÜNEN): Das stimmt zwar, aber nicht
wegen euch!)
Frau Kollegin Dr. Kronawitter, Sie haben zu Recht
gesagt, in Bayern arbeiten circa 68 bis 70% der Frauen
- auch mit Kindern. Das ist die Wirklichkeit. Die Frauen
7613 - Plenarprotokoll 14/105 v. 10.12.2002 Bayerischer Landtag · 14.Wahlperiode
gehen nicht zurück an den Herd, sondern viele Frauen
bei uns arbeiten.
(Dr. Dürr (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Trotz Förderpolitik!
Nicht wegen Eurer Politik!)
Viele tun das aufgrund ihrer persönlichen Wahlfreiheit.
Sie haben sich dafür entschieden. Ich sage dazu: Wir
sehen die Realität. Viele Frauen stehen heute unter
einem großen Druck. Die Mieten sind hoch, viele
Lebensstandards sind zu erfüllen.
(Dr. Dürr (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Die Kinderbetreuung
ist schlecht!)
Davor machen wir die Augen nicht zu. Wir stehen ganz
klar für die Wahlfreiheit der Frauen.
(Dr. Dürr (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ihr tut
nichts dafür!)
Wir sollten nicht polemisch agieren wie Sie, sondern wir
sollten gemeinsam versuchen, die Rahmenbedingungen
zu verbessern, damit diese Wahlfreiheit auch gewährleistet
ist.
(Beifall bei der CSU)
Bei Ihnen - und das ist nicht nur mein Eindruck - hat
eine Frau, die sich der Erziehung und der Familie widmet,
überhaupt keinen Stellenwert mehr.
(Frau Dr. Kronawitter (SPD): Das ist doch nicht
wahr!)
Sie wollen Staat, Staat und nochmals Staat. Ihr eigener
Generalsekretär beansprucht mit einer Kulturrevolution,
wie er das nennt, die Lufthoheit über den Kinderbetten.
Genau das wollen Sie.
(Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD)
Wir wollen eine echte Wahlfreiheit. Wir sind eine liberale
Partei, die versucht, die Rahmenbedingungen dafür zu
schaffen.
(Zuruf der Frau Abgeordneten Steiger (SPD) -
Dr. Dürr (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Seit wann
seid ihr liberal?)
- Das sind wir, schauen Sie genau hin.
Wir sind eine Partei, die dafür sorgt, dass die Erziehungstätigkeit
tatsächlich aufgewertet wird. Sie hätten
doch auf Bundesebene die Möglichkeit, das Familiengeld
einzuführen, und damit die Erziehungstätigkeit der
Frauen aufzuwerten.
(Beifall bei der CSU - Frau Lück (SPD): Ohne zu
sagen, woher es kommen sollen!)
Wir wollen die Rahmenbedingungen für eine .exible
Arbeitswelt schaffen.
(Zurufe von Abgeordneten der SPD)
- Hören Sie doch einmal zu.
(Frau Steiger (SPD): Warum sind Sie gegen die
Grundsicherung?)
Ihr Gesetz, das den Teilzeitanspruch regelt, war für die
Frauen in der Arbeitswelt eher kontraproduktiv als hilfreich.
Wir wollen die Arbeitsbedingungen für eine .exible
Arbeitswelt und eine .exible Kinderbetreuung schaffen,
die den Frauen hilft, eine Entscheidung im Rahmen ihrer
Wahlfreiheit zu treffen.
Wir hatten im vorigen Jahr eine Anhörung zum Thema
Familie und Arbeitswelt. Wir hatten interessante Gespräche
mit Unternehmern geführt, die uns geschildert
haben, welche Anstrengungen sie von sich aus - im
Übrigen ohne Staat und ohne Zuschüsse - unternehmen,
um die Arbeitsbedingungen familienfreundlich zu
gestalten. Das reicht von der Kinderbetreuung bis hin zu
Telearbeitsplätzen, Schulungsmaßnahmen und .exiblen
Arbeitszeiten. Da ist viel auf dem Weg. Diese Arbeitgeber
haben die interessante Erfahrung gemacht, dass das
nicht nur für ihre Mitarbeiterinnen gut ist und zur Zufriedenheit
und Motivation beiträgt, sondern sie haben auch
die Erfahrung gemacht, dass das für sie selbst gut ist.
Sie finden eine ausreichende Zahl von Arbeitskräften.
(Frau Werner-Muggendorfer (SPD): Das ist ganz
neu!)
Das ist auch gut für die Stellung im Wettbewerb. Das
müssen viele unserer Arbeitgeber noch verinnerlichen.
Deshalb ist der Frauenförderpreis, den das Sozialministerium
ausreicht und das ausgezeichnete Beispiele aufzeigt,
sehr hilfreich.
(Frau Steiger (SPD): Wenn man Frauen auszeichnet,
dann hat man es geschafft?)
Sie werden sehen, meine Damen und Herren von der
Opposition, die demogra.sche Entwicklung, angesichts
der wir davon ausgehen, dass in den nächsten Jahrzehnten
25 bis 35% weniger Arbeitskräftepotenzial zur
Verfügung steht, wird dazu führen, dass noch mehr
Frauen im Arbeitsmarkt benötigt werden. Die Frauen
werden für den Arbeitsmarkt noch attraktiver werden.
Deswegen müssen wir nach .exiblen Bedingungen
schauen.
Lassen Sie mich zum Schluss noch einmal grundsätzlich
sagen: Wir wollen, dass sich die Frauen entscheiden
können, dass die Familienarbeit aufgewertet wird, damit
sie in unserer Gesellschaft den Stellenwert bekommt,
der ihr gebührt. Wir wollen, dass die Arbeitswelt und die
Kinderbetreuung .exibel werden.
