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Dokumente aus dem Bayerischer Landtag
Aktuelle Stunde: Politik für Frauen in Bayern
und Behandlung des Dringlichkeitsantrags der Abgeordneten Lochner-Fischer, u.a. SPD
Nachhaltige Politik für Frauen in ganz Bayern (Drucksache 14/11211)
Zu diesem Dokument gehört: dpa 10.12.2002

Hinweis: Die Rede von MdL von Rotenhan (CSU) ist ein Beitrag zu Kinder-Küche-keine Kohle, der an Klarheit nichts zu wünschen übrig lässt.

Bayerischer Landtag Auszug aus Plenarprotokoll 14/105
 10.12.2002

Inhalt:
Aktuelle Stunde gemäß § 75 GeschO auf Antrag der SPD-Fraktion
"Politik für Frauen in Bayern"
(Seite mit Direktsprung)
S. 7603 Frau Lochner-Fischer (SPD)
S. 7605 Frau Dr. Fickler (CSU)
S. 7606 Frau Münzel (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
S. 7608 Frau Staatsministerin Stewens
S. 7609 Frau Steiger (SPD)
S. 7610 Frau Prof. Männle (CSU)
S. 7611 Frau Dr. Kronawitter (SPD)
S. 7612 Frau Dodell (CSU)
S. 7614 Frau Förstner (SPD)
S. 7614 Frau Pongratz (CSU)
S. 7615 Frau Biedefeld (SPD)
S. 7616 Freiherr von Rotenhan (CSU)
S. 7618 Frau Lochner-Fischer (SPD)
S. 7618 Frau Staatsministerin Stewens
S. 7619 Frau Schopper (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Tagesordnungspunkt 13
Aktuelle Stunde
Für die heutige Sitzung war die Fraktion der SPD vorschlagsberechtigt. Sie hat eine Aktuelle Stunde beantragt zum Thema "Politik für Frauen in Bayern".
In die Beratungen beziehe ich den zum Plenum eingereichten Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Maget, Lochner-Fischer, Biedefeld und Fraktion betreffend nachhaltige Politik für Frauen in ganz Bayern - Staatlichen Rahmen zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie richtig setzen (Drucksache 14/11211), ein.

In der Aktuellen Stunde dürfen die einzelnen Redner grundsätzlich nicht länger als fünf Minuten sprechen. Auf Wunsch einer Fraktion erhält eines ihrer Mitglieder zehn Minuten Redezeit. Dies wird auf die Gesamtredezeit der jeweiligen Fraktion angerechnet. Ergreift ein Mitglied der Staatsregierung für mehr als zehn Minuten das Wort, erhält eine Fraktion auf Antrag für eines ihrer Mitglieder zusätzlich fünf Minuten Redezeit. Ich bitte Sie, jeweils auf mein Signal zu achten.


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Die erste Rednerin ist Frau Kollegin Lochner-Fischer. Sie bringt einen 10-Minuten-Beitrag.

(Frau Werner-Muggendorfer (SPD): Es ist kein Mitglied der Staatsregierung da! So wichtig ist die Frauenpolitik in Bayern!)

An sich habe ich das Wort der Frau Kollegin Lochner-Fischer erteilt.

Frau Lochner-Fischer (SPD): Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir stellen mit Bestürzung fest, dass bei einem so wichtigen Thema kein einziges Mitglied der Staatsregierung auf der Regierungsbank Platz genommen hat.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Nicht einmal die zuständige Ministerin .ndet es wert zu kommen, wenn es darum geht, über mehr als die Hälfte der bayerischen Bevölkerung und deren Leben zu diskutieren. Ich halte es, unabhängig von dem, was wir heute noch diskutieren werden und müssen, für einen absoluten Skandal, dass eine Partei wie die CSU das Wort Familie oder Frauenförderung unter solchen Gesichtspunkten in Zukunft überhaupt noch traut sich in den

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Dass Sie sich das als Partei überhaupt gefallen lassen! Sie sollten wirklich einmal mit sich selber ins Gericht gehen und auch mit Ihrer Staatsregierung, was die eigentlich mit Ihnen macht. Das hat auch etwas mit dem Selbstverständnis von Demokratie zu tun. Hören Sie auf mit dieser Vetternwirtschaft mit Ministern und Ministerinnen. Auch Sie haben vor Ort zu verantworten, was in dem Haus passiert, und nicht nur die Staatsregierung.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Sie sind gewählt von der Bevölkerung.

(Glück (CSU): Von was reden Sie denn?)

Wenn Sie es verantworten können, dass wir ein derartiges Thema ohne die Verantwortlichen heute diskutieren, dann sollten Sie dafür auch die Konsequenzen tragen.

(Beifall bei der SPD - Abgeordneter Glück (CSU)

meldet sich zur Geschäftsordnung)

Präsident Böhm: Wir können jetzt keine Zwischenfragen stellen, Geschäftsordnungsantrag bitte nach dem Beitrag.

Frau Lochner-Fischer (SPD): Wir diskutieren heute ohne die zuständige Ministerin über die prinzipielle Benachteiligung - - Herr Glück, Ihre Zeit geht mir ab, und ich brauche sie. Sie können sich nachher zu Wort melden.

(Glück (CSU): Frau Kollegin, von mir aus können wir die Sitzung unterbrechen, bis die Ministerin da ist!)

Präsident Böhm: Das ist Ihre Zeit, Frau Lochner-Fischer, haben Sie gesagt, und deswegen sollten Sie sie nutzen. Bitte.

Frau Lochner-Fischer (SPD): Danke. Es geht heute nicht nur um Kinderbetreuungseinrichtungen, sondern es geht um die prinzipielle Benachteiligung von Frauen, die wir leider immer noch haben und die wir ganz einfach deshalb haben, weil Frauen Kinder bekommen können

(Freiherr von Rotenhan (CSU): Das ist doch ein Glück!)


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und, wenn es so weitergeht, sich daran auch sicherlich nichts ändern wird. Wir erwarten von den Männern nicht, dass sie Kinder bekommen, sondern wir erwarten, dass dieser biologische Unterschied endlich auch gesellschaftlich so anerkannt wird, dass Frauen nicht benachteiligt werden, eben weil sie Kinder bekommen können.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Sie glauben immer noch, dass Sie sich aufgrund der Tatsache, dass wir irgendwann mal schwanger werden könnten, erlauben können, Frauen zurückzusetzen, sie gar nicht erst einzustellen oder nicht zu befördern.

(Hofmann (CSU): So ein Schmarrn! So ein saudummes Geschmarr! Das Geschmarr ist saudumm!)

Dummerweise sprechen gegen das, was Sie als Zwischenrufe machen, die gesellschaftlichen Zahlen. Ich möchte nur einige kleine Hilfestellungen geben, damit Sie vielleicht endlich einmal davon runterkommen, das als Schmarrn abzutun. Unser Problem mit Ihnen ist, dass Sie die Fakten im Land schlicht nicht anerkennen. Sie tun nach wie vor so, als gäbe es diese Benachteiligung nicht, obwohl sie eindeutig und nachweisbar ist. Ich möchte Sie nicht daran erinnern - Ihre Ministerin hat auch diese Zahl -, wie schlimm das nach der Vereinigung war, dass Frauen im Osten sich sogar massenweise haben sterilisieren lassen und mit diesem Zeugnis auf Arbeitssuche gegangen sind. Wenn Sie dann immer noch behaupten, wir hätten keine Benachteiligung, nur weil Frauen Kinder bekommen können, dann können Sie schlicht nicht lesen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD - Hofmann (CSU): So ein Schmarrn!)

Wir müssen diesen Benachteiligungen auf vielfältige Weise begegnen. Die SPD schlägt heute in einem Dringlichkeitsantrag eine ganze Reihe von Maßnahmen vor, wie wir dieser prinzipiellen Benachteiligung auch als Freistaat Bayern sehr schnell und sehr wirksam begegnen können. Ich möchte Sie in diesem Zusammenhang darauf hinweisen, dass auch die Vereinigung der bayerischen Wirtschaft Sie ganz, ganz deutlich immer wieder gemahnt hat in den letzten Monaten, dies abzubauen und dafür Sorge zu tragen, dass Frauen Beruf und Familie wirklich miteinander verbinden können. Die Vereinigung der bayerischen Wirtschaft hat sogar wörtlich geschrieben, dass "das Fehlen von entsprechenden Einrichtungen in Bayern sich zunehmend zu einem Standortnachteil für Bayern entwickelt". Wenn Ihnen das immer noch nicht genügt, dass hier etwas im Argen liegt und dass es nicht nur die SPD ist, die die Wunden aufdeckt, dann weiß ich wirklich nicht, auf wen Sie noch hören.
Ich möchte heute trotz allem auch noch den Blick auf die Kinderbetreuung richten, und zwar unter einem anderen Gesichtspunkt, als Sie es immer tun. In dem Bayern-Sachsen-Bericht, der uns vor einiger Zeit vorlag, stand etwas sehr Drolliges - ich habe den Eindruck, dass dies die Mehrheit der CSU immer noch glaubt -, nämlich dass die zunehmende Selbstständigkeit und das Selbstbewusstsein von Frauen dazu führen, dass Frauen mit der Familie allein nicht mehr ausgelastet sind und deshalb ein anderes Betätigungsfeld suchen und in die Arbeit gehen wollen. Der Bericht schlägt vor, den Frauen eine andere Aufgabe zu geben, damit sie sich die Berufstätigkeit abgewöhnen. Ich rede heute nicht von der kleinen Minderheit von Frauen, die tatsächlich bewusst und gewollt zu Hause bleibt und sagt, sie wolle keine Berufstätigkeit ausüben. Ich rede von der überwiegenden Mehrheit der bayerischen Frauen, die in diesem Lande schon immer in die Arbeit gehen musste und nie die Chance hatte, sich zwischen Familie und Beruf zu entscheiden.

(Beifall bei der SPD)

Hier spielen die tatsächlichen staatlichen Leistungen eine gewaltige Rolle. Folgende Zahlen stammen von Ihrer eigenen Ministerin. Sie streiten sich mit uns darüber, ob wir bei den Kinderkrippen den von uns genannten Deckungsgrad von 1,4% oder einen Deckungsgrad von 3,5% haben, wie die Ministerin sagt. Dies ist den betroffenen Frauen völlig Wurscht, weil 26% der Mütter Kinder unter 3 Jahren haben und berufstätig sind. Das heißt, es fehlen nicht 1 oder 2%, sondern über 20% an Kinderbetreuungsplätzen.

(Beifall bei der SPD)

Das heißt, die Tatsache, dass in diesem Land Familie und Beruf überhaupt vereinbar sind - diese Frauen müssen ja Familie und Beruf vereinbaren -, ist ein Erfolg der Frauen und ihrer Kreativität, was sie mit ihren Säuglingen machen, aber kein Ergebnis staatlicher Politik.

(Beifall bei der SPD)

Denn der Freistaat Bayern hilft diesen Frauen im Moment überhaupt nicht, obwohl sich die Gesellschaft dramatisch geändert hat, wie Sie selber wissen. Die Oma, die, wie bei mir, noch auf das Baby aufpasst - meine Mutter hatte noch eine Oma auf dem Bauernhof und den ganzen Bauernhof dazu, damit ich dort aufwachsen konnte - und einen Bauernhof dazu gibt es heute kaum noch.

(Müller Willi (CSU): Bauernhöfe gibt es schon noch!)

- Ich gebe Ihnen Recht, wir haben noch ein paar Bauernhöfe. Aber das System und die Art und Weise, wie unsere Generationen aufgewachsen sind, die in München, Nürnberg und in anderen Großstädten in die Schule und in die Arbeit gehen konnten, aber trotzdem die kleinen Kinder versorgt wussten, gibt es nicht mehr. Sie können sich das herbeireden oder Heimatfilme anschauen. Die Realität in Bayern ist nicht ein Heimatfilm nach Peter Rosegger. Wir schreiben das Jahr 2002, in dem täglich 26% der Mütter mit Kindern unter drei Jahren in der Frühe die Frage klären müssen, wohin sie den Säugling geben, weil sie in die Arbeit gehen müssen.

(Beifall bei der SPD)


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Wie schlimm die Situation für die Frauen ist, macht die Tatsache deutlich, dass sich in der Zwischenzeit über 12% der Frauen nicht mehr dazu entscheiden, ein Kind zu bekommen, obwohl sie eines möchten, mit der Begründung, dass sie keinen Weg sahen, Kind, Familie und Beruf überhaupt in Einklang zu bringen. Dies in Bayern, einem Land, in dem der Schutz des ungeborenen Lebens immer sehr hoch gehalten wird. Das ist das Ergebnis Ihrer Politik. Wir fordern Sie heute dazu auf, diese Politik endlich zu ändern.

