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Zum 8. März 2003

Plädoyer für eine neues Arbeitszeitmanagement

Frauen im Erwerbsleben 2003
Arbeiten, das heißt für viele - fern von zu Hause, Vollzeit mit 40 Stunden pro Woche, 5 Tage die Woche, Beginn zwischen 7 und 9 Uhr, Ende zwischen 15 und 17 Uhr, in den letzten Jahren mit immer mehr Überstunden arbeiten gehen. Das so genannte "Normalarbeitsverhältnis" gilt für Frauen jedoch nur selten. Immer mehr Frauen gehen heute arbeiten, aber immer mehr Frauen arbeiten in Teilzeitarbeit, Minijobs und Heimarbeit. Hoch qualifizierte, gut bezahlte Jobs oder gar Führungspositionen sind kaum mit Frauen besetzt. Der Grund dafür ist einfach: Die stromlinienförmige Standarderwerbskarriere, also 40 Jahre lang Vollzeit, lässt sich mit Kindern einfach nicht vereinbaren. Denn Frauen teilen ihr Zeitbudget zwischen vielen Ansprüchen - Beziehung, Familie, Pflege, Beruf - auf. Sie sind damit zeitlich nicht allround verfügbar wie ihre männlichen Kollegen. Der Preis dafür ist hoch: schlechte Bezahlung, weniger Rentenbeiträge, Karriereverzicht, Abhängigkeit von staatlichen Zuschüssen oder Ehemann. Trotzdem sich die Rollenbilder von Frauen und Männern verändert haben, hat dieses stillschweigend akzeptierte Zeitarrangement zwischen den Geschlechter Bestand: Die Hauptbeschäftigung von Männern ist Geld verdienen, Frauen kämpfen mit der Doppelbelastung zwischen Beruf und Familie.

Im Netzwerk FrauenZeiten haben sich Frauen zusammen geschlossen, die die Arbeitswelt für die gewachsenen Lebensansprüche von Männern und Frauen umgestalten wollen. Wir streiten zusammen mit anderen für eine gerechte Verteilung von Arbeit, Zeit und Geld. Es geht um eine "Doppelte Umverteilung": von oben nach unten und von Männern zu Frauen. Wir stellen das Normalarbeitsverhältnis in Frage und wollen es neu definieren.

Arbeitszeitverkürzung macht Sinn, ...

...weil nur so die Vereinbarkeit von Familie und Beruf für beide Geschlechter möglich ist.
Die neuen Gesetze zur Teilzeit und Elternzeit weisen den Weg in die richtige Richtung. Kindererziehung und weniger arbeiten sollen in bestimmten Lebensphasen für Männer und Frauen ganz normal werden. Die gesetzlichen Regelungen sind eine wichtige Grundlage, damit sich die Arbeitsverteilung ändert. Damit am Ende aber nicht wieder nur Frauen davon Gebrauch machen, muss Arbeitszeitverkürzung in den unterschiedlichsten Varianten für alle das Ziel sein.

... damit die Volkswirtschaft von qualifizierten Frauen profitiert.
Wissenschaftler sagen aufgrund des demographischen Wandels der Gesellschaft in 15-20 Jahren einen Mangel an Fachkräften voraus. Gleichzeitig werden die Frauen immer besser ausgebildet, aber kaum ihrer Qualifikation entsprechend eingesetzt. Nur wenn wird heute Möglichkeiten für diese Frauen zur Beschäftigung schaffen, sind wir morgen in der Lage genügend Arbeitskräfte im eigenen Land zu finden und den Wünschen von Frauen an eine Beteiligung am Erwerbsleben gerecht zu werden.