(Frau Lück (SPD): Und was tun Sie dafür? - Frau
Biedefeld (SPD): Tun Sie es doch endlich!)
Wir wollen nicht nur den Ruf nach Krippenplätzen hören,
wie Sie ihn tagtäglich durch die Zeitungen jagen. Lassen
Sie es uns gemeinsam anpacken.
(Beifall bei der CSU)
7614 - Bayerischer Landtag · 14.Wahlperiode Plenarprotokoll 14/105 v. 10.12.2002
Präsident Böhm: Jetzt hat die Frau Kollegin Förstner
das Wort.
Frau Förstner (SPD): Herr Präsident, Kolleginnen und
Kollegen! Unser Anliegen ist, dass alle Frauen in Bayern
gleiche Lebenschancen haben, ganz gleich, wo sie wohnen.
(Beifall bei der SPD)
Gleiche Chancen heißt, einer Arbeit, einer Erwerbstätigkeit
nachgehen zu können, wenn Frauen aus familiären
und/oder materiellen Gründen darauf angewiesen sind
oder das aus persönlichen Gründen wollen.
Präsident Böhm: Entschuldigen Sie, dass ich Sie kurz
unterbreche: Namentliche Abstimmung wird zu diesem
Punkt beantragt. Wegen der Viertelstunde Differenzzeit
weise ich darauf hin. Entschuldigen Sie, Frau Förstner.
Frau Förstner (SPD): - Das macht nichts.
Auch wir sind für Wahlfreiheit, aber für eine wirkliche. Die
Frauen müssen sich wirklich entscheiden können. Wie
sieht es denn da bei uns aus? Inwieweit sind denn die
Chancen für Frauen in Bayern gleich?
Festzustellen ist, dass wir bei Frauen im Alter zwischen
20 und 40 Jahren eine der geringsten Beschäftigungsquoten
in Bayern haben. Das Alter zwischen 20 und 40
ist die Zeit, in der die Kinder klein sind und zur Schule
gehen, also betreut werden müssen. Der Zusammenhang
mit fehlenden oder unzureichenden Kinderbetreuungseinrichtungen
ist evident.
(Beifall bei der SPD und beim BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN)
Familie und Berufsausübung sind für viele immer noch
nicht gleichzeitig zu vereinbaren. Ob Bayerns Frauen
ausreichende Kinderbetreuungsmöglichkeiten zur Verfügung
stehen, hängt letztlich davon ab, wo sie leben.
Wohnen sie in größeren und damit auch in reicheren
Gemeinden, stehen ihnen bessere Kinderbetreuungsmöglichkeiten
zur Verfügung als auf dem flachen Land.
Beispielsweise gibt es im Landkreis Regensburg Horte,
also Ganztagsbetreuung, nur in wenigen größeren oder
stadtnahen Gemeinden; Ganztagsbeschulung gibt es
nirgendwo im Landkreis. Frauen aus den entfernter liegenden
Orten ist es auch wegen des unzureichenden
ÖPNV-Angebotes auf dem .achen Land unmöglich, ihre
Kinder dort unterzubringen, wo sie den ganzen Tag
betreut oder beschult werden können. Wenn der Freistaat
die Kommunen in der Vergangenheit nicht immer
stärker belastet hätte, wäre es auch für die ärmeren
Gemeinden leichter gewesen, entsprechende Einrichtungen
zu schaffen.
(Beifall bei der SPD und beim BÜNDNIS
90/DIE GRÜNEN)
Gleiche Chancen für Frauen in Bayern gibt es auch für
diejenigen nicht, die nach einer langen Familienphase
wieder in die Erwerbstätigkeit einsteigen wollen. Wenn
Frauen außerhalb der Ballungsräume leben, ist es für sie
viel schwieriger, sich nach einer langen Familienphase
wieder in das Berufsleben einzugliedern. Zwar stehen
Mittel aus dem ESF-Ziel 3 und auch nach dem SGB III
für Wiedereingliederungsmaßnahmen zur Verfügung,
aber echte berufsquali.zierende Maßnahmen gibt es im
Verhältnis zu Orientierungsmaßnahmen und Beratungshilfen
nur wenige. Da sollte man die Mittel etwas anders
einsetzen.
(Beifall bei der SPD und beim BÜNDNIS
90/DIE GRÜNEN)
Der Erfolg von zwei beruflichen Quali.zierungsmaßnahmen,
zum einen in Ansbach und zum anderen in Straubing,
zeigt, wie wichtig berufliche Quali.zierung ist. In
Straubing liegt die Rückkehrquote zwischen 70 und
90%, und in Ansbach haben 50% der Frauen bereits
feste Zusagen für Anstellungen erhalten, obwohl die
Maßnahme noch nicht beendet ist.
Ich fasse zusammen: Für Frauen in Bayern gibt es keine
gleichen Lebenschancen, wegen fehlender oder unzureichender
Betreuungsmöglichkeiten für Kinder und
Jugendliche in ländlichen Gebieten, wegen des Problems,
nach einer langen Familienphase nicht wieder in
die Erwerbstätigkeit einsteigen zu können. Ich fordere
die Staatsregierung auf, dem Verfassungsauftrag nachzukommen
und überall in Bayern für gleiche Lebenschancen
der Frauen zu sorgen.
(Beifall bei der SPD und beim BÜNDNIS
90/DIE GRÜNEN)
Präsident Böhm: Nächste Rednerin ist Frau Kollegin
Pongratz.