(Beifall bei der SPD und beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Präsident Böhm: Nächste Rednerin ist Frau Kollegin Dr. Fickler. Auch sie nimmt zehn Minuten in Anspruch.

Frau Dr. Fickler (CSU): Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte, liebe Frau Kollegin Lochner-Fischer. Ich bin davon ausgegangen, dass Sie bzw. Ihre Fraktion die Aktuelle Stunde zum Thema "Politik für Frauen in Bayern" unter anderem deswegen beantragt haben, um bei Ihrer künftigen Aufstellungsversammlung erfolgreich zu sein.

(Buh-Rufe bei der SPD)

Aber ich darf Ihnen sagen: Durch diesen Stil, den Sie heute an den Tag gelegt haben, werden Sie die Politik für Frauen in Bayern nicht voranbringen. Ich bedauere dies außerordentlich und wünsche Ihnen für Ihre Versammlung viel Glück; dies meine ich wirklich ernst. Ich bedauere außerordentlich, dass wir durch diese Art und Weise der Diskussion in Bayern die Frauenpolitik in Bayern nicht voran bringen werden.

(Allgemeine Unruhe)

Präsident Böhm: Meine Damen, dies war jetzt genug Frauenpower. Ich bitte wieder um etwas mehr Ruhe.

(Hofmann (CSU): Die Art, wie die Frauen mit Frauen umgehen, ist unerhört! - Weitere Zurufe von der SPD)

Frau Dr. Fickler (CSU): Denn Sie haben hier durch Ihre Art und Weise der Argumentation - ich bedauere das außerordentlich - der Frauenpolitik in Bayern keinen Dienst erwiesen.

(Beifall bei der CSU - Zurufe von der SPD)

Auf einem Kongress, veranstaltet durch das bayerische Wirtschaftsministerium, mit dem Titel "Bayern 2020 - Megatrends und Chancen", der im Oktober des vergangenen Jahres im München stattfand, zeigte der Zukunftsforscher Mathias Horx Megatrends in Gesellschaft und Politik auf. Als ersten Megatrend nannte er die Veränderung der Rolle der Frauen in der Gesellschaft. Aber das ist anscheinend an Ihnen vorübergegangen.

Liebe Frau Kollegin, wir hören öfter, dass das 21. Jahrhundert das Jahrhundert der Frauen wird. Für viele klingt das zunächst merkwürdig, denn im 20. Jahrhundert gab es natürlich auch schon Frauen. Aber der Redner untermauerte seine These durch zwei Beispiele: Erstens, durch den Bereich der Bildung; denn erst der Beginn des 20. Jahrhunderts gab den Frauen das Recht auf Bildung. An dessen Ende sehen wir, dass in den Abiturklassen fast 60% Mädchen sind und dass diese in vielen Bundesländern deutlich bessere Abiturnoten haben. Dass die Pisa-Stude vor allem bei den Buben eine mangelnde Lesekompetenz festgestellt hat, untermauert diese These.

Zweitens be.nden wir uns auf dem Weg zu einer Wissensökonomie, die die Frauen deutlich bevorzugt. Klassische industrielle, auf männliche Erwerbsarbeit basierende Arbeitsplätze werden weniger, gewünschte Qualikationen der Zukunft wie Kommunikationsfähigkeit oder Teamfähigkeit sind klassische weibliche Fähigkeiten. Allein diese zwei Beispiele zeigen, dass wir Frauen wirklich Chancen haben, in diesem Jahrhundert unseren Weg zu gehen. Daher sage ich noch einmal, wir sollen in die Zukunft schauen. Wir sollen unsere Chancen nutzen. Darum hat die CSUArbeitsgruppe der Landtagsfrauen im April dieses Jahres ein Frauenforum in diesem Raum veranstaltet.

(Frau Christine Stahl (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Die Gruppe besteht aus fünf Frauen!)

- Die Gruppe besteht nicht aus fünf Frauen, sondern wir sind 16 Frauen. Das Motto hat geheißen "Frauen gestalten Zukunft".

(Frau Christine Stahl (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Was ist daraus geworden?)

Wir wollen nämlich verdeutlichen, dass nicht rückwärts gewandte Frauenpolitik unser Ziel ist, sondern dass wir Aufgaben anpacken, wo dies notwendig ist.

(Frau Christine Stahl (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Schauen Sie in Ihre eigenen Reihen! Schauen Sie, wie viele Männer dort sitzen!)

Wenn es darum geht, wie Frauen Zukunft gestalten, kann auch heute noch nicht die Frage nach der Gleichberechtigung als abgehakt übergangen werden. Sie wissen auch, liebe Kolleginnen von der SPD- und der GRÜNEN-Fraktion, dass der Grundsatz der Gleichbehandlung von Männern und Frauen in der Bayerischen Verfassung anders als im Grundgesetz nur in Teilbereichen aber nicht umfassend geregelt war. Erst 1998 hat dieses Hohe Haus im Artikel 118 Absatz 2 der Bayerischen Verfassung ausdrücklich die Förderung von Frauen als Staatsziel verankert.

(Frau Werner-Muggendorfer (SPD): Wer war ausschlaggebend?
- Gegenruf des Abgeordneten Ach (CSU): Das Hohe Haus insgesamt!)


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Dass die normative Gleichberechtigung inzwischen generell und umfassend umgesetzt ist, wissen wir alle. Dass es in der Praxis De.zite gibt, wissen wir auch. Den alleinigen Schwerpunkt, den Sie gesetzt haben, würde ich aber so nicht sehen. Es gibt De.zite: Wir haben zu wenige Frauen in Führungspositionen und in den Gremien. Der Verdienst von Frauen liegt immer noch unter dem von entsprechend ausgebildeten Männern. Hier besteht Nachholbedarf. Ich sehe eine Aufgabe von Politikern und Politikerinnen auch darin, auf diese De.zite zu verweisen, die wir aber ohne Bewusstseinsänderung in unserer Gesellschaft nicht werden abschaffen können.

(Frau Werner-Muggendorfer (SPD): Wie schaffen wir es?)

Abschließend möchte ich festhalten, dass sich die Situation von Mädchen und Frauen in Bayern in den letzten Jahren weiter verbessert hat. Auf diesem Wege fortzufahren, muss das Anliegen des ganzen Hohen Hauses, Männern wie Frauen zusammen, in Partnerschaft sein.

(Beifall bei der CSU)

Präsident Böhm: Die nächste Rednerin ist Frau Kollegin Münzel. - Auch zehn Minuten.

Frau Münzel (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Die Politik für Frauen in Bayern leidet unter den rückständigen gesellschaftlichen Vorstellungen der CSU: Vater - Mutter - Kind.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Teilen der SPD)

Vater sorgt für das Einkommen, Mutter sorgt für das Kind -, das ist immer noch das Idealbild der CSU, an der sie ihre Politik ausrichtet.

(Willi Müller (CSU): Das glauben Sie doch selbst nicht!)

Frauen werden bei Ihnen in erster Linie über die Mutterrolle definiert. Aber, wo Kinder sind, sind auch Väter.

(Hofmann (CSU): Na so was!)

Es ist Zeit, dass sie diese Rolle annehmen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Teilen der SPD)

Vereinbarkeit von Beruf und Familie ist nicht allein Frauensache, es ist im gleichen Maße - ich wiederhole: im gleichen Maße - Männersache.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Teilen der SPD)

Frauen, als vom Ehemann und vom Staat unabhängige, selbstbestimmte Menschen, diese Vorstellung ist der CSU suspekt. Dies zeigte sich zum Beispiel sehr deutlich in der heftigen Debatte zum Paragraphen 218 des Strafgesetzbuches, als die CSU im bayerischen Sonderweg festlegte, dass nur die Frauen einen Beratungsschein erhalten, die - zwangsberaten - auch den Grund für den Schwangerschaftsabbruch angeben. Was haben Sie damals die Frauen schikaniert mit Ihrer unsäglichen Debatte, mit Ihren Bevormundungen und auch mit Ihrer Weigerung, spezialisierte Praxen zuzulassen. Letzteres ist übrigens auch insofern unverantwortlich, weil Sie damit die Gesundheit und das Leben von Frauen aufs Spiel gesetzt haben.

Diese Haltung, Kolleginnen und Kollegen, kam bei den Frauen außerhalb Bayerns aber gar nicht gut an. Dass Stoiber die Wahl verloren hat, das war die Rache der Frauen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Teilen der SPD - Freiherr von Rotenhan (CSU): Jetzt wissen wir es!)

Frauenpolitik wird in Bayern auf Spar.amme gekocht. Es gibt keine frauenpolitische Offensive vonseiten der Staatsregierung. Frauenpolitische Initiativen der Opposition werden blockiert, und nur im äußersten Notfall, wenn es gar nicht anders geht, wird etwas getan - allerdings lediglich das Allernötigste.

(Frau Werner-Muggendorfer (SPD): Sehr konservativ!)

So war Bayern das letzte Bundesland, das ein Gleichstellungsgesetz verabschiedet hat. Es ist allerdings eines ohne Biss, ohne Quote, ohne Sanktionen. In diesem Gleichstellungsgesetz ist im Übrigen verankert, dass alle drei Jahre ein Bericht über die Durchführung des Gleichstellungsgesetzes gegeben werden muss.

(Frau Lochner-Fischer (SPD): Wo ist der Bericht?)

Dieser Bericht ist sozusagen das Kontrollinstrument für den Erfolg oder Misserfolg des Gesetzes. Kein einziges Mal ist es der Staatsregierung gelungen, den Bericht termingerecht vorzulegen. Jedes Mal werden fadenscheinige Argumente vorgebracht. Diesmal ist es die große Anzahl der Fragebögen, die ausgewertet werden müssen.

(Frau Werner-Muggendorfer (SPD): Man stelle sich das vor!)

So viel zu dem Thema, wie ernst die Staatsregierung die Gleichstellungspolitik nimmt. Was soll man von einem Ministerium für Frauen halten, das einen Zwischenbericht über den Stand der Auswertung zur Vorlage des Berichts über die Durchführung des bayerischen Gesetzes zur Gleichstellung von Frauen und Männern vorlegt und schreibt - ich zitiere: Bemerkenswert sei auch, dass 108 kreisangehörige Gemeinden ohne gesetzliche Verp.ichtung einen Gleichstellungsbeauftragten und 102 kreisangehörige Gemeinden einen Ansprechpartner hätten. Bemerkenswert ist, dass der Vertreter des Frauenministeriums in der männlichen Form über eine Gruppe redet


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und schreibt, in der die Frauen in der Mehrzahl sind, und zu einem Thema, das die Gleichstellung zum Inhalt hat.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Teilen der SPD)

Sprache drückt Bewusstsein aus und formt auch das Bewusstsein. So viel also zum Bewusstsein im Frauenministerium. Deshalb sage ich: Frauenpolitik ist und bleibt ein Stiefkind der Staatsregierung.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Teilen der SPD)

Das zeigt sich auch beim Umgang mit Gender Mainstreaming. Dieser neue Ansatz für Gleichstellungspolitik kommt von der EU, kann also nicht ganz ignoriert werden - denkt man wenigstens. Aber, auch hier wird auf Sparflamme gekocht. Nachdem die GRÜNEN ein Antragspaket dazu vorgelegt hatten, raffte sich die CSU zu einem eigenen, aber sehr mageren Antrag auf. Es sollen Schulungsveranstaltungen statt.nden, geschlechtsspezifische Daten erhoben werden, und das Gesundheitswesen soll in das Blickfeld genommen werden. Das Thema Gesundheit ist wichtig, sich aber nur auf das eine Thema bei Gender Mainstreaming zu beschränken, ist zu wenig. Gender Mainstreaming bedeutet, dass alle Maßnahmen daraufhin überprüft werden, welche Auswirkungen sie auf Frauen und Männer haben. Deshalb müssen alle staatlichen Stellen verp.ichtet werden, Gender Mainstreaming umzusetzen und zumindest ein Pilotprojekt durchzuführen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die Frauenpolitik ist also ein ungeliebtes Kind bei der Staatsregierung. Von einer frauenpolitischen Offensive ist nichts zu hören. Wobei es noch viel zu tun gibt. Handlungsbedarf besteht zum Beispiel beim Interesse der Mädchen an den Naturwissenschaften und der Technik. Auch hier nur zögerliche Bewegung bei der CSU. Jetzt soll die Staatsregierung ersucht werden, eine Konzeption mit dem Ziel zu entwickeln, dass junge Frauen sehr viel häu.ger als heute technisch oder naturwissenschaftlich geprägte Berufe ergreifen. Sie wird ersucht, ein Konzept zu entwickeln. Die Konzeption kann die Staatsregierung abschreiben, sie liegt schon jahrelang vor. Aber anstatt vorurteilsfrei im Interesse der Frauen zu handeln, hat die Staatsregierung in der Vergangenheit ihre Energie darauf verschwendet, zu versuchen, nachzuweisen, dass unsere Forderungen nicht notwendig oder nicht sinnvoll seien. Nach Jahren ist sie offensichtlich darauf gekommen, dass unsere Vorschläge durchaus Sinn machen. Welch eine Vergeudung von Zeit und Energie - und das alles zum Schaden der jungen Frauen.