...weil die bessere Verteilung der Arbeit die Massenarbeitslosigkeit bekämpft
Wer heute arbeitet, schuftet mit Überstunden, hat kaum noch Zeit für andere Sachen und ruiniert seine Gesundheit. Arbeitslose stehen daneben und müssen zugucken. Es leuchtet jedem Kind ein, dass die vorhandene Arbeit gerechter verteilt werden muss. Das ist aber gar nicht so einfach, denn Arbeitszeitverkürzung bringt nur dann was, wenn Neueinstellungen gesichert sind. Die Einführung der 35-Stunden Woche z.B. hat weitenteils zur Verdichtung der Arbeit und zu Überstunden geführt. Bei hochqualifizierten Tätigkeiten sind längst ausgedehnte Arbeitszeiten ("Arbeit ohne Ende") alltäglich. Die Folge sind Burn-Out-Effekte der Beschäftigten, die für den Arbeitgeber und die Sozialversicherungssysteme im Endeffekt viel teurer werden. Um bei den Beschäftigten für soziale Gerechtigkeit zu sorgen, ist bei der Arbeitszeitverkürzung angesichts der Reallohnverluste der letzten Jahre ein sozial gestaffelter Lohnausgleich notwendig.

Unsere Zeit ist unser Leben - Arbeiten in Zukunft
Wir brauchen Utopien und Leitbilder, wie wir im 21. Jahrhundert leben und arbeiten wollen, um die Menschen neu gewinnen zu können. Der Begriff "Work-Life-Balance" aus der wissenschaftlichen Forschung weist den Weg zu einem lebbaren Gleichgewicht von Arbeit und Leben. Damit sich Flexibilisierung im Sinne von Zeitsouveränität für Frauen positiv auswirkt, halten wir feste Rhythmen und eine verlässliche Stabilität von Arbeitszeiten für unabdingbar. Dazu gehören ein möglichst erwerbsarbeitsfreies Wochenende sowie tägliche und wöchentliche Höchstarbeitszeitgrenzen. Eine durchschnittliche Wochenarbeitszeit von 30 Stunden erscheint sinnvoll. Die zulässigen Höchstarbeitszeiten müssen reduziert werden.

Anknüpfungspunkte in aktueller Politik
Es gibt aber auch schon heute Ansatzpunkte, um ein Netz positiver Impulse für neue Arbeitszeitmodelle zu entwickeln. Beispielsweise:
Zeiten der Stadt: ein kommunaler Ansatz zur Abstimmung der Zeiten mit den verschiedenen Akteuren.
Jobrotation: ein Weiterbildungsmodell, das verschiedene Bundesländer und Arbeitsämter durchführen.
Familien- und Pflegeteilzeit: Vorschlag eines Gesetzes analog zur Altersteilzeit mit Verdienstausgleich.

Es gibt interessante Modelle auch im europäischen Umfeld, die in Richtung einer neuen Arbeitszeitgerechtigkeit weisen: z.B. das Zwei-Säulen Modell einer 2 mal 25 Stundenwoche von Erwerbs- und Nichterwerbsarbeitszeit (Schweizer Sozialdemokratie); oder das Modell der "Dreizeitgesellschaft" (Rinderspacher): jeweils 1/3 Erwerbsarbeit, Gesellschaftsarbeit, freie Zeit.

Mit dem Rechtsanspruch auf Teilzeit hat die Bundesregierung einen richtigen Schritt für eine Ausweitung von Teilzeitmöglichkeiten gemacht. Die Einführung einer Elternzeit als Ersatz für den Erziehungsurlaub kann als ernstgemeinte Initiative für eine neue Verteilung von Familien- und Erwerbsarbeit gewertet werden. Beide Gesetze habe verkrustete Strukturen, Einkommensunterschiede und Gewohnheiten jedoch nicht aufbrechen können. Strukturelle Fortschritte darf man erwarten, wenn mit Hilfe von Bundesmitteln eine flächendeckende Einführung von Ganztagskinderbetreuung gefördert wird.

Dass Arbeits- und Lebenszeitgestaltung eine Schlüsselfrage für Frauen und für eine moderne soziale Gesellschaft ist, das ist für Frauen sonnenklar. Vom 8. März 2003 soll das Signal auch an Unternehmen, Gewerkschaften und Politik ausgehen: Wir Frauen wollen es doppelt. Wir streiten zusammen mit anderen für eine gerechte Verteilung von Arbeit, Zeit und Geld.

 


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