Frau Pongratz (CSU): Herr Präsident, meine sehr
geehrten Damen und Herren! Für mich als Frau ist Frauenpolitik
nicht nur Kinderbetreuung. Ich möchte noch ein
anderes Thema aufgreifen: Zur Frauenpolitik in Bayern
gehört auch das Ehrenamt. Überall sind Frauen ehrenamtlich
tätig.
(Lachen bei der SPD)
Meine Damen, hören Sie zu. Gute Taten werden hauptsächlich
von Männern gepredigt, aber hauptsächlich von
Frauen getan. Dies sagte Lady Nancy Witcher Astor, die
erste weibliche Unterhausabgeordnete im englischen
Parlament.
(Zahlreiche Zurufe von der SPD)
Rund 1,1 Millionen Menschen in privaten Haushalten in
Deutschland bedürfen regelmäßiger Pflege. 77% von
ihnen, also rund 860000, werden von einer Hauptpflegeperson
versorgt, die fast immer aus der engeren Verwandtschaft
stammt. Über 90% dieser Hauptpflegepersonen
sind Frauen: Ehefrau, Tochter oder Schwiegertochter.
Allerdings sinkt die Bereitschaft der nachwach-
7615 - Plenarprotokoll 14/105 v. 10.12.2002 Bayerischer Landtag · 14.Wahlperiode
senden Generation zur Pflegeübernahme aufgrund
anderer Lebensentwürfe. Zudem sinkt die Zahl der Menschen
mit eigenen Nachkommen, was sich wiederum
auf das P.egepotenzial auswirkt.
Über 25 Millionen Deutsche engagieren sich in ihrer
Freizeit ehrenamtlich. Sie treten freiwillig, unentgeltlich
für andere, für das Gemeinwohl ein. Erfreulich ist, dass
sich überdurchschnittlich viele Jugendliche ehrenamtlich
betätigen. Anlässlich des Tages des Ehrenamtes in der
vergangenen Woche veröffentlichte die "Süddeutsche
Zeitung" Zahlen aus der jüngsten Studie zur Freiwilligenarbeit.
Danach sind 37% der 14- bis 24-Jährigen ehrenamtlich
tätig - von der gesamten Bevölkerung sind es
34%. Was bedeutet dies, meine Damen und Herren?
Diese Menschen leisten jeden Monat über 240 Millionen
Stunden freiwillige und unbezahlte Arbeit. Wirtschaftlich
gesehen entspricht dies einer jährlichen Wertschöpfung
in Höhe von über 24 Milliarden Euro.
(Zuruf von der SPD und vom BÜNDNIS
90/DIE GRÜNEN)
- Bitte, hören Sie mir zu; ich höre Ihnen auch immer zu.
Das Jahr des Ehrenamtes 2001 hat die Bedeutung bürgerschaftlichen
Engagements wieder stärker ins
Bewusstsein der Menschen gerückt. Gemeinsam wurden
Ideen entwickelt und Wege aufgezeigt, wie die
Gesellschaft zugleich menschlicher und leistungsfähiger
werden kann. Die CSU-Fraktion und insbesondere unser
Fraktionsvorsitzender Alois Glück vertreten dieses Konzept
der aktiven Bürgergesellschaft - ein Modell, bei
dem alle gewinnen.
Im November folgten 400 engagierte Bürgerinnen und
Bürger der Einladung zum Fachforum der CSU-Fraktion
"Bürgerschaftliches Engagement und Ehrenamt". Dabei
wurde klar, dass bei den freiwilligen Leistungen der Vereine
und Verbände nicht gespart werden dürfe; denn
Sparen an dieser Stelle würde die Ehrenamtlichkeit in
unserer Gesellschaft entmutigen. Wir brauchen eine
aktive Bürgergesellschaft nicht zuletzt deshalb, weil die
immer komplexer werdenden Probleme vom Staat allein
nicht zu lösen sind. Die Zahl der Selbsthilfegruppen von
Bürgerinnen und Bürgern lösen die Probleme vor Ort
oder bewältigen Lebenskrisen gemeinsam.
Für viele Frauen gehört aktives bürgerschaftliches Engagement
traditionell zur Lebensgestaltung. Dabei gibt es
unterschiedliche Schwerpunkte bei Frauen und Männern.
Der Schwerpunkt bei Frauen liegt in den Bereichen
Soziales, Gesundheit, Kindergärten, Naturschutz.
(Zurufe von der SPD)
Frauen sind aber nicht nur im sozialen Bereich tätig, sondern
natürlich auch in Sportvereinen, in Pfarrgemeinden,
in Umweltverbänden, in der Kultur und in der Politik.
(Zuruf von der SPD: Aber nicht vorne dran!)
Den größten Teil nimmt aber der sozial-karitative Bereich
ein. Dieser Bereich steht vor Sport und Freizeit an der
Spitze der Felder ehrenamtlicher Tätigkeit. Über Dreiviertel
der hier Engagierten sind Frauen.
Zu einer Bürgergesellschaft gehört die volle Gleichberechtigung
von Frauen und Männern. Sie lebt von der
uneingeschränkten Beteiligung und Mitverantwortung in
allen Bereichen.
Die demografische Entwicklung ist schon angesprochen
worden.
Ich komme nochmals zurück zum Ehrenamt. Freiwilliges
Engagement ist auch die Chance für jeden einzelnen,
sich einzumischen und mitzugestalten. Ehrenamtliches
Tun ist für unsere Gesellschaft unverzichtbar. Ehrenamt
und bürgerschaftliches Engagement verdienen deshalb
auch Dank und Anerkennung, vor allem aber auch
Unterstützung.
Präsident Böhm: Jetzt sollten Sie zum Ende kommen,
Frau Kollegin.
Frau Pongratz (CSU): Darf ich noch einen Satz sagen?