Am 8. Mai kommenden Jahres .ndet übrigens der Girl's Day - der Mädchenzukunftstag - statt. Dieser Tag bietet eine hervorragende Chance, Mädchen einen Einblick in die Arbeitswelt ihrer Eltern zu geben, den Horizont ihres Berufswahlspektrums zu erweitern, Vorurteile auszuräumen und Mädchen für neue und techniknahe Berufsfelder zu interessieren. Eine weitere Idee von uns: Wir fordern die Staatsregierung auf, die Durchführung des Girl's Day nicht nur an einem Projekt, wie das in den vergangenen Jahren der Fall war, sondern aktiv zu unterstützen und darauf hinzuwirken, dass die bayerischen Behörden, Landesämter und Forschungseinrichtungen mit Angeboten für Schülerinnen an diesem Tag teilnehmen. Die Kultusministerin soll die Schulleitungen informieren und diesen Tag als schulische Veranstaltung deklarieren.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Unabhängig von noch bestehenden Problemen ist es den Mädchen und jungen Frauen in den letzten Jahren aber gelungen, in der schulischen Bildung enorm aufzuholen. Es gibt mehr Abiturientinnen als Abiturienten. Die Noten der Mädchen sind besser als die der Buben, und Mädchen bleiben weniger häu.g sitzen. Die Mädchen haben sich also optimale Startchancen erkämpft. Danach aber wird es schwierig im Beruf und schwierig beim Studium. An den Universitäten nimmt der Frauenanteil stetig ab, je höher man in der Hierarchie kommt. Darüber haben wir an anderer Stelle schon häu.g debattiert. Herr Staatsminister Zehetmair, ich bin der Meinung, es reicht nicht aus, dass Sie einen geharnischten Brief an die Universitäten schreiben. Es ist zwar ein Anfang, wenn Sie gewissermaßen sagen, was Sache ist, aber ich glaube, wir werden nur dann Erfolg haben, wenn die Frauenförderung mit .nanziellen Anreizen verknüpft wird. Die Juniorprofessur wäre hier auch eine Möglichkeit, um jungen Wissenschaftlerinnen den Weg zu öffnen. Außerdem brauchen wir an den Hochschulen optimale Kinderbetreuungsmöglichkeiten.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Zum Arbeitsmarkt. Warum vergeben wir öffentliche Aufträge und Subventionen nicht an Betriebe, die auch Frauenförderung als Ziel ihres Unternehmens de.nieren? Dass dies möglich ist, hat Ihnen mein Kollege Dr. Runge einmal von diesem Redepult aus vor Augen geführt. Der Frauenförderpreis der Staatsregierung ist zwar nett, Frau Ministerin, aber er reicht nicht aus. Bei der letzten Verleihung des Förderpreises haben Sie, Frau Ministerin, in Ihrer Begrüßung gesagt, Sie würden sich freuen, dass Sie so viele Frauen begrüßen dürfen. Diese Aussage hat mich schon etwas irritiert, schließlich wurde doch der Frauenförderpreis verliehen.

(Heiterkeit beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Kolleginnen und Kollegen! Die Frauenpolitik der Staatsregierung orientiert sich an einem rückständigen Frauenbild. Sie ist viel zu zögerlich und reagiert allenfalls auf nicht mehr zu übersehende Entwicklungen. In Bayern brauchen wir eine frauenpolitische Offensive. Die Frauen haben ohne Zweifel viel erreicht, am Ziel sind wir aber noch lange nicht.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)


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Präsident Böhm: Jetzt hat Frau Staatsministerin Stewens ums Wort gebeten.

Frau Staatsministerin Stewens (Sozialministerium): Herr Präsident, meine Kolleginnen und Kollegen! Frau Kollegin Münzel, es hat Sie erstaunt, dass ich bei der Verleihung des Frauenförderpreises gesagt habe, es sei schön, dass ich so viele Frauen im Kaisersaal der Residenz begrüßen kann. Ich habe einleitend gesagt: Normalerweise sind im Kaisersaal überwiegend Männer. Es freut mich, dass ich heute einmal so viele Frauen begrüßen kann. Das waren meine einleitenden Worte. Soviel zu Ihrem besseren Verständnis.

(Frau Christine Stahl (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Die konnten Sie nur begrüßen, weil wir so viele Frauen haben!)

- Die konnte ich begrüßen, weil wir den Frauenförderpreis vergeben haben. So ein Schmarrn! Das war eine Veranstaltung des Sozialministeriums zur Auslobung des Frauenförderpreises in der Wirtschaft. Deswegen konnten wir so viele Frauen begrüßen.

(Frau Biedefeld (SPD): Haben Sie nichts anderes zu berichten als von der Begrüßung im Kaisersaal? - Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Kasperltheater!)

- Nehmen Sie es doch auch mit ein bisschen Humor, wenn Sie merken, dass Sie danebengegriffen haben. Frau Kollegin Lochner-Fischer, Sie haben uns angelastet, dass wir uns in Bayern über die Kinderkrippenquote streiten. Wir haben uns nie gestritten. Wir haben schlicht und einfach gesagt, 3,5% sind nach unseren Erhebungen der Stand der vorhandenen Betreuungsplätze für Kinder unter drei Jahren.

(Dr. Dürr (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das geben Sie uns jetzt schriftlich!)

- Sie haben es von mir auch schriftlich, und Sie wissen ganz genau, dass die Zahlen stimmen. Die Tagespflege ist eingerechnet.

(Frau Werner-Muggendorfer (SPD): Aber nirgendwo nachweisbar!)

Ich halte es für ausgesprochen richtig und wichtig, dass man bei der Kinderbetreuung die Tagespflege für die unter Dreijährigen miteinrechnet. Ich komme gleich noch auf Ihre 26%. Sie haben recht, dass 26% derjenigen Frauen, die Kinder unter drei Jahren haben, erwerbstätig sind. Darin besteht gar keine Frage. Ich halte es aber für falsch, daraus zu schließen, dass alle diese 26% eine Kinderbetreuung für unter Dreijährige brauchen. Wir haben im letzten Jahr bei allen Jugendämtern in den Landkreisen und kreisfreien Städten eine Erhebung durchgeführt. Dabei wurde bayernweit ein Bedarf in Höhe von 7 % ermittelt.

(Frau Radermacher (SPD): Es wäre schön, wenn wir das schon hätten!)

Ein Bedarf von 7% bayernweit bedeutet, dass in München 25 bis 30% der betroffenen Mütter eine Kinderbetreuung brauchen. Bayern ist aber ein Flächenstaat und auf dem Land wie zum Beispiel in meinem Landkreis im südlichen Bereich ist der Bedarf ganz anders als in den Ballungsräumen. Das sehen wir jetzt auch bei unserem 313-Millionen-Euro-Programm. Bei den 1 000 Plätzen, die pro Jahr für die unter Dreijährigen zur Verfügung stehen, ist der höchste Bedarf in den Ballungsräumen und in den Verdichtungsräumen gegeben. Im ländlichen Bereich ist der Bedarf geringer. Deswegen wollen wir in den Kommunen, in denen keine Kinderkrippe benötigt wird, verstärkt Tagesmütter und Tagespflegeprojekte fördern. Das ist bedarfsgerechter Ausbau der Kinderbetreuung für die unter Dreijährigen. Deswegen ist es nicht richtig zu fordern, jede Kommune braucht für 26% der betroffenen Mütter eine Kinderbetreuung. Das ist eine ganz falsche Politik, die Sie betreiben.

(Frau Radermacher (SPD): Das sagt doch niemand! - Beifall bei der CSU)

Gerade im ländlichen Bereich gibt es noch familiäre Strukturen, die sich gegenseitig unterstützen können und Kinder betreuen. Wir wollen eine Wahlfreiheit.

(Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Wir wollen die Vereinbarkeit von Familie und Beruf!)

Sie wollen, dass alle Frauen, die erwerbstätig sind, ihre Kinder in eine staatliche Betreuungseinrichtung schicken können.

(Widerspruch beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD - Frau Werner-Muggendorfer (SPD): Jetzt reicht es aber! - Abg. Freiherr von Rotenhan (CSU): So ist es aber!)

Deswegen verlangen Sie auch 26% Kinderbetreuungsplätze. Das ist die logische Schlussfolgerung aus Ihrer Forderung, Frau Lochner-Fischer. Wir wollen dagegen ein größtmögliches Maß an Wahlfreiheit für Frauen und Männer für ihre individuelle Lebensgestaltung in allen Lebensphasen. Wir wollen der Vielfalt der Lebensentwürfe wirklich Rechnung tragen. Ich bin der festen Überzeugung, dass wir jegliche Ideologisierung ablehnen müssen.

(Frau Gote (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Dann wenden Sie sich einmal an den Herrn Goppel!)

Eines der wichtigsten Aufgaben ist der Abbau noch bestehender Benachteiligungen von Frauen auf dem Arbeitsmarkt und in der Wirtschaft. Wir wissen - Frau Kollegin Münzel Sie haben schon darauf hingewiesen -, dass Frauen in den Ausbildungsabschlüssen immer etwas besser sind. Das trifft sowohl für das Abitur als auch für die Studienabschlüsse wie auch für die beruflichen Bildungsabschlüsse zu. Deswegen sollten die
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Frauen gerade wegen ihrer guten Qualifikationen die gleichen Aufstiegschancen haben wie die Männer.

(Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Nicht sollten, sondern müssen! - Frau Steiger (SPD): Das ist doch eine Selbstverständlichkeit, dass es so ist!)

Dabei haben wir aber ein Problem. Frauen beschränken ihr Wahlverhalten in der Berufswahl immer noch auf zehn typische weibliche Berufe vorrangig im Dienstleistungsbereich.

(Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Weil sie keine Wahlfreiheit haben!)

Deshalb müssen wir den Mädchen sagen, dass sie sich in ihrem Wahlverhalten ändern müssen. Ich halte es auch für notwendig, dass wir die Mädchen an unseren Schulen in den mathematischen und naturwissenschaftlichen Fächern in Arbeitsgruppen zusammenfassen und sie getrennt beschulen, um ihr Selbstbewusstsein zu stärken. Ich weiß, dass wir auf diesem Gebiet noch Schwierigkeiten haben. Mädchen trauen sich vielfach nicht, in diesen Fächern Fragen zu stellen. Wir fördern die Frauen gerade im mathematisch-naturwissenschaftlichen Bereich. Unser Haus gibt im Jahr 25 Millionen Euro dafür aus, dass sich die Mädchen verstärkt auf die Berufe in der Informationstechnologie ausrichten - und dies übrigens gemeinsam mit der Wirtschaft.
Wir müssen wegkommen von der einseitigen Konzentration vieler junger Frauen auf die typischer Weise schlecht bezahlten Frauenberufe im Dienstleistungsbereich. Deswegen haben wir eine Medienoffensive in den bayerischen Schulen angestoßen. Wir haben diese Offensive durch Mädchentechniktage begleitet, auch das bayerische Kultusministerium hat die Girl's Days im letzten Jahr unterstützt. Wir werden dies im nächsten Jahr noch stärker fördern. Wir haben bundesweit eine beispielgebende Einrichtung der virtuellen Hochschule in Bayern.

(Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Damit die Frauen daheim bleiben!)

- Nein, nicht damit die Frauen daheim bleiben. Die virtuellen Hochschulen sind nicht ausschließlich auf die Frauen ausgerichtet. Auch das sollte Ihnen wirklich bewusst sein.

(Frau Stahl (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ihre Rede könnte auch der Herr von Rotenhan halten!)

