Dokumente aus dem Bayerischer Landtag
Von der CSU-Mehrheit des Landtags im Plenum am 25.06.2003 abgelehnt

Der Beratungsverlauf dieser Vorlage im Bayerischen Landtag sowie das Plenarprotokoll dazu sind wie andere Anträge und Anfragen über http://www.bayern.landtag.de/ zu erhalten

Bayerischer Landtag Drucksache 14/12757
  24.06.2003

Antrag
der Abgeordneten Maget und Fraktion der SPD

Forschungsreaktor München II (FRM II)
hier:
1. Zwischenfall mit radioaktivem Wasser
2. Flugbeschränkungen
3. Versorgung des FRM II mit hoch angereichertem Uran

Der Landtag wolle beschließen:

Die Staatsregierung wird aufgefordert,

1. dem Landtag den Bericht des beauftragten Gutachters des TÜV Süddeutschland vorzulegen sowie unabhängig davon in einem schriftlichen Bericht die näheren Umstände des Zwischenfalls mit radioaktivem schweren Wasser sowie die daraus abzuleitenden Konsequenzen aus eigener Sicht darzustellen, wobei insbesondere einzugehen ist a) auf den zeitlichen Ablauf (Datum und Uhrzeit) der vorgenommenen Maßnahmen zwischen der Entdeckung der Undichtigkeiten bis hin zur Beseitigung und derzeitigen Unterbringung der Fässer mit Deuterium/Tritium, b) auf die zeitliche Abfolge (Datum und Uhrzeit) der Information an innerbetriebliche Kontrollstellen und der staatlichen Stellen der Genehmigungs- und Aufsichtsbehörden, c) auf die jeweils eingeleiteten Maßnahmen, d) auf die Ergebnisse der Nachforschungen beim französischen Lieferanten Centre Energie Atomique und bei der Transportfirma Nuclear Cargo Services Hanau und auf deren Stellungnahmen, e) auf die auftretenden Strahlungsexpositionen der jeweils befassten Mitarbeiter, f) auf die Ursachen und den Zeitpunkt der entstandenen Undichtigkeiten, g) auf die ursprüngliche Quelle der Fässer, auf die daraus abgeleiteten Sicherheitsmaßnahmen für die Zukunft.

sofort beim Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen eine Flugverbotszone für den zivilen Luftverkehr entsprechend den Überflugsbeschränkungen bei anderen kerntechnischen Anlagen in Deutschland zu beantragen, damit diese Beschränkungen noch vor der "heißen" Inbetriebnahme des FRM II im Herbst in Kraft treten können,

2. in einem schriftlichen Bericht darzustellen, welche Auswirkungen die Kündigung des deutsch-russischen Abkommens zur Lieferung von hoch angereichertem Uran (HEU) für die Brennelemente des Forschungsreaktors München II durch Deutschland hat, welche Vorbereitungen zur Umrüstung des FRM II auf niedrig angereichertes, nicht atomwaffenfähiges Uran (LEU) zu welchem Zeitpunkt von Seiten Bayerns vorgesehen sind und welche Möglichkeiten und Notwendigkeiten es gibt, bereits vor dem Jahr 2010 umzustellen.

Begründung:

Zu 1:
Der Zwischenfall beim FRM II mit radioaktivem Wasser muss dem Landtag in allen Einzelheiten dargestellt werden, wobei auch auf die Bewertung und die notwendigen Konsequenzen eingegangen werden muss. Außerdem ist es notwendig, dass dem Landtag nicht nur aktuell der schriftliche Bericht der Staatsregierung zur Verfügung gestellt wird, sondern ihm auch die Ergebnisse des beauftragten Gutachters des TÜV Süddeutschland vorgelegt werden.

Zu 2:
In den USA, in Großbritannien und Frankreich besteht striktes Näherungs- und Überflugverbot bei kerntechnischen Anlagen.
Das Bundesministerium der Verteidigung hat durch innermilitärischen Befehl den Überflug aller kerntechnischen Anlagen in Deutschland für militärische Luftfahrzeuge untersagt.
Bundesverkehrsminister Stolpe hat nun Flugbeschränkungen über den 19 deutschen Kernkraftwerken, also auch über Isar I und Isar II, Gundremmingen Block B und C sowie Grafenrheinfeld, verfügt. Diese Verordnung wurde am 29. Mai 2003 veröffentlicht und tritt am 18. September 2003 in Kraft. Die Verordnung untersagt zivile Luftbewegungen innerhalb eines Radius von 1,5 Kilometer und unter einer Höhe von 2.000 Fuß.
Um die deutschen Forschungsanlagen Jülich, Karlsruhe, Rossendorf, Lubmin und Rheinsberg bestehen ebenfalls entsprechende Verbotszonen.
Konsequenterweise müssen diese Flugbeschränkungen auch für den neuen Forschungsreaktor München, den FRM II, gelten. Dazu ist es notwendig, dass Bayern einen entsprechenden Antrag beim Bundesverkehrsministerium stellt. Hier besteht aktueller Handlungsbedarf, da die "heiße" Inbetriebnahme des FRM II in wenigen Monaten zu erwarten ist.

Zu 3:
Mit der Kündigung des deutsch-russischen Abkommens zur Lieferung von hoch angereichertem Uran (HEU) für die Brennelemente des Forschungsreaktors München II durch Deutschland läuft das Lieferabkommen im Jahr 2008 aus.
Eine Fortsetzung der Lieferung dieses atomwaffenfähigen Kernbrennstoffs war nach Meinung der Bundesregierung entbehrlich geworden, da die vor kurzem erteilte 3. Teilgenehmigung eine Umrüstung des Reaktors FRM II bis Ende 2010 auf Brennelemente mit einem abgesenkten Gehalt an spaltbarem Uran festschreibt. Die Brennstoffversorgung des Forschungsreaktors bis zum Umrüstungszeitpunkt bleibt von der Kündigung unbeeinträchtigt.
Nach der Umrüstung wird der Reaktor mit Uran betrieben, das für den Bau von Atomwaffen uninteressant ist. Damit nimmt Deutschland auch bei den Forschungsreaktoren seine internationale Verpflichtung wahr, sich aktiv an den weltweiten Bemühungen zu beteiligen, den Handel, die Nutzung und damit auch die Verbreitung von atomwaffenfähigem Material einzudämmen.
Die Staatsregierung soll nun darstellen, welche Vorbereitungen sie zu welchem Zeitpunkt für die Umstellung des FRM II von HEU auf LEU treffen wird und welche Möglichkeiten sie sieht, die Umstellung vorzuziehen.

 

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