- Ein letzter Satz: Für mich gehört zur Frauenpolitik in
Bayern auch die Freiwilligenarbeit von Frauen im Ehrenamt.
Ich wünsche allen Frauen und Männern, die im
Ehrenamt tätig sind, weiterhin viel Freude und Kraft, für
die Allgemeinheit tätig zu sein.
(Beifall bei der CSU)
Präsident Böhm: Jetzt hat Frau Kollegin Biedefeld das
Wort.
Frau Biedefeld (SPD): Herr Präsident, werte Kolleginnen
und Kollegen! Ich finde es bemerkenswert, dass
Frau Ministerin Stewens zumindest den Großteil dieser
Debatte mitverfolgt hat. Das ist schon bemerkenswert.
(Willi Müller (CSU): Nicht nur sie allein war da! Eine
ganze Menge von Kabinettsmitgliedern war anwesend!)
Sie hat wohl die Aussage Ihres Chefs, des Herrn Ministerpräsidenten,
in der letzten Woche nicht gehört. Er hat
von Werten gesprochen, von Werten wie Disziplin und
Pünktlichkeit. Anscheinend ist das bei Ihnen noch nicht
angekommen, Frau Stewens.
(Beifall bei der SPD)
Ich frage mich, ob Sie sich in Ihrer Position - Sie sind
nicht ganz unumstritten - einen derartigen Ungehorsam
überhaupt noch leisten können.
(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten des
BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Ich finde es bemerkenswert, dass es die Frauenministerin
in Bayern herausstellt, dass sie bei der Verleihung
eines Frauenförderpreises speziell die Frauen begrüßt.
Das ist als Ergebnis der Gleichstellungs- und Frauenpo-
7616 - Bayerischer Landtag · 14.Wahlperiode Plenarprotokoll 14/105 v. 10.12.2002
litik in Bayern etwas mager; darauf kann sich Frauenpolitik
allein nicht beschränken.
Ich kann nur stichwortartig einige Beispiele ihrer Frauen- und
Gleichstellungspolitik anführen, zum Beispiel das
Gleichstellungsgesetz, das sehr zahnlos und nicht sehr
zielführend ist und nicht dazu beiträgt, Frauen- und
Gleichstellungspolitik in unserem Land tatsächlich
voranzubringen; das ist Ihr Werk. Der Gleichstellungsbericht
wird immer mit etwas eigenartigen Ausreden verzögert
vorgelegt. Das zeigt wohl, dass Sie ein rein theoretisches
Interesse an einer Frauenpolitik haben. Ich
möchte weiter die - im Gegensatz zur Politik auf Bundesebene
- völlig unzureichende Anwendung des Prinzips
des Gender Mainstreaming ansprechen. Ich möchte
daraus schließen, dass Sie entweder keine Ahnung von
diesem Thema oder kein Interesse an einer besseren
Frauen- und Gleichstellungspolitik in Bayern haben. Ich
spreche weiter die halbherzige Umsetzung des Gewaltschutzgesetzes
an. Ich könnte noch vieles mehr anführen.
Das ist Ihre Frauen- und Gleichstellungspolitik in
Bayern.
Es wäre angesagt, endlich einmal zu handeln und nicht
immer nur, wie Frau Dodell, zu sagen: Wir wollen, wir
wollen, wir wollen.
(Beifall bei der SPD)
Auch Kollegin Männle hat eben nur von Ankündigungen
und davon, was wünschenswert wäre, gesprochen.
Auch wenn es vor Weihnachten die richtige Zeit ist,
Wünsche aufzulisten, wollen wir doch lieber Taten
sehen.
Frau Kollegin Dr. Fickler, was Sie zu Anfang ausgeführt
haben, war schon eine böse, böse Unterstellung.
(Frau Radermacher (SPD): Geschmacklos war
das!)
- Ich greife das auf, Frau Kollegin Radermacher: Das
waren geschmacklose Ausführungen. Sie wissen sehr
wohl, dass die Kollegin Lochner-Fischer seit vielen Jahren
- seit sie Mitglied des Bayerischen Landtags ist - für
die SPD-Fraktion federführend, auch als AsF-Landesvorsitzende,
die Frauen- und Gleichstellungspolitik in der
Fraktion und hier im Hohen Hause vertritt und vorangebracht
hat.
(Lebhafter Beifall bei der SPD)
Dann heißt es immer: Wir wollen die Wahlfreiheit. Darauf
möchte ich gerne eingehen. Heißt Wahlfreiheit, dass
sich Frauen - oder auch Männer - zwischen Familie
oder Beruf entscheiden müssen? - Genau das wollen
wir nicht. Wir wollen keine Wahlfreiheit. Ich möchte mich
auch als junge Frau nicht zwischen Familie und Beruf
entscheiden müssen, sondern ich möchte die Möglichkeit
haben, Familie und Beruf zu vereinbaren. Das ist
unser Ansatz.
(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten des
BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Ich sage ganz klar: Hier wird immer noch versucht,
Frauen zu bevormunden. Sie wollen Frauen vorschreiben,
wie sie ihr Leben, ihr Familienleben, ihre Lebensentwürfe
zu gestalten haben.
(Hofmann (CSU): Das stimmt nicht! - Willi Müller
(CSU): Das lassen die gar nicht zu! - Weitere
Zurufe von der CSU)
- Jawohl. Ich greife ein Beispiel des Herrn Kollegen
Goppel auf: Eine Familie besteht aus Frau und Mann mit
Trauschein und mit Kind oder Kindern. Für uns besteht
eine Familie dort, wo Kinder sind. Das kann auch eine
allein erziehende Mutter oder ein allein erziehender
Vater sein.