- Lieber Kollege Rotenhan, das war eben ein Kompliment für dich. Wir haben spezielle Veranstaltungen für Mädchen beim Bayerischen Berufsbildungskongress. Das halte ich für wichtig. Der Berufsbildungskongress 2002 ist von der Jugend in Bayern hervorragend angenommen worden. Als nächstes möchte ich auf die Öffentlichkeitsarbeit bei den Arbeitgebern eingehen. Das ist ein ganz wichtiger Beitrag zur Verwirklichung der Chancengleichheit von Frauen und Männern in der Arbeitswelt. Wie gesagt: Der von Ihnen schon angesprochene Frauenförderpreis hatte eine hohe Beteiligung. Besonders erfreulich war es für mich, dass wir Preisträger aus der Metall- und der Technikbranche hatten. Für uns war es ganz wichtig, gerade in diesem Bereich zu zeigen, wie wichtig es ist, dass die Wirtschaft ganz spezifisch die Frauen in ihrem Wahlverhalten und in ihrem Beruf fördert. Immer mehr Unternehmen bemühen sich Gott sei Dank ganz aktiv, selbst zu einer frauen- und familienfreundlichen Arbeitswelt beizutragen, und zwar ohne gesetzliche Reglementierungen. Das zeigt schon, dass die Strategie der Staatsregierung und des Staatsministeriums aufgeht. Lassen Sie mich auch etwas zur Kinderbetreuung sagen. Unser 313-Millionen-e-Programm ist ein ungeheuer wichtiges Programm. Die Staatsregierung zeigt das, weil sie gerade in diesem Bereich überhaupt keine Kürzungen vornimmt. In anderen Ländern wird bei den Mitteln zur Kinderbetreuung und in der Familienpolitik beim Landeserziehungsgeld ganz anders gekürzt. Wir haben gesagt: Das ist uns die Sache wert. Wir müssen die Wahlfreiheit für die Frauen sicherstellen. Deswegen ist es so wichtig, dass wir die Kinderbetreuung für die unter 3jährigen, in den Horten und die Möglichkeiten bei der Ganztagsbetreuung ausbauen. Das ist ein Schwerpunkt unserer Politik.
Ein zweiter Schwerpunkt ist Gender Mainstreaming. Ich habe das auch in der Haushaltsrede ganz klar angesprochen. Auch in der Geschäftsordnung der Bayerischen Staatsregierung wurde Gender Mainstreaming berücksichtigt; sie ist entsprechend geändert worden. Wir führen in allen Häusern Fortbildungsveranstaltungen zu Gender Mainstreaming durch, so dass Gender Mainstreaming ein Grundprinzip auch des staatlichen Handelns wird. In den unterschiedlichsten Bereichen - Sie springen in der Frauenpolitik nach meiner festen Überzeugung viel zu kurz und ideologisieren die Frauenpolitik in einem ungeheuren Ausmaß - sind wir von der Bayerischen Staatsregierung mit unserer Reformpolitik auf dem richtigen Weg, um den Lebensentwürfen unserer Frauen gerecht zu werden.

(Beifall bei der CSU - Frau Steiger (SPD): Erklären Sie das doch bitte Frau Matschl!)

Präsident Böhm: Die nächste Rednerin ist Frau Kollegin Steiger.

Frau Steiger (SPD): Herr Präsident! Kolleginnen und Kollegen! Frau Dr. Ficklers Rede war wieder mal ein Highlight: erst mit Polemik angefangen und dann wenig Aussage bis zum Schluss. Zur Frau Stewens lassen Sie mich nur eines sagen: Frau Staatsministerin, durch ständiges Wiederholen von falschen Zahlen werden diese nicht richtig; das gilt zu dem, was Sie zur Kinderbetreuung sagen.

(Beifall bei der SPD)

Wir wollen - der nächste Kernsatz - die Vereinbarkeit von Familie und Beruf, denn viele Frauen haben keine Wahl. Eine Wahlfreiheit nützt ihnen nichts, wenn sie


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alleinerziehend sind. Das hat nichts mit Ideologie, sondern mit Lebenschancen und Lebensformen zu tun. Wir haben vielfältige Lebensformen und unterschiedliche Lebenschancen, gerade bei der Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Wenn wir an Frauen mit Behinderung oder Frauen, die behinderte Kinder haben, denken, müssen wir erkennen: Offiziell haben Frauen mit Behinderung auch die Chancengleichheit und trotzdem erscheinen behinderte Frauen und Mädchen weit weniger im öffentlichen Leben als Männer. Frauen und Mädchen mit körperlicher, geistiger und seelischer Behinderung entsprechen etwa 5% der Bevölkerung.
Aber was passiert? Obwohl auch diese Frauen bei der schulischen Ausbildung schnellere und bessere Abschlüsse haben als vergleichbare Männer, sind Frauen auf dem Ausbildungsmarkt und auf dem Arbeitsmarkt in einer schlechteren Position. Auch sind Frauen mit Behinderung weniger beschäftigt. Der kürzlich erschienene Bericht zur Beschäftigung schwerbehinderter Menschen im öffentlichen Dienst zeigt das auf. Da muss man sich fragen: Warum ist das so und was zählt hier? Man will es nicht glauben: Es entspricht nach wie vor dem alten Klischee und Rollenverständnis, dass Frauen im Berufsleben repräsentieren müssen und gut aussehen sollten. Diesem Klischee können natürlich Frauen und Mädchen mit Behinderung - vor allen Dingen aus Sicht von nicht-behinderten Menschen - nicht entsprechen. Gutes Aussehen ist ein Kriterium, das dann eben nicht erfüllt werden kann. Bei der Qualifikation ist es leider auch so, dass Frauen mit Behinderung weniger zugetraut wird als Männern mit Behinderung.
Der zweite Punkt ist eine geschlechterspezifische Rollenverteilung bei der Berufsauswahl. Dies ist nach wie vor deutlich und wird zum Beispiel durch die Angebote in den Berufsbildungswerken verfestigt. Von neun Berufsbildungswerken in Bayern mit Berufsangeboten für Mädchen und für Jungen haben acht anteilsmäßig mehr Männer als junge Frauen. Das Spektrum, das bei den beruflichen Angeboten in diesem Bereich vorhanden ist, umfasst wesentlich mehr männliche als weibliche Berufe. Es gibt zwanzig verschiedene Angebote, aber Frauen können nur unter sechs verschiedenen wählen; aus dem kaufmännischen und dem Haushalts-Sektor. Sie wählen aus diesen Feldern, weil sie selten motiviert werden, vom Pfad der Tugend - hauswirtschaftliche und kaufmännische Berufe - abzuweichen. Ein drittes und ganz besonders wichtiges Kriterium: die Wohnortnähe der beru.ichen Rehabilitation. Sie ist einfach nicht vorhanden. Obwohl sie im SGB IX verankert ist, haben wir drei öffentlich geförderte Berufsförderwerke, nämlich in Würzburg, Nürnberg und München. Die Wohnortnähe ist somit nicht gegeben. Die Frauen nehmen die Trennung von der Familie nicht an und verzichten dann lieber auf eine Reha-Maßnahme. Das muss doch nicht sein.

(Beifall bei der SPD und beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die Umsetzung des SGB IX in diesem Punkt ist ganz, ganz wichtig. Frauen mit Behinderung oder Frauen mit behinderten Kindern haben noch eine zusätzliche Erschwernis, Familie und Beruf zu vereinbaren. Schule, Spielplätze, Krabbelgruppen, Kindergärten, Horte oder öffentliche Gebäude sind oft nicht barrierefrei zugänglich. Sie können also, wenn Sie ihre Elternaufgabe ernst nehmen, ihre Aufgabe nicht wahrnehmen, weil Barrieren bestehen. Das kann eine Stufe sein, das kann ein fehlender Lift sein, das sind fehlende optische oder akustische Signale, das ist eine zu enge Tür, das sind Treppen oder was auch immer; manchmal Kleinigkeiten, aber Dinge, die behinderte berufstätige Mütter bewältigen müssen. Es ist unsere Aufgabe - eine Daueraufgabe -, Frauen und Mädchen mit Behinderung die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu ermöglichen. Daran müssen wir arbeiten, und zwar nicht nur im Jahr 2003, dem europäischen Jahr für Menschen mit Behinderung. Daran müssen wir weit darüber hinaus arbeiten.

(Beifall bei der SPD)

Präsident Böhm: Nächste Rednerin: Frau Kollegin Prof. Männle.

Frau Prof. Männle (CSU): Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich zunächst zu der Tatsache Stellung nehmen, dass wir hier über einen Dringlichkeitsantrag diskutieren sollen, der um 14.15 Uhr eingereicht worden ist, und der mir bis jetzt noch nicht auf dem Tisch liegt. Ich sehe mich außerstande, einen Dringlichkeitsantrag zur Situation der Frauen positiv zu bescheiden, wenn er mir noch nicht einmal vorliegt.

(Zuruf von der SPD: Das liegt am Haus! - Frau Werner-Muggendorfer (SPD): Das ist doch immer so!)

Dieser Dringlichkeitsantrag wird gerade erst verteilt. Auf dieser Seite des Plenarsaals liegt er noch nicht vor. Wir konnten uns also noch nicht damit beschäftigen, und das bedaure ich sehr. Diese Debatte über die Situation der Frauen hätten nämlich die Chance gegeben, vorurteilsfrei über die Situation der Frauen in Bayern zu diskutieren. Ich betone extra: vorurteilsfrei.

(Beifall bei der CSU)

Es wäre möglich gewesen, vorurteilsfrei zu untersuchen, was Frauen heute bereits erreicht haben, wo es De.zeit gibt und wo wir durch unterschiedliche Maßnahmen etwas erreichen können, sei es staatlicher oder anderer Art. Dabei geht es nicht nur um Maßnahmen staatlicher Art. Ich weigere mich alles auf den Staat zu schieben und nicht nachzufragen, in welchem anderen Bereichen man tätig werden kann.

(Beifall bei der CSU)

Man hätte fragen können: Wo gibt es strukturelle Probleme? Wo gibt es Vorurteile? Wo ist etwas abzubauen? Die Debatte hat diese Probleme aber nicht in den Mittelpunkt gestellt. Stattdessen diskutieren wir über Bilder und Vorstellungen, die wir anderen Parteien unterstellen.


7611 - Plenarprotokoll 14/105 v. 10.12.2002 Bayerischer Landtag · 14.Wahlperiode
Lassen Sie mich, auch wenn Sie es nicht hören wollen - -

(Frau Steiger (SPD): Das ist eine Unterstellung!)

- Ich rede mit Ihnen, deshalb sehe ich Sie auch an.

(Zurufe von der SPD)

Ich schaue mir diejenigen an, die ich anschauen will. Ich lasse mir nicht vorschreiben, dass ich nach rechts schaue, wenn ich nach links schauen will.

(Beifall bei der CSU)

Auch wenn Sie es nicht gerne hören wollen: Die CSU steht für Wahlfreiheit. Die CSU steht für Wahlfreiheit von Männern und Frauen. Das haben wir bereits in unserem Grundsatzprogramm in den Achtzigerjahren deutlich gemacht. Wir wollen kein verordnetes Frauenbild in unserer Gesellschaft.

(Beifall bei der CSU - Unruhe bei der SPD)

Jeder Mann und jede Frau soll sich frei entscheiden können, was sie oder er will. Ich bedaure wirklich sehr, dass die Lebensentscheidung von Frauen, dass Frauen, die sich entschieden haben - nicht ich, aber andere - als Hausfrau und Mutter ihre Kinder großzuziehen und die Erhebliches leisten, hier kleingeredet werden. Sie werden nicht positiv bewertet.

(Anhaltende Unruhe bei der SPD)

Ich bedaure wirklich sehr, dass man ihnen unterstellt, dass sie keine selbstständigen Frauen sind.

(Frau Radermacher (SPD): Das ist nicht wahr!)

Man unterstellt ihnen, dass sie eigentlich etwas anderes gewollt hätten und dass sie nichts leisten.

(Frau Steiger (SPD): Wer von uns hat das gesagt?)

Denken Sie doch an die Diskussion, die Frau Simonis kürzlich bei Frau Christiansen führte. Es ging um die Rentenanwartschaft von Frauen. Es wurde gesagt, die Erziehungszeiten seien nur ein kleiner Beitrag für die Erziehungsleistung der Frauen. Darauf sagte Frau Simonis: "Warum sollen die Frauen Renten erhalten, sie haben doch nichts gearbeitet." - Sie haben doch nichts gearbeitet!

(Zurufe von der CSU: Hört, hört! - Frau Peters (SPD): Wir haben die Anrechnungsjahre für Kinder erhöht, nicht Sie!)

