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Veröffentlicht am 7. März 2003

Gemeinsame Erklärung zum Internationalen Frauentag von den Bundesministerinnen
Renate Schmidt, Edelgard Bulmahn, Renate Künast,
Ulla Schmidt, Heidemarie Wieczorek-Zeul, Brigitte Zypries
und Staatsministerin Christina Weiss

"Wie vieles andere wird auch der diesjährige Internationale Frauentag am 8. März vom drohenden Krieg im Irak überlagert. Deshalb appellieren wir auch und gerade an diesem Tag: Krieg darf kein Mittel der Politik sein. Deshalb muss jede erdenkliche Möglichkeit ausgeschöpft werden, eine Krise friedlich zu entschärfen. Das gilt auch gegenüber dem Irak. Er muss mit nicht-militärischen Mitteln dauerhaft entwaffnet werden. Dass dies möglich ist, hat der Chef der UN-Waffeninspektoren, Hans Blix, am 14. Februar vor dem Weltsicherheitsrat noch einmal bestätigt. Die Entwaffnung des Diktators Saddam Hussein mit friedlichen Mitteln kann der erste Schritt sein, um das jahrelange Leiden der irakischen Zivilbevölkerung zu lindern.

Sollte trotz aller Anstrengungen, welche die Bundesregierung zusammen mit anderen Staaten unternimmt, ein Irakkrieg nicht verhindert werden können, so wird er fürchterliche Folgen haben - vor allem für die Zivilbevölkerung, für Frauen und Kinder - 50 Prozent der irakischen Bevölkerung sind Kinder unter 15 Jahren. Es besteht die Gefahr, dass es vor allem Frauen sein werden, die mit ihren Kindern den Bomben und Granaten ausgeliefert sind, die als lebende Schutzschilder für einen verbrecherischen Diktator missbraucht werden, die um das Überleben ihrer Familien ringen, die im Flüchtlingselend ihre verängstigten Kinder zu trösten versuchen.

Die historische Erfahrung zeigt: Waren in den Kriegen bis Anfang des 20. Jahrhunderts noch rund 90 Prozent aller Getöteten und Verwundeten Soldaten, so hat sich am Ende des 20. Jahrhunderts die Opferbilanz umgedreht. In den "neuen Kriegen" machen die Zivilbevölkerung, Frauen und Kinder, inzwischen 80 Prozent aller Opfer aus. Dazu zeichnete sich in den "neuen Kriegen" der 90er Jahre eine weitere Tendenz ab: Vergewaltigung, Zwangsprostitution und sexuelle Misshandlungen von Frauen wurden in Konflikten "als strategische Waffen" eingesetzt.

Die Wahrung der Menschenrechte von Frauen, ihr Schutz vor Gewalt, muss daher auf der politischen Agenda ganz oben stehen. Das gilt international wie national. Die Bundesregierung hat erstmals ein integriertes Gesamtkonzept auf den Weg gebracht, den nationalen Aktionsplan zum Schutz von Frauen gegen Gewalt. Dieser Aktionsplan setzt neben gesetzlichen Regelungen auch auf die Kooperation staatlicher und nichtstaatlicher Akteure.

Die historische Erfahrung zeigt auch: Trotz ihrer jahrhundertelangen politischen und gesellschaftlichen Unterdrückung sind es Frauen, die sich aktiv und leidenschaftlich für Frieden und gegen den Krieg eingesetzt haben. Aus gutem Grund wurde der Friedensnobelpreis 1905 zum ersten Mal an eine Frau, die Friedensaktivistin Bertha von Suttner, verliehen. Frauen in der Friedensbewegung vor und während des ersten Weltkriegs, Frauen im Widerstand gegen die Nazi-Barbarei, Frauen in Protestbewegungen gegen den Vietnamkrieg, die "Madres de Plaza de Mayo" in Buenos Aires, die russischen Mütter-Initiative gegen den Tschetschenienkrieg, die "Frauen in Schwarz", die seit 1998 mit einer Friedensschule durch die Städte Serbiens, Montenegros und der Region reisen - sie alle sind uns Vorbild und Ermutigung.

Wir engagieren uns für eine neue, gerechtere Weltordnung. Zu den notwendigen Schritten dorthin gehört die weitere Verrechtlichung und Multilateralisierung der internationalen Beziehungen durch Einbeziehung und Stärkung aller Partner. Die Stärke des Rechts, nicht das Recht des Stärkeren muss die Oberhand behalten.

Bei der Entwicklung der internationalen Beziehungen müssen Frauen aktiv mitwirken können. Immer noch sitzen weltweit Frauen nicht in ausreichend großer Zahl mit an den großen internationalen Konferenztischen, sind sie nicht ausreichend eingebunden in politische Weichenstellungen und Entscheidungsprozesse - vielfach wird ihnen sogar das Recht abgesprochen, in gleichberechtigter Weise mit den Männern das Schicksal ihres eigenen Landes mitzugestalten. Ein hoffnungsvolles Zeichen konnte jetzt bei der Bestellung des Internationalen Strafgerichtshofes erreicht werden. Nicht zuletzt auf Drängen der Bundesregierung sind 7 der 18 Richter weiblich - der bislang höchste Frauenanteil in internationalen Gerichten.

Verrechtlichung und Multilateralisierung sind wichtig, aber allein nicht ausreichend. Sie müssen einher gehen mit der Konzentration der globalen Finanzmittel auf den Kampf gegen Armut, Ungerechtigkeit und Ausgrenzung. Denn das ist der zentrale Hebel für die Prävention von Krisen, Gewalt und Terror."

 


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