(Zahlreiche Zurufe von der CSU)
In Ihrer Familienpolitik gilt eine allein erziehende Frau
wohl als nicht förderwürdig.
(Hofmann (CSU): Da haben wir kein Problem! -
Zahlreiche Zurufe von der CSU)
Sie haben nach wie vor Ihr altes Klischee, das ist nach
wie vor Ihre alte Ansicht von Familienpolitik. Das ist auch
ein wichtiger Grund dafür, warum wir in der Gleichstellungs-
und Frauenpolitik in Bayern nicht weiterkommen.
(Zahlreiche Zurufe von der CSU - Unruhe)
Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Urteil vom
28. Mai 1993 eindeutig festgelegt, dass der Staat für die
Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu sorgen hat und
Frauen nicht gezwungen sein dürfen, sich für das eine
oder andere zu entscheiden. Im Bundesverfassungsgerichtsurteil
ist von Vereinbarkeit, nicht von Wahlfreiheit
die Rede. Setzen Sie dieses Bundesverfassungsgerichtsurteil
doch endlich um.
(Lebhafter Beifall bei der SPD)
Präsident Böhm: Nächste Rednerin ist - - Entschuldigung,
nächster Redner ist Herr Kollege von Rotenhan.
(Zahlreiche Zurufe - Heiterkeit)
Freiherr von Rotenhan (CSU): Herr Präsident, meine
sehr verehrten Damen und Herren! Es darf doch wohl
nicht wahr sein, dass dann, wenn es um die Gleichstellung
von Frauen geht, nur Frauen reden dürfen und wir
Männer gar nichts mehr dazu zu sagen haben.
(Beifall bei der CSU - Zurufe von der CSU: Bravo!)
Auch wenn sich in den ersten fünf Reihen der Opposition
die gesamte Frauenpower der beiden Oppositionsfraktionen
niedergelassen hat,
(Frau Werner-Muggendorfer (SPD): Ihr habt doch
gar keine! - Zahlreiche Zurufe von der SPD und
vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Unruhe)
7617 - Plenarprotokoll 14/105 v. 10.12.2002 Bayerischer Landtag · 14.Wahlperiode
muss ich doch feststellen, dass sich die Männer Ihrer
Fraktion klaglos auf die Hinterbank zurückgezogen
haben und sich offenbar gar nicht trauen, zu diesem
Thema überhaupt noch etwas zu sagen.
(Heiterkeit und Beifall bei der CSU - Frau Steiger
(SPD): Helfen Sie doch einmal!)
Ich bin meinem Kollegen Hofmann sehr dankbar, dass er
dafür gesorgt hat, dass ich hier noch etwas sagen kann.
Sie merken - ich habe kein Manuskript mitgebracht -,
dass ich aus dem Stegreif spreche.
(Unruhe)
Ich gebe offen zu, dass sich mein Familien- und Frauenbild
stark von dem unterscheidet, was Sie heute vorgetragen
haben.
(Beifall bei der CSU - Frau Radermacher (SPD):
Solange wir das nicht übernehmen müssen!)
Ich habe überhaupt kein Problem damit zuzugeben,
dass die Lebensleistung meiner Frau sehr viel größer ist
als meine eigene: Sie hat nämlich sieben Kinder geboren.
Solche Leistungen sollten honoriert werden. Heute
habe ich aus Ihren Ausführungen herausgehört - ich will
das übertrieben formulieren -, dass es die größte Strafe
Gottes ist, dass Frauen Kinder kriegen können.
(Beifall bei der CSU - Frau Werner-Muggendorfer
(SPD): Das ist eine Beleidigung für jede Frau! -
Lebhafte Zurufe von der SPD und vom BÜNDNIS
90/DIE GRÜNEN - Große Unruhe)
Was Sie heute zur Gleichberechtigung von Mann und
Frau vorgetragen haben, ist nichts anderes als eine
Renaissance des Suffragettentums.
(Beifall bei der CSU - Anhaltende Zurufe von der
SPD und vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Sie haben meiner Ansicht nach an den Hauptproblemen
vorbeigeredet; Frau Kollegin Männle ist darauf zu sprechen
gekommen. Heute geht es doch darum, dass
Frauen, die sich dazu bereit erklärt haben, in einer partnerschaftlichen
Gemeinschaft mit ihrem Mann Kinder
groß zu ziehen, nicht benachteiligt werden, wenn sie in
Rente sind.
Vor kurzem hat im politischen Klub der CSU-Fraktion
Prof. Opaschowski einen Vortrag gehalten, der in den
Worten gipfelte - meine Damen und Herren, hören Sie
bitte zu! -: "Kinder nutzen heute denen am meisten, die
keine haben."
(Beifall bei der CSU - Zahlreiche Zurufe von der
SPD)
Das darf doch wohl nicht sein. Keine Ihrer Rednerinnen
ist darauf zu sprechen gekommen. Ich habe Ihren Reden
immer wieder entnommen, dass es für Sie das Selbstverständlichste
ist, dass eine Frau ein Kind bekommt
und anschließend der Staat dafür zu sorgen hat, dass
sich jemand darum kümmert.
(Frau Radermacher (SPD): So ein Schmarrn, so ein
Blödsinn!)
Meine Damen und Herren, ich sage Ihnen - jetzt können
Sie schreien -: Die Frau, die nicht bereit ist, sich wenigstens
in den ersten drei Lebensjahren um ihr Kind zu
kümmern, sollte sich überlegen, ob sie sich ihren Kinderwunsch
erfüllt.
(Lebhafter Beifall bei der CSU - Lebhafter Widerspruch
bei der SPD und beim BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN)
- Mir war klar, dass Sie jetzt schreien werden; das tut
Ihnen weh. Ich kann es nicht ändern, aber einer muss es
Ihnen doch mal erklären.