Diese Frauen haben Kinder erzogen und damit einen enormen Beitrag für unsere Gesellschaft geleistet.

(Beifall bei der CSU - Zurufe von der SPD)

Ich prangere es genauso an, wenn Frauen, die erwerbstätig sind, die es sehr gerne sind, die Vollzeit arbeiten und das sehr gerne tun, kritisiert werden. Auch ich bin eine Frau, die sich ganz klar für den Beruf entschieden hat, die sich entschieden hat, Politik und Beruf miteinander zu verbinden.

(Frau Christine Stahl (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Genauso sieht Ihre Wahlfreiheit aus: entweder - oder!)

Ich erwarte von Ihnen, dass Sie andere Frauen, die diesen Weg nicht gegangen sind, die für sich einen anderen Weg gewählt haben, genauso wertschätzen.

(Hofmann (CSU): So ist es!)

Hören wir doch endlich auf, uns gegenseitig vorzuwerfen, welchen Lebensweg wir gehen. Reden wir das andere nicht schlecht, akzeptieren wir die Entscheidungen, schaffen wir die Voraussetzungen, dass sich die Frauen tatsächlich entscheiden können.

(Beifall bei der CSU - Zuruf von der SPD: Das tun wir doch!)

Schaffen wir doch die Rahmenbedingungen, dass sich die Frauen tatsächlich entscheiden können.

(Zurufe von der SPD und vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es gibt gute Voraussetzungen dafür. Denken Sie doch nur an die Ausbildungsmöglichkeiten. Was haben die Frauen inzwischen erreicht? - Mehr Mädchen als Buben besuchen weiterführende Schulen. Mehr junge Frauen als junge Männer haben erstmals in diesem Semester ein Studium an den bayerischen Universitäten begonnen. Mehr als 50% der Studienanfänger sind Frauen. Das ist doch toll. Sagen wir doch: "Für diese Frauen beginnt eine positive Zukunft." Ich könnt noch viele andere Bereiche aufzählen, wo wir etwas erreicht haben. Machen wir doch Mut. Arbeiten wir doch daran, strukturelle und auch andere Schwierigkeiten abzubauen. Der Präsident schickt mir ein Rotzeichen. Ich muss leider aufhören.

(Beifall bei der CSU) Präsident Böhm: Der Präsident schickt keine Drohzeichen, sondern Zeitzeichen.

(Zuruf von der SPD: Rotzeichen! - Heiterkeit bei der SPD)

- Ach, Rotzeichen. Ich habe Drohzeichen verstanden. Nächste Rednerin ist Frau Kollegin Dr. Kronawitter.

Frau Dr. Kronawitter (SPD): Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Frauen sind keine besseren Männer. Daran habe ich mich zu Beginn Ihrer Rede erinnert gefühlt, Frau Kollegin Fickler.

(Beifall bei der SPD)


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Sie haben mit Ihren Ausführungen wirklich unter die Gürtellinie geschlagen. Das dient der Sache der Frauen wahrlich nicht.

(Beifall bei der SPD und beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Frau Kollegin Prof. Männle, Sie haben sehr eingehend darüber gesprochen, dass Frauen die Wahlfreiheit zwischen Familie und Beruf bekommen sollen. Ich darf Ihnen sagen: Ich, als Person, habe diese Wahlfreiheit nutzen können, und ich stehe auch dazu, dass ich sie jahrzehntelang genutzt habe. Aber - und jetzt kommt das Aber - Tatsache ist, dass in Bayern derzeit fast 70 von 100 Frauen im erwerbsfähigen Alter berufstätig sind. Das heißt, für diese Frauen stellt sich die Frage der Wahlfreiheit offensichtlich nicht. Sie sollen oder wollen den Beruf ausüben.

(Hofmann (CSU): Was wollen Sie denn dann?)

- Ich will Ihnen sagen, was ich meine. Eine erwerbstätige allein Erziehende kann sich nicht überlegen, ob sie zu Hause bleibt. Das ist der Punkt.

(Frau Radermacher (SPD): Sie muss arbeiten!)

Unter diesen von mir genannten 70 Frauen sind sehr viele genau in dieser Situation. Wir stellen also fest, dass viele Frauen im Erwerbsleben die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu bewerkstelligen haben. Sie müssen überlegen, wie sie es machen, um Kinder und Familie auf die Reihe zu bekommen. Im beruflichen Alltag müssen sich viele Frauen fragen, warum bei ihnen die Familie für die Karriere noch immer hinderlich ist, für die Männer hingegen nicht.

(Beifall bei der SPD und beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Im beruflichen Alltag warten diese Frauen auch auf die Antwort, warum Frauen trotz guter, ja sehr guter Qualifikation, beruflich so schwer vorwärtskommen, jedenfalls schwerer als ihre männlichen Kollegen. Es gibt noch eine weitere Tatsache, über die wir nachdenken müssen: Am Monatsende erfahren viele Frauen immer noch einen Unterschied, wenn sie auf den Gehaltszettel schauen. Sie verdienen in vergleichbaren Tätigkeiten rund ein Viertel weniger als ihre männlichen Kollegen. Sie verdienen weniger, obgleich nach dem Gesetz der Grundsatz "gleicher Lohn für gleiche Arbeit" gilt.

(Beifall der Abgeordneten Lück (SPD))

Es stimmt also noch immer etwas nicht mit der tatsächlichen Chancengleichheit von Frauen im Berufsleben. Politik und Tarifvertragsparteien sind aufgefordert zu handeln. Ich pflichte Frau Kollegin Männle wirklich bei: Nicht alles kann von der Politik gemacht werden. Politik beeinflusst aber ganz wesentlich die gesellschaftliche Einschätzung und die Diskussion in der Gesellschaft über bestimmte Probleme.

(Beifall bei der SPD und beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir müssen es als Skandal empfinden, dass 36% der Personalchefs die Verbindung von Frauen und Kindern - wenn Mütter erwerbstätig sind - als problematisch ansehen. Daran ist unter anderem sichtbar, warum Frauen schwerer vorankommen. Für uns ist es untragbar, dass die Einkommensdifferenz zwischen Männern und Frauen bei vergleichbaren Tätigkeiten 25% beträgt. Diese Differenz - dazu gibt es exakte Studien - steigt mit wachsender Quali.zierung und mit der Dauer der Erwerbstätigkeit. Daran wird noch einmal Ungerechtigkeit deutlich. Wir brauchen in Bayern eine Strategie, die diese Benachteiligungen abzubauen hilft. Diese Strategie wird von der EU-Kommission und von den Mitgliedsländern gefordert. Bayern muss jetzt in die Gänge kommen und seinen Beitrag dazu leisten.

(Beifall bei der SPD und beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir wünschen uns - und wir brauchen dieses auch - von der bayerischen Frauenministerin in Sachen Frauenförderung in der Privatwirtschaft noch mehr Impulse. Wir brauchen eine aktivere Unterstützung bei der Umsetzung der Vereinbarkeit zwischen der Bundesregierung und den Spitzenverbänden der Wirtschaft zur Förderung der Chancengleichheit in der Wirtschaft. Wir müssen mithelfen, dass Unternehmen erkennen: Frauenfreundlichkeit, Familienfreundlichkeit ist wettbewerbsförderlich.

(Beifall bei der SPD und beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Präsident Böhm: Jetzt hat die Frau Kollegin Dodell das Wort.

Frau Dodell (CSU): Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Kollegin Lochner-Fischer versucht, hier ein Bild zu malen, dass die CSU die Frauen zurück an den Herd drängt. Sie versucht, ein Bild von einem hinterwäldlerischen Land Bayern zu malen, das es den Frauen nicht ermöglicht, berufstätig zu sein. Sie versuchen, ein Bild zu vermitteln, dass Frauen in Bayern massiv behindert werden, berufstätig zu sein.

(Frau Steiger (SPD): Frau Dodell, Sie haben nicht zugehört! - Dr. Dürr (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Bayern ist nicht nur die CSU!)

Ich sage Ihnen: Genau das Gegenteil ist der Fall. Die Wirklichkeit sieht in Bayern ganz anders aus.

(Beifall bei der CSU - Frau Christine Stahl (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das stimmt zwar, aber nicht wegen euch!)

Frau Kollegin Dr. Kronawitter, Sie haben zu Recht gesagt, in Bayern arbeiten circa 68 bis 70% der Frauen - auch mit Kindern. Das ist die Wirklichkeit. Die Frauen


7613 - Plenarprotokoll 14/105 v. 10.12.2002 Bayerischer Landtag · 14.Wahlperiode
gehen nicht zurück an den Herd, sondern viele Frauen bei uns arbeiten.

(Dr. Dürr (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Trotz Förderpolitik! Nicht wegen Eurer Politik!)

Viele tun das aufgrund ihrer persönlichen Wahlfreiheit. Sie haben sich dafür entschieden. Ich sage dazu: Wir sehen die Realität. Viele Frauen stehen heute unter einem großen Druck. Die Mieten sind hoch, viele Lebensstandards sind zu erfüllen.

(Dr. Dürr (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Die Kinderbetreuung ist schlecht!)

Davor machen wir die Augen nicht zu. Wir stehen ganz klar für die Wahlfreiheit der Frauen.

(Dr. Dürr (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ihr tut nichts dafür!)

Wir sollten nicht polemisch agieren wie Sie, sondern wir sollten gemeinsam versuchen, die Rahmenbedingungen zu verbessern, damit diese Wahlfreiheit auch gewährleistet ist.

(Beifall bei der CSU)

Bei Ihnen - und das ist nicht nur mein Eindruck - hat eine Frau, die sich der Erziehung und der Familie widmet, überhaupt keinen Stellenwert mehr.

(Frau Dr. Kronawitter (SPD): Das ist doch nicht wahr!)

Sie wollen Staat, Staat und nochmals Staat. Ihr eigener Generalsekretär beansprucht mit einer Kulturrevolution, wie er das nennt, die Lufthoheit über den Kinderbetten. Genau das wollen Sie.

(Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD)

Wir wollen eine echte Wahlfreiheit. Wir sind eine liberale Partei, die versucht, die Rahmenbedingungen dafür zu schaffen.

(Zuruf der Frau Abgeordneten Steiger (SPD) - Dr. Dürr (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Seit wann seid ihr liberal?)

- Das sind wir, schauen Sie genau hin. Wir sind eine Partei, die dafür sorgt, dass die Erziehungstätigkeit tatsächlich aufgewertet wird. Sie hätten doch auf Bundesebene die Möglichkeit, das Familiengeld einzuführen, und damit die Erziehungstätigkeit der Frauen aufzuwerten.

(Beifall bei der CSU - Frau Lück (SPD): Ohne zu sagen, woher es kommen sollen!)

Wir wollen die Rahmenbedingungen für eine .exible Arbeitswelt schaffen.

(Zurufe von Abgeordneten der SPD)

- Hören Sie doch einmal zu.

(Frau Steiger (SPD): Warum sind Sie gegen die Grundsicherung?)

Ihr Gesetz, das den Teilzeitanspruch regelt, war für die Frauen in der Arbeitswelt eher kontraproduktiv als hilfreich. Wir wollen die Arbeitsbedingungen für eine .exible Arbeitswelt und eine .exible Kinderbetreuung schaffen, die den Frauen hilft, eine Entscheidung im Rahmen ihrer Wahlfreiheit zu treffen. Wir hatten im vorigen Jahr eine Anhörung zum Thema Familie und Arbeitswelt. Wir hatten interessante Gespräche mit Unternehmern geführt, die uns geschildert haben, welche Anstrengungen sie von sich aus - im Übrigen ohne Staat und ohne Zuschüsse - unternehmen, um die Arbeitsbedingungen familienfreundlich zu gestalten. Das reicht von der Kinderbetreuung bis hin zu Telearbeitsplätzen, Schulungsmaßnahmen und .exiblen Arbeitszeiten. Da ist viel auf dem Weg. Diese Arbeitgeber haben die interessante Erfahrung gemacht, dass das nicht nur für ihre Mitarbeiterinnen gut ist und zur Zufriedenheit und Motivation beiträgt, sondern sie haben auch die Erfahrung gemacht, dass das für sie selbst gut ist. Sie finden eine ausreichende Zahl von Arbeitskräften.

(Frau Werner-Muggendorfer (SPD): Das ist ganz neu!)

Das ist auch gut für die Stellung im Wettbewerb. Das müssen viele unserer Arbeitgeber noch verinnerlichen. Deshalb ist der Frauenförderpreis, den das Sozialministerium ausreicht und das ausgezeichnete Beispiele aufzeigt, sehr hilfreich.

