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ddp 23. November 2000

Gewalt in Partnerschaften ist keine Privatsache
ddp-Interview mit Bundesfrauenministerin Christine Bergmann

Berlin (ddp). Bundesfrauenministerin Christine Bergmann (SPD) fordert eine größere Sensibilität der Öffentlichkeit gegenüber Gewalt an Frauen im familiären Bereich. Es sei noch nicht gelungen, die Frage häuslicher Gewalt gegen Frauen «ganz aus dem privaten Bereich herauszubekommen», sagte Bergmann in einem Interview der Nachrichtenagentur ddp in Berlin. Noch immer sei dieses Thema «mit viel Verdrängung und Tabuisierung» verbunden. Gewalt in Partnerschaften und Familien sei aber keine Privatangelegenheit. «Solche Gewalttaten müssen im öffentlichen Interesse verfolgt werden», unterstrich die Ministerin.

Sie zog zugleich eine positive Bilanz des vor einem Jahr vorgelegten Aktionsplans der Bundesregierung gegen Gewalt an Frauen. Viele der dort aufgelisteten Maßnahmen seien bereits umgesetzt, andere noch in Arbeit. So sollten künftig statt der geschlagenen Frauen die Täter die Wohnung verlassen müssen. Ein entsprechendes Gesetz sei vom Bundesjustizministerium auf den Weg gebracht und werde «in Kürze» auf den Tisch kommen.

Bergmann verwies in diesem Zusammenhang darauf, dass jährlich rund 50.000 Frauen in ein Frauenhaus zögen. Man habe es «viel zu lange hingenommen, dass es immer die Frauen sind, die mit den Kindern ins Frauenhaus ziehen, während die Täter fröhlich in der Wohnung sitzen bleiben», kritisierte die SPD-Politikerin. Jetzt werde es hier «einen Paradigmenwechsel» geben. Bereits umgesetzt sei etwa die Änderung des Ausländerrechts, fügte die Ministerin hinzu. Damit könnten ausländische Frauen sehr viel schneller als früher ein eigenständiges und vom Ehemann unabhängiges Aufenthaltsrecht bekommen. Dadurch seien sie nicht mehr gezwungen, «eine Gewaltsituation auszuhalten, nur um ihr Aufenthaltsrecht nicht zu verlieren».

Ebenfalls verabschiedet sei das Gesetz zum Recht der Kinder auf gewaltfreie Erziehung, betonte Bergmann weiter. Damit habe man «einen Riesenschritt nach vorne» getan. Das Gesetz setze sehr früh in der Erziehung an, aber dort fange auch die Gewalt an: «Viele der Schläger haben selbst als Kind Gewalt erfahren oder miterlebt, wie in Beziehungen Gewalt herrschte.» Weitergekommen sei man auch bei der Vernetzung von Hilfsangeboten, unterstrich die SPD-Politikerin. So gebe es inzwischen bundesweit eine Vernetzung der Frauenhäuser und Frauen-Notrufe, die ihre Erfahrungen austauschten. Dies sei auch wichtig, damit die Arbeit so effektiv wie möglich gestaltet werden könne.

Handlungsbedarf räumte die Ministerin im Bereich der Täterarbeit ein. Dabei gehe es darum, die Täter über psychosoziale Trainingskurse zu einer Änderung ihres Verhaltens zu bringen. In den USA werde bereits seit Jahren massiv mit solchen Kursen gearbeitet. Jetzt solle dieser Bereich auch in Deutschland «forciert und in die wissenschaftliche Begleitung aufgenommen werden, so dass wir demnächst eigene Ergebnisse dazu vorlegen können».

(Weitere Informationen zum Aktionsplan zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen unter:

http://www.bmfsfj.de/swpkt/blickp/inhalt00.htm)


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