(Zahlreiche Zurufe von der SPD - Zuruf der Frau
Abgeordneten Gote (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))
Meine Damen und Herren, die Frau, die Kinder erzogen
hat - - Gott sei Dank ist meine Stimme so laut, dass ich
Sie übertönen kann.
Präsident Böhm: Frau Gote, was Sie machen, ist mehr
als nur ein Zwischenruf.
Freiherr von Rotenhan (CSU): Die Frau, die Kinder
erzogen hat, darf doch im Alter nicht schlechter dastehen
als zum Beispiel die Frau, die Professorin geworden
ist. Ich lese, dass 40% der Hochschulabsolventinnen gar
nicht mehr Mutter werden wollen. Es darf doch nicht
sein, dass die Frauen, die Kinder erzogen haben, in der
Rente schlechter gestellt sind als die Frau, die Geld verdient
hat.
(Lebhafter Beifall bei der CSU)
Ich will gar nicht behaupten, dass es bei uns keine Versäumnisse
gegeben hätte. Für die Frau, die sechs, sieben
oder acht Kinder erzogen hat und, wenn sie Bäuerin
ist, von einer landwirtschaftlichen Rente von 450 Euro leben
muss,
(Dr. Dürr (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Keine Diskriminierung
der Landbevölkerung! - Frau Steiger
(SPD): Die Grundsicherung wollten Sie nicht
haben!)
muss es in irgendeiner Form eine Vorabrente geben,
damit sie nicht schlechter gestellt ist als eine Kreissparkassendirektorin
oder die Hochschulprofessorin, die ihr
Geld verdient haben. Es sei ihnen ja von Herzen
gegönnt.
Aber das, was im Moment stattfindet, ist eine Ausbeutung
der Frauen, die Kinder haben, zugunsten derer, die
keine Kinder erzogen haben.
(Beifall bei der CSU)
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich hätte
gerade von den Damen, die so schön hier vorne sitzen,
erwartet, dass sie auf diese Sache einmal zu sprechen
7618 - Bayerischer Landtag · 14.Wahlperiode Plenarprotokoll 14/105 v. 10.12.2002
gekommen wären; so ist es leider mir vorbehalten. Ich
habe gezählt, dass ich allein mehr Kinder in die Welt
gesetzt habe als die Damen der Fraktion der GRÜNEN
zusammen.
(Heiterkeit und Beifall bei der CSU)
Präsident Böhm: Das Wort hat Frau Kollegin Lochner-Fischer.
(Zurufe von der CSU: Oh!)
Frau Lochner-Fischer (SPD): Meine Damen und Herren,
erschreckend war dieser Beitrag des Kollegen von
Rotenhan für uns alle, aber noch erschreckender, meine
Damen und Herren von der CSU ist, dass Sie dem auch
noch Beifall klatschen.
(Beifall bei der SPD und beim BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN)
Das, was hier vor dem Mikrofon des Hohen Hauses
gerade gesagt worden ist, ist schlicht verfassungswidrig.
(Unruhe bei der CSU)
Ich werde Ihnen deshalb im Wortlaut vorlesen, was das
Bundesverfassungsgericht am 28. Mai 1993 aufgrund
Ihrer Verfassungsklage gegen den Paragraphen 218 des
Strafgesetzbuchs beschlossen hat. Ich zitiere:
"Der Schutz des ungeborenen Lebens, der Schutzauftrag
Ehe und Familie und die Gleichstellung von
Mann und Frau in der Teilhabe am Arbeitsleben verpflichten den Staat und insbesondere den Gesetzgeber,
die Grundlagen dafür zu schaffen, dass
Familientätigkeit und Erwerbstätigkeit aufeinander
abgestimmt werden können und die Wahrung der
Familienerziehungsaufgaben nicht zu beruflichen
Nachteilen führt. Dazu zählen auch rechtliche und
tatsächliche Maßnahmen, die ein Nebeneinander
von Erziehungs- und Erwerbstätigkeit für beide
Elternteile ebenso wie eine Rückkehr in eine Berufstätigkeit
und einen beruflichen Aufstieg auch nach
der Kindererziehungszeit ermöglichen."
Herr Kollege von Rotenhan
(Kaul (CSU): Er hat nichts Gegenteiliges gesagt!)
hat in dankenswerter Klarheit genau das Familienbild
gezeichnet, das ich Ihnen schon am Anfang angekreidet
habe. Herr Kollege von Rotenhan, alle Achtung vor Ihrer
Frau: Sie hat nämlich die sieben Kinder auf die Welt
gebracht und erzogen, damit Sie im Landtag tätig sein
können.
(Beifall bei der SPD und beim BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN - Kaul (CSU): Und Ihr Mann arbeitet,
damit Sie im Landtag tätig sein können!)
Wenn Sie sich an der Erziehungsarbeit in gleicher Weise
beteiligt hätten, so wie wir das fordern, wäre Ihre Karriere
innerhalb der CSU mit Sicherheit anders verlaufen,
als sie verlaufen ist.
Ich komme noch einmal auf einen Punkt, der Ihnen
enorm zu gefallen scheint, nämlich das Auseinanderdividieren
von Frauen, die bei ihren Kindern bleiben können,
und anderen, die arbeiten gehen. Sie wissen doch - Sie
haben sogar die Kinder zusammengezählt -, dass bei
der SPD-Fraktion genügend Frauen sind, die ebenfalls
eine längere Zeit Familienarbeit gemacht haben, ohne
gleichzeitig berufstätig zu sein. Sie - ich sage es noch
einmal - reden immer von Wahlfreiheit. Aber die Mehrheit
der Frauen insgesamt und vor allem die Mehrheit
der berufstätigen Frauen hatte nie eine Wahl. Es sei
denn, Sie sagen klar und deutlich wie gerade eben, die
Frau muss sich entscheiden, ob sie berufstätig sein oder
ein Kind bekommen will. Das ist aber verfassungswidrig,
und wir lehnen das ebenfalls ab.