(Frau Steiger (SPD): Wenn man Frauen auszeichnet, dann hat man es geschafft?)

Sie werden sehen, meine Damen und Herren von der Opposition, die demogra.sche Entwicklung, angesichts der wir davon ausgehen, dass in den nächsten Jahrzehnten 25 bis 35% weniger Arbeitskräftepotenzial zur Verfügung steht, wird dazu führen, dass noch mehr Frauen im Arbeitsmarkt benötigt werden. Die Frauen werden für den Arbeitsmarkt noch attraktiver werden. Deswegen müssen wir nach .exiblen Bedingungen schauen.
Lassen Sie mich zum Schluss noch einmal grundsätzlich sagen: Wir wollen, dass sich die Frauen entscheiden können, dass die Familienarbeit aufgewertet wird, damit sie in unserer Gesellschaft den Stellenwert bekommt, der ihr gebührt. Wir wollen, dass die Arbeitswelt und die Kinderbetreuung .exibel werden.

(Frau Lück (SPD): Und was tun Sie dafür? - Frau Biedefeld (SPD): Tun Sie es doch endlich!)

Wir wollen nicht nur den Ruf nach Krippenplätzen hören, wie Sie ihn tagtäglich durch die Zeitungen jagen. Lassen Sie es uns gemeinsam anpacken.

(Beifall bei der CSU)


7614 - Bayerischer Landtag · 14.Wahlperiode Plenarprotokoll 14/105 v. 10.12.2002
Präsident Böhm: Jetzt hat die Frau Kollegin Förstner das Wort.

Frau Förstner (SPD): Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Unser Anliegen ist, dass alle Frauen in Bayern gleiche Lebenschancen haben, ganz gleich, wo sie wohnen.

(Beifall bei der SPD)

Gleiche Chancen heißt, einer Arbeit, einer Erwerbstätigkeit nachgehen zu können, wenn Frauen aus familiären und/oder materiellen Gründen darauf angewiesen sind oder das aus persönlichen Gründen wollen.

Präsident Böhm: Entschuldigen Sie, dass ich Sie kurz unterbreche: Namentliche Abstimmung wird zu diesem Punkt beantragt. Wegen der Viertelstunde Differenzzeit weise ich darauf hin. Entschuldigen Sie, Frau Förstner.

Frau Förstner (SPD): - Das macht nichts. Auch wir sind für Wahlfreiheit, aber für eine wirkliche. Die Frauen müssen sich wirklich entscheiden können. Wie sieht es denn da bei uns aus? Inwieweit sind denn die Chancen für Frauen in Bayern gleich? Festzustellen ist, dass wir bei Frauen im Alter zwischen 20 und 40 Jahren eine der geringsten Beschäftigungsquoten in Bayern haben. Das Alter zwischen 20 und 40 ist die Zeit, in der die Kinder klein sind und zur Schule gehen, also betreut werden müssen. Der Zusammenhang mit fehlenden oder unzureichenden Kinderbetreuungseinrichtungen ist evident.

(Beifall bei der SPD und beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Familie und Berufsausübung sind für viele immer noch nicht gleichzeitig zu vereinbaren. Ob Bayerns Frauen ausreichende Kinderbetreuungsmöglichkeiten zur Verfügung stehen, hängt letztlich davon ab, wo sie leben. Wohnen sie in größeren und damit auch in reicheren Gemeinden, stehen ihnen bessere Kinderbetreuungsmöglichkeiten zur Verfügung als auf dem flachen Land. Beispielsweise gibt es im Landkreis Regensburg Horte, also Ganztagsbetreuung, nur in wenigen größeren oder stadtnahen Gemeinden; Ganztagsbeschulung gibt es nirgendwo im Landkreis. Frauen aus den entfernter liegenden Orten ist es auch wegen des unzureichenden ÖPNV-Angebotes auf dem .achen Land unmöglich, ihre Kinder dort unterzubringen, wo sie den ganzen Tag betreut oder beschult werden können. Wenn der Freistaat die Kommunen in der Vergangenheit nicht immer stärker belastet hätte, wäre es auch für die ärmeren Gemeinden leichter gewesen, entsprechende Einrichtungen zu schaffen.

(Beifall bei der SPD und beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Gleiche Chancen für Frauen in Bayern gibt es auch für diejenigen nicht, die nach einer langen Familienphase wieder in die Erwerbstätigkeit einsteigen wollen. Wenn Frauen außerhalb der Ballungsräume leben, ist es für sie viel schwieriger, sich nach einer langen Familienphase wieder in das Berufsleben einzugliedern. Zwar stehen Mittel aus dem ESF-Ziel 3 und auch nach dem SGB III für Wiedereingliederungsmaßnahmen zur Verfügung, aber echte berufsquali.zierende Maßnahmen gibt es im Verhältnis zu Orientierungsmaßnahmen und Beratungshilfen nur wenige. Da sollte man die Mittel etwas anders einsetzen.

(Beifall bei der SPD und beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Der Erfolg von zwei beruflichen Quali.zierungsmaßnahmen, zum einen in Ansbach und zum anderen in Straubing, zeigt, wie wichtig berufliche Quali.zierung ist. In Straubing liegt die Rückkehrquote zwischen 70 und 90%, und in Ansbach haben 50% der Frauen bereits feste Zusagen für Anstellungen erhalten, obwohl die Maßnahme noch nicht beendet ist. Ich fasse zusammen: Für Frauen in Bayern gibt es keine gleichen Lebenschancen, wegen fehlender oder unzureichender Betreuungsmöglichkeiten für Kinder und Jugendliche in ländlichen Gebieten, wegen des Problems, nach einer langen Familienphase nicht wieder in die Erwerbstätigkeit einsteigen zu können. Ich fordere die Staatsregierung auf, dem Verfassungsauftrag nachzukommen und überall in Bayern für gleiche Lebenschancen der Frauen zu sorgen.

(Beifall bei der SPD und beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Präsident Böhm: Nächste Rednerin ist Frau Kollegin Pongratz.

Frau Pongratz (CSU): Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Für mich als Frau ist Frauenpolitik nicht nur Kinderbetreuung. Ich möchte noch ein anderes Thema aufgreifen: Zur Frauenpolitik in Bayern gehört auch das Ehrenamt. Überall sind Frauen ehrenamtlich tätig.

(Lachen bei der SPD)

Meine Damen, hören Sie zu. Gute Taten werden hauptsächlich von Männern gepredigt, aber hauptsächlich von Frauen getan. Dies sagte Lady Nancy Witcher Astor, die erste weibliche Unterhausabgeordnete im englischen Parlament.

(Zahlreiche Zurufe von der SPD)

Rund 1,1 Millionen Menschen in privaten Haushalten in Deutschland bedürfen regelmäßiger Pflege. 77% von ihnen, also rund 860000, werden von einer Hauptpflegeperson versorgt, die fast immer aus der engeren Verwandtschaft stammt. Über 90% dieser Hauptpflegepersonen sind Frauen: Ehefrau, Tochter oder Schwiegertochter. Allerdings sinkt die Bereitschaft der nachwach-


7615 - Plenarprotokoll 14/105 v. 10.12.2002 Bayerischer Landtag · 14.Wahlperiode
senden Generation zur Pflegeübernahme aufgrund anderer Lebensentwürfe. Zudem sinkt die Zahl der Menschen mit eigenen Nachkommen, was sich wiederum auf das P.egepotenzial auswirkt. Über 25 Millionen Deutsche engagieren sich in ihrer Freizeit ehrenamtlich. Sie treten freiwillig, unentgeltlich für andere, für das Gemeinwohl ein. Erfreulich ist, dass sich überdurchschnittlich viele Jugendliche ehrenamtlich betätigen. Anlässlich des Tages des Ehrenamtes in der vergangenen Woche veröffentlichte die "Süddeutsche Zeitung" Zahlen aus der jüngsten Studie zur Freiwilligenarbeit. Danach sind 37% der 14- bis 24-Jährigen ehrenamtlich tätig - von der gesamten Bevölkerung sind es 34%. Was bedeutet dies, meine Damen und Herren? Diese Menschen leisten jeden Monat über 240 Millionen Stunden freiwillige und unbezahlte Arbeit. Wirtschaftlich gesehen entspricht dies einer jährlichen Wertschöpfung in Höhe von über 24 Milliarden Euro.

(Zuruf von der SPD und vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

- Bitte, hören Sie mir zu; ich höre Ihnen auch immer zu. Das Jahr des Ehrenamtes 2001 hat die Bedeutung bürgerschaftlichen Engagements wieder stärker ins Bewusstsein der Menschen gerückt. Gemeinsam wurden Ideen entwickelt und Wege aufgezeigt, wie die Gesellschaft zugleich menschlicher und leistungsfähiger werden kann. Die CSU-Fraktion und insbesondere unser Fraktionsvorsitzender Alois Glück vertreten dieses Konzept der aktiven Bürgergesellschaft - ein Modell, bei dem alle gewinnen.
Im November folgten 400 engagierte Bürgerinnen und Bürger der Einladung zum Fachforum der CSU-Fraktion "Bürgerschaftliches Engagement und Ehrenamt". Dabei wurde klar, dass bei den freiwilligen Leistungen der Vereine und Verbände nicht gespart werden dürfe; denn Sparen an dieser Stelle würde die Ehrenamtlichkeit in unserer Gesellschaft entmutigen. Wir brauchen eine aktive Bürgergesellschaft nicht zuletzt deshalb, weil die immer komplexer werdenden Probleme vom Staat allein nicht zu lösen sind. Die Zahl der Selbsthilfegruppen von Bürgerinnen und Bürgern lösen die Probleme vor Ort oder bewältigen Lebenskrisen gemeinsam. Für viele Frauen gehört aktives bürgerschaftliches Engagement traditionell zur Lebensgestaltung. Dabei gibt es unterschiedliche Schwerpunkte bei Frauen und Männern. Der Schwerpunkt bei Frauen liegt in den Bereichen Soziales, Gesundheit, Kindergärten, Naturschutz.

(Zurufe von der SPD)

Frauen sind aber nicht nur im sozialen Bereich tätig, sondern natürlich auch in Sportvereinen, in Pfarrgemeinden, in Umweltverbänden, in der Kultur und in der Politik.

(Zuruf von der SPD: Aber nicht vorne dran!)

Den größten Teil nimmt aber der sozial-karitative Bereich ein. Dieser Bereich steht vor Sport und Freizeit an der Spitze der Felder ehrenamtlicher Tätigkeit. Über Dreiviertel der hier Engagierten sind Frauen. Zu einer Bürgergesellschaft gehört die volle Gleichberechtigung von Frauen und Männern. Sie lebt von der uneingeschränkten Beteiligung und Mitverantwortung in allen Bereichen. Die demografische Entwicklung ist schon angesprochen worden. Ich komme nochmals zurück zum Ehrenamt. Freiwilliges Engagement ist auch die Chance für jeden einzelnen, sich einzumischen und mitzugestalten. Ehrenamtliches Tun ist für unsere Gesellschaft unverzichtbar. Ehrenamt und bürgerschaftliches Engagement verdienen deshalb auch Dank und Anerkennung, vor allem aber auch Unterstützung.

Präsident Böhm: Jetzt sollten Sie zum Ende kommen, Frau Kollegin.

Frau Pongratz (CSU): Darf ich noch einen Satz sagen? - Ein letzter Satz: Für mich gehört zur Frauenpolitik in Bayern auch die Freiwilligenarbeit von Frauen im Ehrenamt. Ich wünsche allen Frauen und Männern, die im Ehrenamt tätig sind, weiterhin viel Freude und Kraft, für die Allgemeinheit tätig zu sein.

(Beifall bei der CSU)

Präsident Böhm: Jetzt hat Frau Kollegin Biedefeld das Wort.

Frau Biedefeld (SPD): Herr Präsident, werte Kolleginnen und Kollegen! Ich finde es bemerkenswert, dass Frau Ministerin Stewens zumindest den Großteil dieser Debatte mitverfolgt hat. Das ist schon bemerkenswert.

(Willi Müller (CSU): Nicht nur sie allein war da! Eine ganze Menge von Kabinettsmitgliedern war anwesend!)

Sie hat wohl die Aussage Ihres Chefs, des Herrn Ministerpräsidenten, in der letzten Woche nicht gehört. Er hat von Werten gesprochen, von Werten wie Disziplin und Pünktlichkeit. Anscheinend ist das bei Ihnen noch nicht angekommen, Frau Stewens.