(Beifall bei der SPD)
Wir wollen nämlich Kinder bekommen und haben auch
Kinder. Und wir wollen trotzdem unsere Miete bezahlen
können, und wir wollen trotzdem davon leben können,
und wir wollen trotzdem ein Auto fahren und vielleicht ab
und zu in den Urlaub. Wir sind nicht bereit, uns dieser
Doktrin, die Sie im Land verbreiten, zu unterwerfen und
zu sagen, die Frau muss sich entscheiden, entweder sie
bekommt Kinder oder sie geht arbeiten. In dem Fall wollen
wir das gleiche Recht wie Sie als Mann. Sie haben
Kinder und alles andere auch. Die Mehrheit der Frauen
will dieses endlich auch haben.
(Beifall bei der SPD)
Auffällig an der Diskussion heute war, dass zwar sonst
immer über den Bund geredet wird, aber heute kein einziges
Wort über den Bund verloren wurde. Das hat wohl
seine Gründe. Denn der Bund zahlt. Und dieses sollten
Sie, Frau Ministerin, in Ihre Homepage und sonstigen
Veröffentlichungen bitte auch endlich aufnehmen. Der
Bund zahlt die nächsten sechs Jahre an den Freistaat
Bayern für Kinderbetreuungseinrichtungen 600 Millionen
Euro, die gleiche Summe, die der Freistaat Bayern
selbst aufbringt, wobei Sie immer schamhaft verschweigen,
dass Sie die Hälfte des Geldes des Freistaates
Bayern vorher bei den Kommunen abkassieren.
(Beifall bei der SPD)
Präsident Böhm: Das Wort hat Frau Staatsministerin
Stewens.
Frau Staatsministerin Stewens (Sozialministerium):
Herr Präsident, meine Kolleginnen und Kollegen! Frau
Kollegin Biedefeld, ich möchte eines richtig stellen und
klarstellen: Wir haben immer gesagt, Wahlfreiheit bedeutet
für uns, Erwerbstätigkeit und Familie wählen zu können.
Das, was Sie hier behauptet haben, ist von uns
noch nie in irgendeiner Form gesagt worden. Es heißt
immer: Erwerbstätigkeit und Familie. Das stelle ich noch
einmal klar. Alles andere ist eine Unterstellung.
(Beifall bei der CSU)
7619 - Plenarprotokoll 14/105 v. 10.12.2002 Bayerischer Landtag · 14.Wahlperiode
Bayern hat mit 69% die höchste Erwerbsquote bei den
Frauen in den westlichen Ländern.
(Frau Christine Stahl (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Teilzeit!)
Deshalb können die Rahmenbedingungen für die
Frauen in Bayern gar nicht so schlecht sein. Das möchte
ich Ihnen ganz klar sagen.
(Beifall bei der CSU)
Zum Familienbegriff. Unser Familienbegriff ist eindeutig
definiert. Familie ist da, wo Eltern für ihre Kinder Verantwortung
tragen. Über die elterliche, väterliche und mütterliche
Verantwortung definieren wir die Familie. Das
heißt, dass wir selbstverständlich sehen, dass es sehr
unterschiedliche Formen von Familie gibt, auch viele
alleinerziehende Mütter. Den jeweiligen Lebensbedingungen
tragen wir in unserer Politik Rechnung. Das ist
ganz klar unsere Definition von Familie.
Lassen Sie mich noch kurz etwas zum Gender Mainstreaming
sagen. Gender Mainstreaming kam in den
Konzepten Hartz I und II überhaupt nicht vor. Fast alle
Frauenverbände und Familienverbände haben an den
Bundeskanzler geschrieben, weil es diesen Begriff in der
Arbeitsmarktpolitik überhaupt nicht gibt. Dort müssen wir
aber ansetzen, meine lieben Kolleginnen. Schauen Sie
sich doch einmal das Regierungsprogramm der rot-grünen
Koalition an: Was die Frauenpolitik anbelangt, ist es
ausgesprochen mager. Das möchte ich Ihnen sagen,
nachdem Sie schon darauf verweisen.
(Lachen bei der SPD)
Lassen Sie mich noch eine Richtigstellung vornehmen.
Von dem 313-Millionen-e-Programm gehen 50 Millionen
e in Baukosten und Investitionsförderung. Mit dem
verbleibenden Betrag können bis zu 40% der Personalkosten
gefördert werden.
Wenn man den kommunalen Anteil dazurechnet, dann
muss man den Betrag noch wesentlich erhöhen. Denn
die 313 Millionen e sind ausschließlich Finanzierungsmittel
des Freistaates. Die Kommunen werden gerade
bei den kommunalen Krippen und Horten in den fünf
Jahren um insgesamt 112 Millionen e entlastet.
(Frau Biedefeld (SPD): Das stimmt nicht!)
Ich kenne dieses Programm sehr genau. 40% unserer
Personalkosten haben in dieses Programm Eingang
gefunden. Auch das möchte ich noch einmal ganz klar
sagen.
(Frau Biedefeld (SPD): Sie nennen ständig falsche
Zahlen!)
Ich bin auch der festen Überzeugung, dass wir mit unserer
Frauenpolitik - -
Definieren Sie bitte Frauenpolitik nicht allein über die
Kinderbetreuung.
(Unruhe - Glocke des Präsidenten)
Das war der Schwerpunkt Ihrer Diskussion. Wir definieren
Frauenpolitik über die unterschiedlichsten Bereiche.
(Zuruf der Frau Abgeordneten Biedefeld (SPD))
Wir wollen gemeinsam mit der Wirtschaft ein Arbeitsleben
gestalten, in dem die Frauen einen gerechten Lohn
für ihre Arbeit bekommen und in dem sich die Frauen frei
entscheiden können. Das halte ich für richtig.
In der Bildung und Ausbildung haben die Mädchen
schon längst gleichgezogen. Wenn ich heute auf die
Jugend blicke, dann sehe ich eine sehr selbstbewusste
Jugend und insbesondere selbstbewusste junge Frauen,
die ihre Chancen wahrnehmen wollen. Für uns ist wichtig,
dass wir in diesem Bereich gemeinsam die politischen
Rahmenbedingungen verbessern. In dieser
Beziehung sind wir in Bayern auf einem sehr guten Weg.
(Beifall bei der CSU - Frau Biedefeld (SPD): Ankündigungen!)
Erster Vizepräsident Dr. Ritzer: Die nächste Wortmeldung
kommt von Frau Kollegin Schopper.
(Unruhe)
Meine Herren, etwas mehr Höflichkeit bei der Frauendebatte!
Frau Schopper (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Präsident,
meine Damen und Herren! Ich habe mich wegen
der Ausführungen unseres Kollegen von Rotenhan
gemeldet. Er hat das wahre Gesicht der CSU gezeigt.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei
der SPD)
Er hat gezeigt, dass er Frauen an dem Ort haben will, wo
sie jahrzehnte- und jahrhundertelang von Ihnen hingestellt
wurden. Sie wollen die Frauen an Heim und Herd.
Sie haben über die Benachteiligung bei der Rente
gesprochen. In diesem Punkt könnten wir sogar zusammenkommen.
Wir wollen ebenfalls keine Benachteiligung
der Frauen bei der Rente.
(Zuruf des Abgeordneten von Rotenhan (CSU))
Die CSU muss doch ihre Politik ändern, wenn man sieht,
dass 40% der Akademikerinnen kinderlos bleiben, weil
sie ihren Beruf und ihren Kinderwunsch nicht vereinbaren
können, obwohl sie dies wollen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Deshalb muss die Politik die Weichen stellen. Sie können
sich nicht auf Politik von gestern verlassen, wenn
die Politik von gestern nicht mehr funktioniert. Dabei
können Sie, Ihre Produktivität in allen Ehren, mit vollen
Hosen gut stinken, aber Sie müssen auch anderen Men-
7620 - Bayerischer Landtag · 14.Wahlperiode Plenarprotokoll 14/105 v. 10.12.2002
schen zugestehen, dass es bei ihnen vielleicht nicht
möglich ist.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Wenn Sie sich nicht bewegen, dann werden Sie noch
mehr bei den Frauen verlieren, weil diese halbscharigen
Anwandlungen und was Sie mit deprivierten Frauen - -
Manche Frauen sind allein erziehend und müssen arbeiten.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, es ist nicht
nur so, dass die allein Erziehenden arbeiten müssen,
sondern viele Frauen habe gute Noten, die gute Ausbildung
und den Anspruch, dort hineinzuwollen, wo Sie
Ihre Pfründe haben. Sie wollen Ihnen an den Kragen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei
der SPD)
Das bedeutet: gleicher Lohn für gleiche Arbeit, und das
heißt, dass wir Bedingungen haben müssen, die es uns
Frauen erlauben, in die Chefetagen aufzusteigen. Sie
fürchten, dass man Ihnen den Chefsessel absägt. Das
ist der Dreh- und Angelpunkt, warum Sie sich mit der
Frauenpolitik so schwer tun. Wir Frauen sind nämlich
nicht mehr geduldig und wollen Ihnen nicht mehr den
Steigbügel auf dem Weg zur Macht halten, sondern wir
wollen sie selber.
(Beifall bei der SPD und beim BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN - Kaul (CSU): Das war wenigstens ehrlich!)
Erster Vizepräsident Dr. Ritzer: Weitere Wortmeldungen
liegen mir nicht vor. Die Aussprache ist geschlossen.
Wir stimmen jetzt über den Dringlichkeitsantrag der
SPD-Fraktion auf Drucksache 14/11211 ab. Die Abstimmung
soll in namentlicher Form erfolgen. Für die Stimmabgabe
sind die entsprechend gekennzeichneten Urnen
bereitgestellt.
Verehrte Kolleginnen und Kollegen, in diesem Text muss
das Datum geändert werden. Wo es im 6. Spiegelstrich
auf Seite 2 heißt: - aktive Beteiligung der Staatsregierung
an dem jährlich durchgeführten "Girl‚s-Day", wird
das Datum gestrichen. In dieser Form steht der Antrag
zur Abstimmung.
Die Abstimmungsurnen stehen rechts und links an den
Eingangstüren. Die Urne für die Enthaltungen ist auf
dem Stenografentisch. Mit der Stimmabgabe kann
begonnen werden. Dafür stehen 5 Minuten zur Verfügung.
(Namentliche Abstimmung von 16.45 bis 15.51 Uhr)
Erster Vizepräsident Dr. Ritzer: Verehrte Kolleginnen
und Kollegen, die Zeit für die Abstimmung ist abgelaufen.
Die Stimmabgabe ist beendet. Das Abstimmungsergebnis
wird außerhalb des Plenarsaals ermittelt. Das
Ergebnis kann dann später bekannt gegeben werden.
Wir fahren zwischenzeitlich in der Tagesordnung fort.