(Beifall bei der SPD)

Ich frage mich, ob Sie sich in Ihrer Position - Sie sind nicht ganz unumstritten - einen derartigen Ungehorsam überhaupt noch leisten können.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Ich finde es bemerkenswert, dass es die Frauenministerin in Bayern herausstellt, dass sie bei der Verleihung eines Frauenförderpreises speziell die Frauen begrüßt. Das ist als Ergebnis der Gleichstellungs- und Frauenpo-


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litik in Bayern etwas mager; darauf kann sich Frauenpolitik allein nicht beschränken. Ich kann nur stichwortartig einige Beispiele ihrer Frauen- und Gleichstellungspolitik anführen, zum Beispiel das Gleichstellungsgesetz, das sehr zahnlos und nicht sehr zielführend ist und nicht dazu beiträgt, Frauen- und Gleichstellungspolitik in unserem Land tatsächlich voranzubringen; das ist Ihr Werk. Der Gleichstellungsbericht wird immer mit etwas eigenartigen Ausreden verzögert vorgelegt. Das zeigt wohl, dass Sie ein rein theoretisches Interesse an einer Frauenpolitik haben. Ich möchte weiter die - im Gegensatz zur Politik auf Bundesebene - völlig unzureichende Anwendung des Prinzips des Gender Mainstreaming ansprechen. Ich möchte daraus schließen, dass Sie entweder keine Ahnung von diesem Thema oder kein Interesse an einer besseren Frauen- und Gleichstellungspolitik in Bayern haben. Ich spreche weiter die halbherzige Umsetzung des Gewaltschutzgesetzes an. Ich könnte noch vieles mehr anführen. Das ist Ihre Frauen- und Gleichstellungspolitik in Bayern. Es wäre angesagt, endlich einmal zu handeln und nicht immer nur, wie Frau Dodell, zu sagen: Wir wollen, wir wollen, wir wollen.

(Beifall bei der SPD)

Auch Kollegin Männle hat eben nur von Ankündigungen und davon, was wünschenswert wäre, gesprochen. Auch wenn es vor Weihnachten die richtige Zeit ist, Wünsche aufzulisten, wollen wir doch lieber Taten sehen.

Frau Kollegin Dr. Fickler, was Sie zu Anfang ausgeführt haben, war schon eine böse, böse Unterstellung.

(Frau Radermacher (SPD): Geschmacklos war das!)

- Ich greife das auf, Frau Kollegin Radermacher: Das waren geschmacklose Ausführungen. Sie wissen sehr wohl, dass die Kollegin Lochner-Fischer seit vielen Jahren - seit sie Mitglied des Bayerischen Landtags ist - für die SPD-Fraktion federführend, auch als AsF-Landesvorsitzende, die Frauen- und Gleichstellungspolitik in der Fraktion und hier im Hohen Hause vertritt und vorangebracht hat.

(Lebhafter Beifall bei der SPD)

Dann heißt es immer: Wir wollen die Wahlfreiheit. Darauf möchte ich gerne eingehen. Heißt Wahlfreiheit, dass sich Frauen - oder auch Männer - zwischen Familie oder Beruf entscheiden müssen? - Genau das wollen wir nicht. Wir wollen keine Wahlfreiheit. Ich möchte mich auch als junge Frau nicht zwischen Familie und Beruf entscheiden müssen, sondern ich möchte die Möglichkeit haben, Familie und Beruf zu vereinbaren. Das ist unser Ansatz.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Ich sage ganz klar: Hier wird immer noch versucht, Frauen zu bevormunden. Sie wollen Frauen vorschreiben, wie sie ihr Leben, ihr Familienleben, ihre Lebensentwürfe zu gestalten haben.

(Hofmann (CSU): Das stimmt nicht! - Willi Müller (CSU): Das lassen die gar nicht zu! - Weitere Zurufe von der CSU)

- Jawohl. Ich greife ein Beispiel des Herrn Kollegen Goppel auf: Eine Familie besteht aus Frau und Mann mit Trauschein und mit Kind oder Kindern. Für uns besteht eine Familie dort, wo Kinder sind. Das kann auch eine allein erziehende Mutter oder ein allein erziehender Vater sein.

(Zahlreiche Zurufe von der CSU)

In Ihrer Familienpolitik gilt eine allein erziehende Frau wohl als nicht förderwürdig.

(Hofmann (CSU): Da haben wir kein Problem! - Zahlreiche Zurufe von der CSU)

Sie haben nach wie vor Ihr altes Klischee, das ist nach wie vor Ihre alte Ansicht von Familienpolitik. Das ist auch ein wichtiger Grund dafür, warum wir in der Gleichstellungs- und Frauenpolitik in Bayern nicht weiterkommen.

(Zahlreiche Zurufe von der CSU - Unruhe)

Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Urteil vom 28. Mai 1993 eindeutig festgelegt, dass der Staat für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu sorgen hat und Frauen nicht gezwungen sein dürfen, sich für das eine oder andere zu entscheiden. Im Bundesverfassungsgerichtsurteil ist von Vereinbarkeit, nicht von Wahlfreiheit die Rede. Setzen Sie dieses Bundesverfassungsgerichtsurteil doch endlich um.

(Lebhafter Beifall bei der SPD)

Präsident Böhm: Nächste Rednerin ist - - Entschuldigung, nächster Redner ist Herr Kollege von Rotenhan.

(Zahlreiche Zurufe - Heiterkeit)

Freiherr von Rotenhan (CSU): Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Es darf doch wohl nicht wahr sein, dass dann, wenn es um die Gleichstellung von Frauen geht, nur Frauen reden dürfen und wir Männer gar nichts mehr dazu zu sagen haben.

(Beifall bei der CSU - Zurufe von der CSU: Bravo!)

Auch wenn sich in den ersten fünf Reihen der Opposition die gesamte Frauenpower der beiden Oppositionsfraktionen niedergelassen hat,

(Frau Werner-Muggendorfer (SPD): Ihr habt doch gar keine! - Zahlreiche Zurufe von der SPD und vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Unruhe)


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muss ich doch feststellen, dass sich die Männer Ihrer Fraktion klaglos auf die Hinterbank zurückgezogen haben und sich offenbar gar nicht trauen, zu diesem Thema überhaupt noch etwas zu sagen.

(Heiterkeit und Beifall bei der CSU - Frau Steiger (SPD): Helfen Sie doch einmal!)

Ich bin meinem Kollegen Hofmann sehr dankbar, dass er dafür gesorgt hat, dass ich hier noch etwas sagen kann. Sie merken - ich habe kein Manuskript mitgebracht -, dass ich aus dem Stegreif spreche.

(Unruhe)

Ich gebe offen zu, dass sich mein Familien- und Frauenbild stark von dem unterscheidet, was Sie heute vorgetragen haben.

(Beifall bei der CSU - Frau Radermacher (SPD): Solange wir das nicht übernehmen müssen!)

Ich habe überhaupt kein Problem damit zuzugeben, dass die Lebensleistung meiner Frau sehr viel größer ist als meine eigene: Sie hat nämlich sieben Kinder geboren. Solche Leistungen sollten honoriert werden. Heute habe ich aus Ihren Ausführungen herausgehört - ich will das übertrieben formulieren -, dass es die größte Strafe Gottes ist, dass Frauen Kinder kriegen können.

(Beifall bei der CSU - Frau Werner-Muggendorfer (SPD): Das ist eine Beleidigung für jede Frau! - Lebhafte Zurufe von der SPD und vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Große Unruhe)

Was Sie heute zur Gleichberechtigung von Mann und Frau vorgetragen haben, ist nichts anderes als eine Renaissance des Suffragettentums.

(Beifall bei der CSU - Anhaltende Zurufe von der SPD und vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Sie haben meiner Ansicht nach an den Hauptproblemen vorbeigeredet; Frau Kollegin Männle ist darauf zu sprechen gekommen. Heute geht es doch darum, dass Frauen, die sich dazu bereit erklärt haben, in einer partnerschaftlichen Gemeinschaft mit ihrem Mann Kinder groß zu ziehen, nicht benachteiligt werden, wenn sie in Rente sind. Vor kurzem hat im politischen Klub der CSU-Fraktion Prof. Opaschowski einen Vortrag gehalten, der in den Worten gipfelte - meine Damen und Herren, hören Sie bitte zu! -: "Kinder nutzen heute denen am meisten, die keine haben."

(Beifall bei der CSU - Zahlreiche Zurufe von der SPD)

Das darf doch wohl nicht sein. Keine Ihrer Rednerinnen ist darauf zu sprechen gekommen. Ich habe Ihren Reden immer wieder entnommen, dass es für Sie das Selbstverständlichste ist, dass eine Frau ein Kind bekommt und anschließend der Staat dafür zu sorgen hat, dass sich jemand darum kümmert.

(Frau Radermacher (SPD): So ein Schmarrn, so ein Blödsinn!)

Meine Damen und Herren, ich sage Ihnen - jetzt können Sie schreien -: Die Frau, die nicht bereit ist, sich wenigstens in den ersten drei Lebensjahren um ihr Kind zu kümmern, sollte sich überlegen, ob sie sich ihren Kinderwunsch erfüllt.

(Lebhafter Beifall bei der CSU - Lebhafter Widerspruch bei der SPD und beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

- Mir war klar, dass Sie jetzt schreien werden; das tut Ihnen weh. Ich kann es nicht ändern, aber einer muss es Ihnen doch mal erklären.

(Zahlreiche Zurufe von der SPD - Zuruf der Frau Abgeordneten Gote (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Meine Damen und Herren, die Frau, die Kinder erzogen hat - - Gott sei Dank ist meine Stimme so laut, dass ich Sie übertönen kann.

Präsident Böhm: Frau Gote, was Sie machen, ist mehr als nur ein Zwischenruf.

Freiherr von Rotenhan (CSU): Die Frau, die Kinder erzogen hat, darf doch im Alter nicht schlechter dastehen als zum Beispiel die Frau, die Professorin geworden ist. Ich lese, dass 40% der Hochschulabsolventinnen gar nicht mehr Mutter werden wollen. Es darf doch nicht sein, dass die Frauen, die Kinder erzogen haben, in der Rente schlechter gestellt sind als die Frau, die Geld verdient hat.

(Lebhafter Beifall bei der CSU)

Ich will gar nicht behaupten, dass es bei uns keine Versäumnisse gegeben hätte. Für die Frau, die sechs, sieben oder acht Kinder erzogen hat und, wenn sie Bäuerin ist, von einer landwirtschaftlichen Rente von 450 Euro leben muss,

(Dr. Dürr (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Keine Diskriminierung der Landbevölkerung! - Frau Steiger (SPD): Die Grundsicherung wollten Sie nicht haben!)

muss es in irgendeiner Form eine Vorabrente geben, damit sie nicht schlechter gestellt ist als eine Kreissparkassendirektorin oder die Hochschulprofessorin, die ihr Geld verdient haben. Es sei ihnen ja von Herzen gegönnt. Aber das, was im Moment stattfindet, ist eine Ausbeutung der Frauen, die Kinder haben, zugunsten derer, die keine Kinder erzogen haben.

(Beifall bei der CSU)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich hätte gerade von den Damen, die so schön hier vorne sitzen, erwartet, dass sie auf diese Sache einmal zu sprechen


7618 - Bayerischer Landtag · 14.Wahlperiode Plenarprotokoll 14/105 v. 10.12.2002
gekommen wären; so ist es leider mir vorbehalten. Ich habe gezählt, dass ich allein mehr Kinder in die Welt gesetzt habe als die Damen der Fraktion der GRÜNEN zusammen.

(Heiterkeit und Beifall bei der CSU)

Präsident Böhm: Das Wort hat Frau Kollegin Lochner-Fischer.

(Zurufe von der CSU: Oh!)

Frau Lochner-Fischer (SPD): Meine Damen und Herren, erschreckend war dieser Beitrag des Kollegen von Rotenhan für uns alle, aber noch erschreckender, meine Damen und Herren von der CSU ist, dass Sie dem auch noch Beifall klatschen.

(Beifall bei der SPD und beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das, was hier vor dem Mikrofon des Hohen Hauses gerade gesagt worden ist, ist schlicht verfassungswidrig.

(Unruhe bei der CSU)

Ich werde Ihnen deshalb im Wortlaut vorlesen, was das Bundesverfassungsgericht am 28. Mai 1993 aufgrund Ihrer Verfassungsklage gegen den Paragraphen 218 des Strafgesetzbuchs beschlossen hat. Ich zitiere:
"Der Schutz des ungeborenen Lebens, der Schutzauftrag Ehe und Familie und die Gleichstellung von Mann und Frau in der Teilhabe am Arbeitsleben verpflichten den Staat und insbesondere den Gesetzgeber, die Grundlagen dafür zu schaffen, dass Familientätigkeit und Erwerbstätigkeit aufeinander abgestimmt werden können und die Wahrung der Familienerziehungsaufgaben nicht zu beruflichen Nachteilen führt. Dazu zählen auch rechtliche und tatsächliche Maßnahmen, die ein Nebeneinander von Erziehungs- und Erwerbstätigkeit für beide Elternteile ebenso wie eine Rückkehr in eine Berufstätigkeit und einen beruflichen Aufstieg auch nach der Kindererziehungszeit ermöglichen."
Herr Kollege von Rotenhan

(Kaul (CSU): Er hat nichts Gegenteiliges gesagt!)

hat in dankenswerter Klarheit genau das Familienbild gezeichnet, das ich Ihnen schon am Anfang angekreidet habe. Herr Kollege von Rotenhan, alle Achtung vor Ihrer Frau: Sie hat nämlich die sieben Kinder auf die Welt gebracht und erzogen, damit Sie im Landtag tätig sein können.

(Beifall bei der SPD und beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Kaul (CSU): Und Ihr Mann arbeitet, damit Sie im Landtag tätig sein können!)

Wenn Sie sich an der Erziehungsarbeit in gleicher Weise beteiligt hätten, so wie wir das fordern, wäre Ihre Karriere innerhalb der CSU mit Sicherheit anders verlaufen, als sie verlaufen ist.
Ich komme noch einmal auf einen Punkt, der Ihnen enorm zu gefallen scheint, nämlich das Auseinanderdividieren von Frauen, die bei ihren Kindern bleiben können, und anderen, die arbeiten gehen. Sie wissen doch - Sie haben sogar die Kinder zusammengezählt -, dass bei der SPD-Fraktion genügend Frauen sind, die ebenfalls eine längere Zeit Familienarbeit gemacht haben, ohne gleichzeitig berufstätig zu sein. Sie - ich sage es noch einmal - reden immer von Wahlfreiheit. Aber die Mehrheit der Frauen insgesamt und vor allem die Mehrheit der berufstätigen Frauen hatte nie eine Wahl. Es sei denn, Sie sagen klar und deutlich wie gerade eben, die Frau muss sich entscheiden, ob sie berufstätig sein oder ein Kind bekommen will. Das ist aber verfassungswidrig, und wir lehnen das ebenfalls ab.

(Beifall bei der SPD)

Wir wollen nämlich Kinder bekommen und haben auch Kinder. Und wir wollen trotzdem unsere Miete bezahlen können, und wir wollen trotzdem davon leben können, und wir wollen trotzdem ein Auto fahren und vielleicht ab und zu in den Urlaub. Wir sind nicht bereit, uns dieser Doktrin, die Sie im Land verbreiten, zu unterwerfen und zu sagen, die Frau muss sich entscheiden, entweder sie bekommt Kinder oder sie geht arbeiten. In dem Fall wollen wir das gleiche Recht wie Sie als Mann. Sie haben Kinder und alles andere auch. Die Mehrheit der Frauen will dieses endlich auch haben.

(Beifall bei der SPD)

Auffällig an der Diskussion heute war, dass zwar sonst immer über den Bund geredet wird, aber heute kein einziges Wort über den Bund verloren wurde. Das hat wohl seine Gründe. Denn der Bund zahlt. Und dieses sollten Sie, Frau Ministerin, in Ihre Homepage und sonstigen Veröffentlichungen bitte auch endlich aufnehmen. Der Bund zahlt die nächsten sechs Jahre an den Freistaat Bayern für Kinderbetreuungseinrichtungen 600 Millionen Euro, die gleiche Summe, die der Freistaat Bayern selbst aufbringt, wobei Sie immer schamhaft verschweigen, dass Sie die Hälfte des Geldes des Freistaates Bayern vorher bei den Kommunen abkassieren.

(Beifall bei der SPD)

Präsident Böhm: Das Wort hat Frau Staatsministerin Stewens.

Frau Staatsministerin Stewens (Sozialministerium): Herr Präsident, meine Kolleginnen und Kollegen! Frau Kollegin Biedefeld, ich möchte eines richtig stellen und klarstellen: Wir haben immer gesagt, Wahlfreiheit bedeutet für uns, Erwerbstätigkeit und Familie wählen zu können. Das, was Sie hier behauptet haben, ist von uns noch nie in irgendeiner Form gesagt worden. Es heißt immer: Erwerbstätigkeit und Familie. Das stelle ich noch einmal klar. Alles andere ist eine Unterstellung.

(Beifall bei der CSU)


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Bayern hat mit 69% die höchste Erwerbsquote bei den Frauen in den westlichen Ländern.

(Frau Christine Stahl (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Teilzeit!)

Deshalb können die Rahmenbedingungen für die Frauen in Bayern gar nicht so schlecht sein. Das möchte ich Ihnen ganz klar sagen.

(Beifall bei der CSU)

Zum Familienbegriff. Unser Familienbegriff ist eindeutig definiert. Familie ist da, wo Eltern für ihre Kinder Verantwortung tragen. Über die elterliche, väterliche und mütterliche Verantwortung definieren wir die Familie. Das heißt, dass wir selbstverständlich sehen, dass es sehr unterschiedliche Formen von Familie gibt, auch viele alleinerziehende Mütter. Den jeweiligen Lebensbedingungen tragen wir in unserer Politik Rechnung. Das ist ganz klar unsere Definition von Familie. Lassen Sie mich noch kurz etwas zum Gender Mainstreaming sagen. Gender Mainstreaming kam in den Konzepten Hartz I und II überhaupt nicht vor. Fast alle Frauenverbände und Familienverbände haben an den Bundeskanzler geschrieben, weil es diesen Begriff in der Arbeitsmarktpolitik überhaupt nicht gibt. Dort müssen wir aber ansetzen, meine lieben Kolleginnen. Schauen Sie sich doch einmal das Regierungsprogramm der rot-grünen Koalition an: Was die Frauenpolitik anbelangt, ist es ausgesprochen mager. Das möchte ich Ihnen sagen, nachdem Sie schon darauf verweisen.

(Lachen bei der SPD)

Lassen Sie mich noch eine Richtigstellung vornehmen. Von dem 313-Millionen-e-Programm gehen 50 Millionen e in Baukosten und Investitionsförderung. Mit dem verbleibenden Betrag können bis zu 40% der Personalkosten gefördert werden. Wenn man den kommunalen Anteil dazurechnet, dann muss man den Betrag noch wesentlich erhöhen. Denn die 313 Millionen e sind ausschließlich Finanzierungsmittel des Freistaates. Die Kommunen werden gerade bei den kommunalen Krippen und Horten in den fünf Jahren um insgesamt 112 Millionen e entlastet.

(Frau Biedefeld (SPD): Das stimmt nicht!)

Ich kenne dieses Programm sehr genau. 40% unserer Personalkosten haben in dieses Programm Eingang gefunden. Auch das möchte ich noch einmal ganz klar sagen.

(Frau Biedefeld (SPD): Sie nennen ständig falsche Zahlen!)

Ich bin auch der festen Überzeugung, dass wir mit unserer Frauenpolitik - - Definieren Sie bitte Frauenpolitik nicht allein über die Kinderbetreuung.

(Unruhe - Glocke des Präsidenten)

Das war der Schwerpunkt Ihrer Diskussion. Wir definieren Frauenpolitik über die unterschiedlichsten Bereiche.

(Zuruf der Frau Abgeordneten Biedefeld (SPD))

Wir wollen gemeinsam mit der Wirtschaft ein Arbeitsleben gestalten, in dem die Frauen einen gerechten Lohn für ihre Arbeit bekommen und in dem sich die Frauen frei entscheiden können. Das halte ich für richtig. In der Bildung und Ausbildung haben die Mädchen schon längst gleichgezogen. Wenn ich heute auf die Jugend blicke, dann sehe ich eine sehr selbstbewusste Jugend und insbesondere selbstbewusste junge Frauen, die ihre Chancen wahrnehmen wollen. Für uns ist wichtig, dass wir in diesem Bereich gemeinsam die politischen Rahmenbedingungen verbessern. In dieser Beziehung sind wir in Bayern auf einem sehr guten Weg.

(Beifall bei der CSU - Frau Biedefeld (SPD): Ankündigungen!)

Erster Vizepräsident Dr. Ritzer: Die nächste Wortmeldung kommt von Frau Kollegin Schopper.

(Unruhe)

Meine Herren, etwas mehr Höflichkeit bei der Frauendebatte!

Frau Schopper (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich habe mich wegen der Ausführungen unseres Kollegen von Rotenhan gemeldet. Er hat das wahre Gesicht der CSU gezeigt.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

Er hat gezeigt, dass er Frauen an dem Ort haben will, wo sie jahrzehnte- und jahrhundertelang von Ihnen hingestellt wurden. Sie wollen die Frauen an Heim und Herd. Sie haben über die Benachteiligung bei der Rente gesprochen. In diesem Punkt könnten wir sogar zusammenkommen. Wir wollen ebenfalls keine Benachteiligung der Frauen bei der Rente.

(Zuruf des Abgeordneten von Rotenhan (CSU))

Die CSU muss doch ihre Politik ändern, wenn man sieht, dass 40% der Akademikerinnen kinderlos bleiben, weil sie ihren Beruf und ihren Kinderwunsch nicht vereinbaren können, obwohl sie dies wollen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Deshalb muss die Politik die Weichen stellen. Sie können sich nicht auf Politik von gestern verlassen, wenn die Politik von gestern nicht mehr funktioniert. Dabei können Sie, Ihre Produktivität in allen Ehren, mit vollen Hosen gut stinken, aber Sie müssen auch anderen Men-


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schen zugestehen, dass es bei ihnen vielleicht nicht möglich ist.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wenn Sie sich nicht bewegen, dann werden Sie noch mehr bei den Frauen verlieren, weil diese halbscharigen Anwandlungen und was Sie mit deprivierten Frauen - - Manche Frauen sind allein erziehend und müssen arbeiten. Meine sehr geehrten Damen und Herren, es ist nicht nur so, dass die allein Erziehenden arbeiten müssen, sondern viele Frauen habe gute Noten, die gute Ausbildung und den Anspruch, dort hineinzuwollen, wo Sie Ihre Pfründe haben. Sie wollen Ihnen an den Kragen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

Das bedeutet: gleicher Lohn für gleiche Arbeit, und das heißt, dass wir Bedingungen haben müssen, die es uns Frauen erlauben, in die Chefetagen aufzusteigen. Sie fürchten, dass man Ihnen den Chefsessel absägt. Das ist der Dreh- und Angelpunkt, warum Sie sich mit der Frauenpolitik so schwer tun. Wir Frauen sind nämlich nicht mehr geduldig und wollen Ihnen nicht mehr den Steigbügel auf dem Weg zur Macht halten, sondern wir wollen sie selber.

(Beifall bei der SPD und beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Kaul (CSU): Das war wenigstens ehrlich!)

Erster Vizepräsident Dr. Ritzer: Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Die Aussprache ist geschlossen.
Wir stimmen jetzt über den Dringlichkeitsantrag der SPD-Fraktion auf Drucksache 14/11211 ab. Die Abstimmung soll in namentlicher Form erfolgen. Für die Stimmabgabe sind die entsprechend gekennzeichneten Urnen bereitgestellt.
Verehrte Kolleginnen und Kollegen, in diesem Text muss das Datum geändert werden. Wo es im 6. Spiegelstrich auf Seite 2 heißt: - aktive Beteiligung der Staatsregierung an dem jährlich durchgeführten "Girl‚s-Day", wird das Datum gestrichen. In dieser Form steht der Antrag zur Abstimmung.
Die Abstimmungsurnen stehen rechts und links an den Eingangstüren. Die Urne für die Enthaltungen ist auf dem Stenografentisch. Mit der Stimmabgabe kann begonnen werden. Dafür stehen 5 Minuten zur Verfügung. (Namentliche Abstimmung von 16.45 bis 15.51 Uhr)

Erster Vizepräsident Dr. Ritzer: Verehrte Kolleginnen und Kollegen, die Zeit für die Abstimmung ist abgelaufen. Die Stimmabgabe ist beendet. Das Abstimmungsergebnis wird außerhalb des Plenarsaals ermittelt. Das Ergebnis kann dann später bekannt gegeben werden. Wir fahren zwischenzeitlich in der Tagesordnung fort.



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